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Impulse von Stadtpfarrer Buß: "Effata – öffne dich!"
13.10.21 - Bei einer Tauffeier darf ich diesen Ritus immer am Kind vollziehen. Ich rufe "Effata – öffne dich!" Im übertragenen Sinne wird darum gebetet, dass sich dem Kind die Ohren öffnen, um die Botschaft Gottes in den vielen Stimmen dieser Zeit herauszuhören und der Mund, um es dann auch im Leben zu bekennen.
In der Bibel wird berichtet, man bringt einen Taubstummen zu Jesus. Und Jesus berührt ihn und spricht ihn an: "Effata – öffne dich!" und er wird gesund (Mk. 7,31 – 37). Jesus ist nicht bloß ein medizinischer Wunderheiler, sondern der Taubstumme ist ein Bild für viele Menschen, die irgendwann krank geworden sind. In einer Religionsklasse behandelte ich einmal diese Heilungsgeschichte. Die Schüler brachten zum Ausdruck, wie sie den Taubstummen sehen. Einer schreibt: Ein Taubstummer ist ein Mensch, der irgendwann stumm geworden ist, weil niemand ihm mehr wirklich zuhört. Oder: Menschen, die nichts mehr sagen wollen und können, denn keiner hinhört auf das, was sie wirklich sagen wollen – wenn sie von ihrem Leid, von ihrer Not und von ihren Ängsten sprechen. Menschen, die sich in sich zurückgezogen haben und irgendwann verstummt sind, weil niemand sich mehr für sie interessiert.
Dieser Taubstumme ist auch ein Bild für Menschen, die nichts mehr hören wollen, weil man ihnen immer nur gesagt hat, was sie alles nicht richtig machen, wo sie noch Defizite haben, was sie schon wieder falsch gemacht haben - und dass sie aus all diesen Gründen nicht ok sind. Menschen, die "dicht gemacht" und zugemacht haben, um überhaupt noch weiterleben zu können – und an die niemand mehr rankommt. Jesus heilt den Taubstummen durch seine Zuwendung ohne viele Worte, aber dafür mit ganz viel Nähe, die diesem Kranken zeigt: Du bist mir wichtig! Aber da gibt es noch eine weitere Botschaft in diesem Text, die man fast übersieht, weil es fast nur eine Randnotiz ist. Da steht: "Da brachte man einen Taubstummen zu Jesus" (Mk. 7,32). Das heißt, da gab es, Gott sei Dank, Menschen, die einen, der zu gemacht hatte, der schon taub und stumm für alles geworden war, zu Jesus bringen.
Menschen, die diesen Kranken sozusagen zum Heil hinbringen. Da gab es also "Heils-Vermittler/innen". An dieser Stelle ist der Leser des Evangeliums mit hineingenommen. Da sind Menschen gefragt, die offen sind für die Not der anderen – und offen für das Heil, das allein Gott schenken kann – und die dann einen Menschen dorthin führen, wo sie das Heil erfahren können. Sie öffnen ihm einen Weg zu einem liebenden und tröstenden, zu einem rettenden Gott, der nicht nur damals Mensch geworden ist in Jesus Christus – sondern, der auch heute Mensch werden will, in jedem der sich für das Wirken Gottes öffnet. Wer dazu fähig ist – zu heilsamen und heilenden Begegnungen mit dem Mitmenschen, der schafft konkretes Christsein im Alltag. (Stefan Buß) +++