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Impuls von Stefan Buß: "Zum Gebet werden"
12.01.22 - "Not lehrt beten!", so sagt es der Volksmund. Ist das wirklich so? Kennen wir nicht auch gegenteilige Erfahrungen? Gerade im Leiden fällt das Beten schwer, weil uns die Worte fehlen oder wir keine Hoffnung haben, dass das Beten etwas bringt.
"Herr, lehre uns beten" (Lk. 11,1). Diese Bitte der Jünger Jesu öffnet einen ganz anderen Blick auf das Gebet und seine innere Dimension. Die Jünger möchten beten lernen, weil sie spüren, dass das Gebet die Lebenshaltung Jesu schlechthin ist. Sein Leben ist Gebet, das heißt, ein fortwährendes Gespräch mit und ein immer neues Hören auf den Vater im Himmel. Jesus selbst zieht sich immer wieder an einen einsamen Ort zurück, um in der Stille zu beten (vgl. Mk.1,35). Er schöpft aus dem Gebet die Kraft für jeden nächsten Schritt - bis hin nach Golgotha am Kreuz. Das Beten Jesu ist Ausdruck jener lebendigen Beziehung, die im Innersten Heimat zu schenken vermag. Die Jünger möchten beten lernen. Und Jesus schenkt ihnen die schlichten Worte des Vaterunsers (Lk. 11,1-4), das mit dem aramäischen Wort "Abba" – "lieber Vater" oder noch vertrauensvoller "Papa" beginnt.
Mehr noch als um die gesprochenen Worte selbst geht es Jesus darum, seinen Jüngern diese vertrauensvolle und offene Haltung dem Beten ans Herz zu legen. Und so ist es auch bei uns Menschen heute. Egal, in welcher Form wir beten. Es geht um diese innere Haltung, in der sich das Gebet vollzieht und die erfahren lässt, dass der Menschen auch in den Trümmern und Schicksalen seines Lebens nicht allein ist. Kallistos Ware (*1934, orthodoxer Patriarch von Konstantinopel) sagt: "Was die Welt vor allem braucht, sind nicht Menschen, die mit mehr oder weniger großer Regelmäßigkeit Gebete sprechen, sondern Menschen, die Gebet geworden sind!" Bleiben wir auf dem Weg selbst zum Gebet zu werden. (Stefan Buß)+++