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Betriebsrat wehrt sich gegen Amazon-Abmahnung vor dem Arbeitsgericht
16.01.22 - Anis Zitoun ist stocksauer auf seinen Arbeitgeber Amazon in Bad Hersfeld, bei dem er immerhin schon seit 19 Jahren ungekündigt als Packer im Versand beschäftigt ist. Er wehrt sich gegen eine Abmahnung, die ihm die Personalabteilung ausgesprochen hat, weil er sich in einer Arbeitspause angeblich antisemitisch geäußert haben soll und damit gegen einen Ehrenkodex des Versandhändlers verstoßen habe. "An diesem Vorwurf stimmt überhaupt nichts", sagt Zitoun, der Betriebsratsmitglied und gewählter Schwerbehindertenvertreter ist. Deshalb hat er hat gegen die Abmahnung beim Arbeitsgericht geklagt. Ein Gütetermin im November brachte aber keine Einigung, deshalb trafen sich die Kontrahenten am Freitag erneut vor Gericht.
Der 45-Jährige hat OSTHESSEN|NEWS geschildert, was sich Ende Juli letzten Jahres in einer Raucherpause zugetragen hat. "Ich saß dort mit mehreren Kolleg:innen zusammen und habe erzählt, dass ich mich gerade habe impfen lassen. Ich war bei einem mir bis dahin unbekannten Arzt in dessen Praxis, meine Frau war auch dabei. Der Arzt fragte, wo wir denn herkämen und ich sagte, aus Tunesien. Ich fragte ihn wiederum nach seiner Herkunft und er sagte, er komme aus Palästina. Darauf habe ich erwidert, sein Vorname sei aber kein arabischer Name, worauf er sagte, er sei Jude. Wir wurden geimpft, alles gut." Doch Zitoun hatte in diesem Zusammenhang auch erzählt, dass die Praxis unordentlich gewesen sei und hygienische Mängel aufwies. Eine Managerin, die während Zitouns Bericht telefoniert hatte, sprach ihn anschließend auf seine Äußerung an und machte ihm den Vorwurf, er habe sich antisemitisch geäußert. Das bestritt der so Beschuldigte vehement und sagte zu ihr, sie irre sich, sie habe ja telefoniert und gar nicht richtig gehört, was er gesagt habe. "Ich bin nur verantwortlich für das, was ich sage, nicht für das, was Du hörst", habe er ihr empört erwidert.
Doch er bekam eine Abmahnung, in der es eingangs heißt, er habe sich an besagtem Tag in der Pause im Raucherbereich der Firma mit vier Mitarbeitern unterhalten, die namentlich genannt werden. "Irgendwann kam das Gespräch auf das Thema 'Impfung‘'. Daraufhin gaben Sie an, Sie seien in einer Praxis zum Impfen gewesen. Da die Praxis nicht besonders aufgeräumt gewesen sei, hätten Sie den Arzt gefragt, ob dieser überhaupt Arzt sei und wo er denn herkomme. Sie führten weiter aus, dass der Arzt angab, aus Palästina zu sein. Diese Aussage des Arztes kommentierten Sie gegenüber den vorbenannten Personen mit den Worten: 'Darauf wusste ich es gleich, der ist Jude'", heißt es in der Abmahnung. Mit diesem Verhalten habe er in erheblichem Maß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. "Sie haben sich vorliegend antisemitisch geäußert, da Sie den angeblich unaufgeräumten Zustand der Arztpraxis mit der vermeintlichen Eigenschaft als Jude zusammengebracht und somit eine pauschale negative Konnotation verliehen haben. Die von Ihnen getätigten Aussagen sind inakzeptabel", erklärt der Arbeitgeber.
Doch der so Beschuldigte wollte das nicht auf sich sitzen lassen und klagte gegen die aus seiner Sicht völlig ungerechtfertigte Abmahnung. Sein Anwalt legte dem Gericht schriftliche Aussagen der Zeugen vor, die versichern, Anis Zitoun habe sich nicht antisemitisch geäußert. Richter Wolfram Dylla stellte fest, dass offensichtlich keine Annäherung der konträren Positionen erzielt werden konnte und kündigte eine Entscheidung des Gerichts für einen späteren Zeitpunkt an. (Carla Ihle-Becker)+++