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Unter dem Motto "Frieden und Freiheit" demonstrieren Maßnahmengegner in Fulda - Archivfotos: O|N

FULDA "Querdenken mit Nazis"

Wer steckt eigentlich hinter den "Frieden und Freiheit Fulda"-Spaziergängen?

04.02.22 - In einem Leserbrief an unsere Redaktion nimmt ein OSTHESSEN|NEWS-Leser (der Absender liegt uns vor) Bezug zu aktuellen Anti-Corona-Demonstrationen und sogenannten "Spaziergängen". Im Wortlaut:


"Im Leserbrief vom 24.01.2022 "Man hat das Gefühl, man sitzt in einem Flugzeug ohne Pilot" nimmt ein Leser Stellung zu aktuellen Corona-Demonstrationen und sogenannten "Spaziergängen". Viele Menschen hatten das Gefühl, er spreche ihnen damit aus dem Herzen. So wie sie das Gefühl haben, die aktuell von der Gruppe "Frieden und 
Freiheit Fulda" in Form von Umzügen (samstags) und Autokorsos (montags) organisierten Veranstaltungen seien eine friedliche Form der Meinungsäußerung und des Protestes gegen politische Entscheidungen, vorrangig gegen eine aktuell diskutierte Impfpflicht. Unterstützt wird dieser friedvolle Eindruck vom Internetauftritt der Gruppierung "Frieden und Freiheit". Dort hört man u.a. zu Videos der aktuellen Umzüge eine Kinderstimme die Worte "Freiheit, Menschlichkeit, Friede, Liebe" sprechen, ein emotionaler Song beschwört ebendiese Werte.

Es ist Zeit für eine Einordnung.

Roter Faden der Ausführungen des Leserbriefs ist der Unmut des Verfassers auf "die Regierung", die "seit nahezu zwei Jahren nichts auf die Reihe bekommt", und die er durchgängig als komplett unfähig bezeichnet. Auch deutet er an, es gebe hinter der Impfkampagne ein anderes Ziel als das der Gesundheitsfürsorge: "Man muss wirklich nicht besonders intelligent sein, um zu kapieren, was unsere Regierung wirklich damit bezwecken möchte, möglichst viele Menschen zum Impfen zu bewegen." Diese Zuschreibungen sind dem roten Faden von sogenannten Querdenkern, Nazis und Verschwörungstheoretikern doch sehr ähnlich - von denen er sich aber deutlich distanzieren möchte, er spricht von der "anständigen Gesellschaft" und den "normalen Bürgern", die da auf der Straße unterwegs seien.

Wie aber kann es sein, dass diese "anständige Gesellschaft" den Aufrufen der Gruppe "Frieden und Freiheit" folgt und sich Veranstaltungen unter deren Federführung anschließt? Unter dem wohlklingenden Motto "Für Frieden und Freiheit" versammelten sich seit Mai 2020 mal mehr mal weniger Menschen jeden Samstag an zentralen Orten der Innenstadt, um gegen politische Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie zu demonstrieren. In Redebeiträgen und auf Schildern war alles zu finden, was das Thema hergibt - es äußerten sich Eltern in Sorge um das das seelische Wohl ihrer Kinder, Künstler:innen in Sorge um ihre Existenz, Impfgegner:innen in Sorge um ihre Gesundheit. Es fanden aber auch Reichsbürger, impfskeptische Esoteriker oder Anhänger von Verschwörungsnarrativen Anschluss an die zum Teil verbreitete wissenschaftsfeindliche Desinformation und die umfassende Systemkritik am Staat. Gut inszenierte Auftritte von prominenten Akteuren der Querdenkerszene sorgten für weiteren Zulauf.

Diese vermeintlich "bunte" Mischung von Teilnehmenden wird auch bundesweit durch die Themen der Pandemie zu einer Protestbewegung vereint, für die Regelbrüche zum Prinzip gehören und die aufgrund staatsfeindlicher Bestrebungen und rechtsextremer Vernetzungen den Verfassungsschutz beschäftigt. Ähnliche Beobachtungen macht der Leiter des Ordnungsamtes Hamm, Jörg Mösgen. "Das ist ein allgemeiner Hass gegen den Staat, wo Corona als Vorwand genutzt wird und insofern kann ich auch nur die Mitbürger warnen, dass man hier diesen Leuten nicht auf den Leim geht. Es geht nicht um Corona, es geht nicht um Kritik an Coronamaßnahmen, sondern es geht um völlig wirre Aussagen gegen den Staat, gegen die Bundeskanzlerin, gegen Polizisten vor Ort, gegen die Vollzugsorgane." https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/radikalisierung-in-der-querdenkerszene-100.html

Aber das passiert doch nicht hier in Fulda? Hier geht es doch um Freiheit, um Frieden, Liebe und Menschlichkeit? Die Anmelderin der Veranstaltungen im Namen von "Frieden und Freiheit", häufig selbst Gastgeberin und Rednerin auf der Bühne, Katharina Schmitt, legt in den öffentlichen Ankündigungen und Aufrufen zu den aktuellen Umzügen derzeit einen spielerischen Aktionismus an den Tag: "Ich freu mich wie ein Plätzchen an Weihnachten, wieder mit euch loszulegen." (Ankündigung des Autokorsos vom 24.01.2022) "Montags gilt zusätzlich: Hupen bis der Arzt kommt... wir fahren bei Rot über die Ampel, solange bis klar ist, wir sind die rote Linie." (Facebook 11.01.2022)

Betrachtet man jedoch die bereits von ihr zu den samstäglichen Kundgebungen nach Fulda eingeladenen Redner:innen genauer, könnte man vermuten, dass diese Freude am Ungehorsam alles andere als kindlich-naiv ist, sondern vielmehr der Agenda eines rechten Netzwerkes folgt. Eines Netzwerkes, das eben nicht die demokratische Auseinandersetzung über Für und Wider einer Impfpflicht im Fokus hat, sondern nichts weniger als die Zerstörung und Abschaffung unseres Staates und die Durchsetzung einer rechtsnationalen Ideologie: "Es geht um unser echtes Deutschland, nicht um die BRD, das ist, was wir alle begreifen müssen, wir müssen wieder zurück zu unserem Ursprung... wir müssen wieder in die Richtung der schwarz-weiß-roten Fahnen..."(https://www.youtube.com/watch?v=iXeCJ-2x5_E)

Diese dem Gedankengut der Reichsbürger nahestehende Aussage stammt von Thomas Braune, unter den Pandemie-Leugnern und Maßnahmegegnern ist er eine kleine Prominenz, wird dort in Anspielung auf seinen (nicht mehr ausgeübten) Beruf auch "Thomas der Busfahrer" genannt. Gemeinsam mit dem ehemaligen Mallorca-Schlagersänger Björn "Banane” Winter war er eine zentrale Gestalt der Berliner Autokorsos, die sich die im Sommer 2020 vom Neonazi Attila Hildmann ins Leben gerufenen Autokorsos zum Vorbild nehmen. Thomas Braune und Björn Banane waren am 03.07.2021 zusammen mit anderen bekannten Köpfen der Querdenker Szene auf der Bühne von "Frieden und Freiheit Fulda" zu Gast und wurden dort sowohl von der Veranstalterin als auch den Teilnehmenden gefeiert. Auf Telegram zeigte sich Thomas Braune indes mit dem rechtsextremen und wegen Volksverhetzung verurteilten Holocaustleugner Nikolai Nerling (Pseudonym: "Der Volkslehrer", Sympathisant von Ursula Haverbeck, ebenfalls verurteilte Holocaustleugnerin). Inzwischen soll er sich auf der Flucht vor strafrechtlicher Verfolgung wie viele seiner "Kollegen" aus der Querdenkerszene im Ausland aufhalten.

Ebenfalls von "Frieden und Freiheit Fulda" geladen war am 03.07.2021 Artur Helios aus Fröndenberg, ein deutschlandweit bekannter Querdenker mit regelmäßigen Auftritten als Redner bei Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen. Helios wurde für die Verwendung rechter Symbolik verurteilt. Bei einer Veranstaltung in Dresden zeigte er den Hitlergruß auf der Bühne. https://www.ruhrnachrichten.de/dortmund/hitlergrussund-feindeslisten-bekannter-coronaschutz-gegner-leitete-demo-w1715950-p-2000426803/

Jede und Jeder, der sich den von "Frieden und Freiheit Fulda" organisierten Versammlungen, Spaziergängen oder Autokorsos anschließt, muss sich im Klaren sein, dass dieser "Widerstand" gegen demokratisch beschlossene Maßnahmen von rechtsextremen und antisemitischen Motiven durchdrungen ist. Jede und jeder Zuhörende oder Mitlaufende beschert durch seine Anwesenheit bei solchen Veranstaltungen antidemokratischen Kräften weiter Auftrieb und dient ihren Zwecken. Das vielzitierte "Selberdenken" der Maßnahmengegner:innen wäre hier dringend angezeigt. Denn es kann nicht egal sein, unter wessen Federführung man spazieren geht und mit welchen Mitteln man protestiert. Es sei denn, man hält es damit wie der Arzt, Homöopath und Impfkritiker Rolf Kron, ebenfalls bereits bei "Frieden und Freiheit Fulda" am 13.11.2021 mit großem Applaus auf dem Bahnhofsplatz zu Gast. Er sagte auf einer Kundgebung im November 2020 in Kempten: "Ich habe keine Ahnung, ob ihr jetzt nach Hause fahrt und eure Frauen oder Männer verprügelt, ob ihr gewalttätig seid, ob ihr euch kinderpornografisches Material anschaut oder ob ihr Hitlerkreuze an die Wände malt. Das ist mir auch völlig schnuppe. Ihr seid hier, weil wir gemeinsam für eine Sache stehen." https://www.youtube.com/watch?v=qaaW0MDCXA0

Auch gegen Kron wurde übrigens wegen Zeigen des Hitlergrußes auf einer maßnahmenkritischen Veranstaltung von "Klardenken Schwaben" in 2020, ermittelt.
https://www.augsburger-allgemeine.de/landsberg/Kaufering-Der-Kauferinger-Arzt-Rolf-Kron-zeigt-denHitlergruss-id58470811.html

Neben diesen prominenten Vertretern rechtsextremer Ansichten finden sich auch in der thematischen Bandbreite anderer Redebeiträge immer wieder Bezüge ins verschwörungstheoretische und rechtsnationale Milieu. Die Auswüchse dieser geistigen Brandstiftung zeigen sich in einer bundesweit zunehmend enthemmt agierenden Bewegung, bei der Regelbrüche, Gewaltfantasien und Unsolidarität zum Prinzip gehören und als Selbstermächtigungsgesten missverstanden werden. Die Polizei sieht sich Versammlungsteilnehmer:innen gegenüber, die gezielt die Konfrontation suchen und sich in einer Diktatur wähnen, während sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausüben. Artur Helios forderte am 05.03.2021 auf einer Kundgebung in Hamm die Demonstranten auf, Anzeigen gegen Polizisten zu stellen, um an deren Namen zu kommen. Helios sagt: "Sollte das Ganze mal kippen, dann haben wir eine Liste mit Namen, gegen die wir vorgehen müssen. Das ist das, was passieren muss. Die Leute, die das mit uns seit einem Jahr machen, müssen anschließend eliminiert werden." https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/radikalisierung-in-der-querdenkerszene100.html Stand: 23.03.2021, 20:19.

Derweil erhalten Wissenschaftler:innen und Politiker:innen längstens Morddrohungen und werden von "wütenden" Bürger:innen vor ihren Häusern belästigt. Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund ist in den letzten beiden Jahren massiv gestiegen. Im Oktober 2020 wurde in Berlin ein Brandanschlag auf das Robert-Koch-Institut verübt, die Bilder der versuchten Erstürmung des Reichstages durch Maßnahmengegner in Berlin mit einschlägiger rechter Symbolik nicht zu vergessen. Auch vor diesem Hintergrund bringt es die Journalistin Dunja Hayali auf den Punkt: "Wer mit Rechtsradikalen, mit Neonazis, Faschisten oder Antisemiten mitläuft, hat keine Ausreden mehr." Auch in Fulda.

Weiter informieren:

Alle genannten Akteure sind im Internet omnipräsent. Es ist ein leichtes, sich bei seriösen Quellen über sie und ihre Vernetzung zu informieren. Fehlender Mindestabstand – Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde, Matthias Meisner und Heike Kleffner (Hrsg.) https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/sandalen-und-springerstiefel/. " +++


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