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Michael Roth (SPD) und seine designierte Nachfolgerin im Auswärtigen Amt Anna Lührmann (Bündnis 90/Die GRünen) - Fotos (8): Facebook Michael Roth

BAD HERSFELD / BERLIN "Angela Merkel wurde oft unterschätzt"

Michael Roth (SPD) über seine Zukunft: "Ich traue mir schon einiges zu"

06.12.21 - Nach acht Jahren als Staatsminister für Europa hat Michael Roth (50, SPD) seinen Schreibtisch im Auswärtigen Amt in Berlin geräumt. Diesen übernimmt die designierte künftige Staatsministerin Anna Lührmann (38, Bündnis 90/Die Grünen, Wahlkreis Rheingau-Taunus-Limburg) aus Hofheim (Taunus).

Die Grünen mit Annalena Baerbock als designierte Außenministerin übernehmen das Ministerium. Welchen Job der Osthesse in der kommenden Ampel-Regierung im Bundestag erhält, ist dagegen unklar. Am Montag wollen die Sozialdemokraten ihre personellen Planungen vorstellen.

Michael Roth ist seit dem Jahr 1998 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis 169 Werra-Meißner-Hersfeld-Rotenburg, stammt aus Heringen (Werra) und wohnt in Bad Hersfeld. In unserem OSTHESSEN|NEWS-Interview schildert Roth seine Zusammenarbeit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz, den Koalitionsvertrag und die diskutierte mögliche Impfpflicht im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie. Der SPD-Politiker schaut aber auch auf seine Zeit im Auswärtigen Amt zurück.

Sind bei Ihren politischen Aufenthalten im Ausland neue Freundschaften entstanden?

Michael Roth: Freundschaften in der Politik sind rar. Aber es haben sich besonders enge Beziehungen zu einigen Kolleginnen und Kollegen in ganz Europa ergeben, die man schätzt und sympathisch findet. Da werde ich einige wenige vermissen. Fragen Sie mich doch nochmal in einigen Jahren, welche Kontakte dann noch Bestand haben. Ich gebe mich keinen Illusionen hin. Wenn man nicht mehr im Amt ist, lässt auch das Interesse nach.

Mussten Sie als Vegetarier Dinge aus Anstand essen, die Sie sonst nicht essen?

Michael Roth: Niemals! Nun ist es heutzutage wirklich ganz normal geworden, kein Fleisch zu essen. In jeder regionalen Küche gibt es leckere vegetarische Gerichte. Ich war gerade in Bosnien-Herzegowina. Das Essen dort ist traditionell sehr fleischlastig. Aber die mit Kartoffeln und mit Käse und Spinat gefüllten Pita waren ein Gedicht!


In diesen Tagen wird die Bundeskanzlerin Angela Merkel von vielen Seiten gelobt. Wie haben Sie die Kanzlerin in den Jahren Ihrer Zusammenarbeit kennengelernt?

Michael Roth: Angela Merkel wurde oft unterschätzt. Dabei hat sie sich als begnadete Machtpolitikerin gezeigt und ihre fast ausnahmslos männlichen Konkurrenten wie Roland Koch oder Friedrich Merz politisch kalt gestellt und überlebt. Ich habe sie als fleißig, unprätentiös und bescheiden erlebt. In kleiner Runde, auch im Kabinett, fand ich ihren trockenen Humor immer ansprechend. Bewundert habe ich sie für ihre Coolness und Stressresistenz. Die Frau konnte echt was aushalten - Respekt für diese politische Lebensleistung!


Bekommt Michael Roth von Olaf Scholz einen Posten als Minister oder Staatssekretär? ...Archivbilder (2): O|N / Hans-Hubertus Braune

Was wird sich unter einem Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundeskanzleramt ändern?

Michael Roth: Ich habe mit Olaf Scholz in den vergangenen Jahren im Kabinett, in der Fraktion und in der SPD eng zusammengearbeitet. Daher habe ich keinen Zweifel: Er kann Kanzler. Er wird ein führungsstarker Regierungschef mit einem inneren Wertekompass sein, der auch in Sachen Kommunikations- und Regierungsstil neue Akzente setzen wird. Und nicht zuletzt gibt es jetzt eine Ampel-Koalition, die nach den nicht immer einfachen Jahren der Großen Koalition politisch endlich mehr Fortschritt wagt. Das wird Deutschland in den kommenden vier Jahren deutlich voranbringen.


Sie müssen Ihren Schreibtisch im Auswärtigen Amt ausräumen. Was werden Sie besonders vermissen?

Michael Roth: Mit meinen acht Amtsjahren als Europa-Staatsminister war ich zuletzt nach Jean Asselborn der dienstälteste Europaminister der EU - darauf bin ich schon ein wenig stolz. Aber dieses Kapitel geht nun zu Ende, künftig wird das Auswärtige Amt von einer grünen Hausleitung geführt. Es gehört zum Wesen der Demokratie, dass politische Ämter immer nur auf Zeit vergeben werden. Und das ist auch gut so. Für mich wird sich ein neues Kapitel öffnen.


Wo werden Sie Ihren neuen Schreibtisch aufbauen?

Michael Roth: Ich traue mir schon einiges zu. Und ich kann auch was. Aber erst die Inhalte, dann das Personal - so hat es die SPD für sich festgelegt. Daher werden am Samstag zunächst unsere Delegierten bei einem digitalen Bundesparteitag über den Koalitionsvertrag beraten (der Koalitionsvertrag wurde am Samstag mit 98,8 Prozent Ja-Stimmen der SPD-Delegierten angenommen, die Red.). Anfang nächster Woche wird dann auch klar sein, wie das sozialdemokratische Personaltableau aussieht. Bis dahin müssen wir uns alle noch etwas gedulden.


Als Staatsminister für Europa war Michael Roth insbesondere in der Zeit vor der Corona-Pandemie ...

Vor wenigen Tagen weilte Roth in Finnland

Im Koalitionsvertrag wird der Neu- bzw. Ausbau der Bahnstrecke Hanau-Fulda/Würzburg-Erfurt als systemrelevante Bahnstrecke genannt. Die Verfahren sollen entsprechend beschleunigt werden. Was bedeutet dies für den geplanten Neubau/Ausbau der Bahnstrecke Fulda-Gerstungen?

Michael Roth: Wir brauchen mehr Tempo bei wichtigen Infrastrukturprojekten wie Bahnstrecken oder Stromtrassen. Dafür müssen wir die langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren, die bislang häufig viele Jahre in Anspruch nehmen, beschleunigen. Dafür habe ich mich stets eingesetzt. Deutschland plant und baut viel zu langsam! Das wird aber nicht zu Lasten der Bürgerbeteiligung und den Möglichkeiten einer rechtsstaatlichen Überprüfung gehen. Denn Infrastrukturprojekte brauchen am Ende beides: Rechtssicherheit und gesellschaftliche Akzeptanz.


Blick in den imposanten Himmel über Stockholm

Was kann Ihr Wahlkreis ansonsten vom Koalitionsvertrag und der künftigen Regierung von SPD/Bündnis 90/Die Grünen/FDP erwarten?

Michael Roth: Wichtige Themen sind die digitale und verkehrliche Infrastruktur. Hier möchte ich dafür sorgen, dass unsere Region weiterhin von Förderprogrammen des Bundes profitieren kann. Das gilt auch für die wohnortnahe Gesundheitsversorgung, die wir auch im ländlichen Raum sicherstellen müssen. Außerdem gilt es, das Klima so zu schützen, dass die Menschen im ländlichen Raum nicht auf der Strecke bleiben.


Wie stehen Sie zu einer Impfpflicht im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie?

Michael Roth: Impfen ist der einzige Weg, um die Pandemie zu überwinden. Wer sich impfen lässt, schützt sich selbst und andere. Impfen ist auch eine Frage der Solidarität - mit Kindern und vorerkrankten Menschen, die sich nicht impfen lassen können, mit Ärztinnen und Pflegern, die auf den Intensivstationen bis an die Belastungsgrenze arbeiten. Deshalb ist es richtig, dass wir in einem ersten Schritt noch vor Weihnachten dafür sorgen, dass eine Impfpflicht für alle Beschäftigten in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeeinrichtungen kommt. Nur mit einer deutlich höheren Impfquote kommen wir aus dem Teufelskreis von immer neuen Infektionswellen heraus. Ich ertrage die Ausreden einer Minderheit von Menschen nicht mehr, warum sie sich nicht impfen lassen wollen. Wir können doch nicht wieder Kitas und Schulen, Geschäfte oder Einrichtungen komplett schließen und Reisen verbieten! Darum befürworte ich die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, die die Abgeordneten des Bundestages hoffentlich bald beschließen werden. (Hans-Hubertus Braune) +++

Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (links) bei seinem Wahlkampf-Auftritt in Bad Hersfeld ...


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