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Vor 80 Jahren wurden 133 jüdische Mitbürger deportiert - nur zwölf überlebten
08.12.21 - Es war ein eisiger Wintertag, als sich am 8. Dezember 1941 – also heute vor 80 Jahren – ein Tross von 133 jüdischen Mitbürgern von der alten Turnhalle in der Rabanusstraße (gegenüber dem heutigen Jerusalemplatz) durch die Bahnhofstraße hoch zum Bahnhof schob. Bereits im November hatten sie Bescheide bekommen mit der Aufforderung, sich am 7. Dezember mit höchstens 30 Kilo Gepäck in der Turnhalle einzufinden, wo sie eine Nacht – bewacht von der Gestapo – verbringen mussten. Dann sollten sie nach Osten in Arbeitslager gebracht werden. Von diesen 133 Fuldaer Juden überlebten lediglich zwölf.
An diese erste Deportation von Fulda nach Riga sollte heute eigentlich – wie schon in früheren Jahren – mit einem Schweigemarsch vom Jerusalemplatz zum Bahnhof erinnert werden, initiiert von der Historikerin Anja Listmann, die seit vielen Jahren die Geschichte der Juden im Fuldaer Land aufarbeitet und eine Projektgruppe an der Winfriedschule betreut. Wegen der derzeit angespannten Corona-Lage musste der Marsch nun abgesagt werden. Stattdessen erinnern die Schülerinnen und Schüler in der Winfriedschule an die damaligen Opfer, indem sie die 133 Namen während der Unterrichtszeit vorlesen.
"Eigentlich waren es 134 Menschen", sagt Anja Listmann. "Eine Frau hat sich aber kurz vor der Deportation das Leben genommen." Bis nach Kassel führte das erste Stück der Reise. "Dort hat man die Leute mit Beschimpfungen und Tritten empfangen. Dann mussten sie sich nackt ausziehen und einer Körperkontrolle unterziehen." Wieder eingesperrt, wartete man auf den Weitertransport.
"In Posen wurde dann das Gepäck abgehängt und dem Winterhilfsdienst überstellt. Die Habseligkeiten der Juden wurden unter dem deutschen Volk aufgeteilt." Auch das Hab und Gut, das die Menschen in Fulda zurückgelassen hatten, wurde umgehend "verwertet". "Das Finanzamt hat alles, vom Puppenwagen bis zum teuren Gerät, versteigert." Der Besitz der Juden, so Anja Listmann, sei billig zu haben gewesen. "Man wollte alles so schnell wie möglich aus den Augen haben, nichts sollte mehr an die Deportierten erinnern." Auch heute dürfe man die Opfer aus den Erschießungsgräben und den Aschegruben nicht vergessen. "Es war ein industrieller Massenmord, an den wir uns erinnern müssen." (mw) +++