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Weitläufiger Winterwald in der Friedrichstraße in Fulda - Foto: Hendrik Urbin

REGION Weihnachtsmärkte mit Abstand genießen

Aerosolforscher Dr. Gerhard Scheuch: Die Gefahr lauert in Innenräumen

27.11.21 - Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus steigen von Tag zu Tag. Es wird diskutiert und gestritten. Impfpflicht ja oder nein? Professor Lothar Wieler bittet einmal mehr die Menschen, die Kontakte möglichst zu reduzieren. Bei der Pressekonferenz am Freitagmorgen wirkt der Präsident des Robert Koch-Instituts fast schon ein wenig verzweifelt, weil die notwendigen Maßnahmen nicht konsequent umgesetzt werden. Viele Menschen sind verunsichert. Die Politik - weder die geschäftsführend Verantwortlichen, noch die künftige Ampel-Koalition - kann derzeit für mehr Sicherheit und Vertrauen sorgen.

Auf der anderen Seite haben in diesen Tagen einige Weihnachtsmärkte eröffnet. Unter anderem in Fulda, Alsfeld und Bad Hersfeld. Überall gelten Abstands- und Hygieneregeln sowie 2 G zumindest an den Imbiss- und Getränkeständen. Doch reicht das?

Der bekannte Aerosolforscher Doktor Gerhard Scheuch spricht sich unter bestimmten Voraussetzungen für die Öffnung der Weihnachtsmärkte aus. Der 66-jährige Physiker und Aerosolwissenschaftler aus Gemünden (Wohra) im Landkreis Waldeck-Frankenberg berät unter anderem zahlreiche Institutionen, unter anderem auch das Robert Koch-Institut. In den Jahren 2010 bis 2018 war er auch Berater der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA).

Im Interview mit OSTHESSEN|NEWS-Reporter Hans-Hubertus Braune erklärt Scheuch seine Sichtweise und gibt Tipps, wie wir uns sicherer fühlen können. Was können und sollen wir insbesondere auch in Innenräumen beachten? Von der Politik fordert Scheuch "klare und ehrliche Kommunikation".

Der Aerosolforscher Dr. Gerhard Scheuch Foto: privat

Herr Doktor Scheuch, als Aerosolforscher sehen Sie die Weihnachtsmärkte weniger kritisch. Unter welchen Voraussetzungen ist aus Ihrer Sicht sicher, einen Weihnachtsmarkt zu besuchen und dennoch einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus aus dem Weg zu gehen?

Dr. Gerhard Scheuch: Die Gefahr lauert bei der Anfahrt und wenn man länger mit mehreren Menschen sehr nahe zusammensteht und keine Maske aufsetzt. Ansonsten ist es auf dem Markt im Freien mit genügendem Abstand ungefährlich.


Haben Sie keine Bedenken, wenn sich die Menschen beispielsweise vor den Glühweinbuden zu eng und ausgelassen unterhalten?

Dr. Gerhard Scheuch: Ich persönlich habe da keine argen Bedenken, da es auch nach dem 11.11. in Köln zu keinen größeren Cluster Infektionen gekommen ist. Aber wenn möglich sollte man den Menschen raten, die Abstandsregeln einzuhalten. Denn einzelne Infektionen kann man in diesen Situationen nicht ausschließen.


Sie fordern generell, dass wir Menschen mehr raus an die frische Luft gehen sollen. Was sollen wir dabei möglichst beachten
?

Dr. Gerhard Scheuch: Im Freien selbst muss man nicht sehr viel beachten. Die einzige Möglichkeit, sich im Freien zu infizieren, ist ein sehr enges Zusammenstehen mit Gesicht zu Gesicht. Beispielsweise bei einer längeren Diskussion mit einer Person in lauter Umgebung, da man sich dabei oft sehr nahekommt. Diese Situationen sollte man meiden.


Viele Menschen haben jedoch Angst vor eine Erkältung, gerade bei nasskaltem Wetter. Ist das aus Ihrer Sicht begründet?

Dr. Gerhard Scheuch: Da fragen Sie als Aerosolforscher die falsche Person. Ich vermute, dass bei nasskaltem Wetter das Immunsystem einfach nicht so stark aktiviert ist, und dadurch geringe Mengen an Virus ausreichen, um sich zu infizieren. Aber dazu muss ein Immunologe oder Virologe befragt werden.

Rund 22 Prozent der aktuellen Neuinfektionen der vergangenen Woche seien Infektionen bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren. Sind Luftfilteranlage in Kindergärten und Schulen wirklich die Lösung? Was ist aus Ihrer Sicht eine ideale Lufthygiene?


Dr. Gerhard Scheuch: Luftfilteranlagen sind ein Teil der Lösung, aber sicher nicht das einzige Mittel. Die Gesellschaft für Aerosolforschung GAeF hat bereits im vergangenen Jahr ein Positionspapier publiziert, in dem die wichtigsten Maßnahmen beschrieben sind: 1. An der frischen Luft ist es viel ungefährlicher als drinnen. Und auch große Räume sind vorteilhaft. 2.) Treffen mit zu vielen Personen in Innenräumen sollte man meiden, also versuchen kleinere Gruppen zu realisieren. 3.) Die Zeit spielt eine erhebliche Rolle, doppelte Zeit, die man mit einem Infizierten in einem Raum verbringt bedeutet fast ein vierfaches Risiko. Also möglichst kurze Schulstunden, die durch Lüftungsintervalle unterbrochen werden sollen. Dabei kommen wir schon zum vierten Punkt: Lüften, lüften, lüften. Das kann man gut durch CO²- Messungen kontrollieren. Eine gute Lüftung ergibt immer einen niedrigen CO²-Messwert. Als fünfte Möglichkeit sind dann effektive Raumluftfilter und mobile Raumluftfilter zu nennen und der sechste Punkt sind das Tragen von Masken. Wenn man nun aus diesem Werkzeugkasten mehrere Maßnahmen kombiniert, ist man ziemlich sicher (also nicht Lüften oder Raumluftfilter, sondern Lüften UND Raumluftfilter). Eine absolute Sicherheit gibt es aber natürlich nicht.


Was raten Sie uns für die eigenen vier Wände? Nicht jeder Mensch kann oder will in seinem Wohnzimmer ein Luftfiltersystem installieren.

Dr. Gerhard Scheuch: Die Maßnahmen, die ich eben für die Schulen geschildert habe, sollten auch im Privaten Anwendung finden. Ich selbst benutze auch privat mobile Raumluftfilter. Die gibt es schon für wenige hundert Euro und man kann sich an Tests der Stiftung Warentest orientieren. Aber auch das häufigere Lüften sollte man jetzt im Winter auch privat nutzen.


Viel diskutiert wird auch die Thematik Mund-Nasen-Schutz. Wo macht der Mund-Nasen-Schutz Sinn und wo nicht
?

Dr. Gerhard Scheuch: Eine gute Maske macht immer in Innenräumen Sinn, wenn man länger mit Fremden zusammen ist oder Räume betritt, in denen sich andere längere Zeit aufgehalten haben können (Fahrstuhl, enge Treppenhäuser, Toilettenanlagen, Büros, Besprechungsräume etc.)


Viele Menschen sind verunsichert, ja teilweise verzweifelt und ängstlich. Immer neue Diskussionen bestimmen gerade die Politik. Was wünschen Sie sich als Aerosolforscher, aber auch als Bürger von den politisch Verantwortlichen wie den derzeit geschäftsführenden Verantwortlichen und einer künftigen Ampelregierung?

Dr. Gerhard Scheuch: Ich wünschte mir klare und ehrliche Kommunikation. Wenn man Treffen im privaten Bereich verbieten will, soll man es nicht Ausgangssperre nennen. Wenn man schon Maskenpflicht verhängt, dann doch nicht generell im Freien. Freizeiteinrichtungen im Freien sollten immer offen bleiben. Man muss darauf hinweisen, dass die Gefahr bei der Anfahrt oder in Räumen lauert.


Wann werden wir aus Ihrer Sicht aufatmen können?

Dr. Gerhard Scheuch: Im Freien immer. (Hans-Hubertus Braune) +++


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