Archiv
"Die fetten Jahre sind vorbei, wir werden von allem weniger haben." - Symbolbild: Pixabay

REGION VB Diskussion auf der Sondersynode

Die fetten Jahren gehen vorbei: Wo genau will die Kirche hin?

10.11.21 - Die Fakten sind massiv und liegen seit langem auf den Tischen der Verantwortlichen der Evangelischen Kirchen in Deutschland: Nach einer Studie der Universität Freiburg sollen die Mitgliederzahlen von 21,5 Millionen Menschen im Jahr 2017 auf 16,2 Millionen im Jahr 2035 sinken. Bis zum Jahr 2060 würde sich nach dieser Projektion die Zahl von 2017 sogar halbiert haben.

Gründe dafür gibt es einige: Zum einen sorgt der demografische Faktor für einen gesellschaftsweiten Schwund an Menschen: Die Zahl der zu erwartenden Sterbefälle wird nicht über Geburten oder Zuwanderung aufgefangen. Darüber hinaus schlagen kirchenspezifische Gründe zu Buche: Immer weniger Kinder von evangelischen Müttern werden getauft, mehr Menschen treten aus als ein. Vor diesem Hintergrund werden die Kirchen auch einen erheblichen Rückgang an Kirchensteuereinnahmen zu verzeichnen haben.

Einsparungen von 150 Millionen Euro

All dem versucht man in der Evangelischen Landeskirche von Hessen und Nassau (EKHN) mit dem Zukunftsprozess ekhn2030 zu begegnen: 150 Millionen Euro sind bis 2030 einzusparen, so die Vorgaben aus den Leitungsgremien der Landeskirche. Wie die Veränderungen gestaltet werden können, erregt die Gemüter von Gemeindegliedern – nicht nur, weil die zu erwartenden Einschnitte hart sein werden, sondern auch, weil vielerorts die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Kirchengemeinden als zu gering eingeschätzt werden.

Diese Problematik hat man auch im Evangelischen Dekanat Vogelsberg erkannt und ihr mit einer Sondersynode, die sich dreieinhalb Stunden lang ausschließlich mit dem Thema ekhn2030 befasste, Rechnung getragen. Und das Interesse war groß: 180 Teilnehmende konnten Präses Sylvia Bräuning und Dekanin Dr. Dorette Seibert dazu begrüßen – alle zusammengeschaltet über Videokonferenz. Neben den Mitarbeitern der Dekanate und den noch amtierenden Synodalen sowie den neu gewählten Mitgliedern der Kirchenvorstände nahmen auch interessierte Personen aus angegliederten Einrichtungen teil sowie Gäste aus Nachbardekanaten und der Katholischen Kirche.

"Wir können vorsorgen"

Zu den theologischen Grundlagen äußerte sich der Propst Matthias Schmidt. "Die fetten Jahre sind vorbei, wir werden von allem weniger haben", so Schmidt, "aber jetzt haben wir noch Reserven und können vorsorgen." Neben den demografischen und kirchenspezifischen Gründen machte Schmidt auch eine Institutionsmüdigkeit aus: "Menschen binden sich nicht mehr fest an Institutionen." Mit Blick auf die Besitztümer der Kirche sagte Schmidt, diese habe in den letzten 70 Jahren mehr gebaut, als die 400 Jahre zuvor. Daraus resultiere ein enormer Baubestand, den es zu erhalten gebe. Vor dem Hintergrund des Einsparungspotenzials seien auch diese zu überdenken. "Es ist unredlich, so zu tun, als bleibe alles beim Alten", so der Propst, der die Fragen "Was wollen wir für die mageren Jahre bewahren? Was wollen wir als Kirche sein?" mit auf den Weg zur Erneuerung gab. "Kirche entsteht und lebt aus dem Evangelium – und alle Menschen haben den Auftrag dies zu gestalten", so sein Appell an die Anwesenden. 

Dr. Annette-Christina Pannenberg zeigte in ihrer Präsentation, wie die Landeskirche mit ihrer Synode auf dem Weg in den Erneuerungsprozess ist. Sie stellte Arbeitspakete, Querschnittsthemen und Prüfaufträge vor und es war klar: Dieser Prozess ist nicht in wenigen Schritten erklärt und verstanden. Vielmehr bedarf es einer tiefen Einarbeitung, wenn man allen Bereichen Aufmerksamkeit schenken möchte. Pannenberg referierte auch unter der Prognose, dass nicht nur die Mitgliederzahlen und die Einnahmen schwinden, sondern dass mit den Babyboomern in den nächsten zehn Jahren auch die Hälfte der Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand gehen, sodass Kirchengemeinden sich auch in dieser Hinsicht neu orientieren und mit dem Mangel auseinandersetzen müssen

In kleineren Gruppen hatten nach den Präsentationen alle Teilnehmenden Gelegenheit, sich auszutauschen, ihre Fragen zu formulieren, ihre Bedenken und ihre Hoffnungen zu äußern. In der anschließenden Gesprächsrunde wurde deutlich, dass kaum jemand sich dem Prozess entziehen wird – zu offensichtlich ist die Notwendigkeit. Über das Wie gab es dann doch zahlreiche Fragen.

Antrag auf Zeitplanänderung

Die Dekanatssynode gibt einen Antrag an die Kirchensynode weiter, in dem gefordert wird, den Zeitplan für ekhn2030 dahingehend zu ändern, dass den Gemeinden und Dekanaten mehr Zeit zur aktiven Mitwirkung an dem Prozess gegeben wird. Beschlussfassungen zu Gesetzesänderungen, die sich aus dem Prozess ekhn2030 ergeben, sollen erst im Jahr 2023 gefasst werden. Die Mehrheit stimmte dafür und so macht sich dieser Antrag, der den Gemeinden etwas mehr Zeit verschaffen soll, nun auf den Weg nach Darmstadt. In den Dekanaten selbst – und damit auch im Dekanat Vogelsberg – beginnt spätestens jetzt die Suche nach geeigneten Kooperationen, die sich in den Nachbarschaftsräumen wiederfinden sollen.

Zum Abschluss der Synode machte die Dekanin Dr. Dorette Seibert klar, dass sie mit den Kirchengemeinden und Synodalen weiter an diesem Prozess arbeiten möchte – ein Workshop-Tag im kommenden Frühjahr soll eine solche Möglichkeit sein. Dort sollen unter der Fragestellung "Wo wollen wir hin?" Bilder und Möglichkeiten entworfen werden.

Feierlich wurde es am Ende noch einmal, als die scheidenden Synodalen verabschiedet wurden. Ihnen dankten sowohl Bräuning als auch Seibert für ihr jahrelanges ehrenamtliches und oft sehr zeitaufwendiges Engagement für ihre Kirche.(pm) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön