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Hier vor der Apotheke in Lehnerz brach das Opfer blutüberströmt zusammen - O|N-Archivbild

FULDA Nach Attacke mit Fleischklopfer und Messer

Ist der 57-Jährige schuldfähig? - statt Mord "nur" gefährliche Körperverletzung

04.02.22 - Im Fall des 57-Jährigen, der seinen langjährigen Vertrauten und Freund im Juli vergangenen Jahres in Fulda-Lehnerz mit Fleischklopfer und Messer lebensgefährlich verletzt hat, sind am Donnerstag die Plädoyers gehalten worden. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung kamen im Prozessverlauf zu der Einschätzung, dass es sich bei der Tat nicht um einen Mordversuch, sondern um gefährliche Körperverletzung handelte. Strittig ist aber, ob der Angeklagte voll verantwortlich für diese Attacke aus heiterem Himmel oder aber durch Vorerkrankung plus Medikamentenkonsum vermindert schuldfähig ist.

Der Angeklagte und sein Verteidiger, RA Knut Hillebrand

Was sich in der Wohnung des 57-Jährigen an diesem Vormittag abgespielt hat, ist weitgehend übereinstimmend geklärt. Der Angeklagte hatte sich aus Furcht vor Corona bereits seit dem Frühjahr 2020 in seiner Wohnung isoliert und war ganz auf die Hilfe seines Freuendes angewiesen, der ihn mit Lebensmitteln versorgte und auch sein einziger Sozialkontakt war. Am Tattag, dem 16. Juli 2021 war der Freund verabredungsgemäß gegen 10 Uhr in die Wohnung des Angeklagten gekommen, um diesem bei Problemen seines Routers zu helfen. Dafür brauchte er das Passwort, das der Angeklagte aber in einer Umzugskiste vermutete. Der Freund stand unter Zeitdruck, weil er zur Arbeit musste. Das versetzte den 57-Jährigen in Panik, weil er sich ohne TV, Telefon und Internet von der Außenwelt abgeschnitten fühlte. Völlig unvermittelt soll er in die Küche gegangen sein, um dort einen silberfarbenen Fleischklopfer sowie ein Messer mit einer Klingenlänge von mindestens fünf Zentimetern zu holen. Damit sei der gebürtige Pole anschließend - ohne weitere Worte und mit einem Lächeln im Gesicht - auf seinen Bekannten losgegangen und habe ihn schwer verletzt. "Mit dem Fleischklopfer hat er dem Opfer auf den Kopf geschlagen. Danach führte er ihm mit einem Messer Stichwunden zu und verletzte ihn mit einem weiteren Schlag mit dem Fleischklopfer. Dabei habe er den Tod des Geschädigten mindestens billigend in Kauf genommen", hatte Oberstaatsanwältin Dr. Christine Seban erklärt.  

Obestaatsanwältin Dr. Christine Seban

Richter Marg, Richter Dr. Weddig und Vorsitzender Richter am Landgericht Josef Richter ...

Staatsanwaltschaft plädiert auf vier Jahre Haft 

Weil der aus seiner Kopfwunde stark blutende Verletzte aus der Wohnung floh, konnte er auf der Straße notärztlich versorgt, ins Krankenhaus gebracht und gerettet werden. Diesen Hergang haben sowohl Täter als auch Opfer vor Gericht übereinstimmend geschildert. Allerdings hatte der 57-Jährige behauptet, er habe seinem Freund "nur wehtun wollen" und eine Tötungsabsicht bestritten. Das hielt Oberstaatsanwältin Dr. Seban aber für eine Schutzbehauptung. Auch die Tatwerkzeuge und die Tatsache, dass das Opfer arg- und wehrlos gewesen sei, sprächen dagegen. Trotz seiner Vorerkrankungen und Einnahme von Schmerzmittel und Antidepressiva sei der Angeklagte voll schuldfähig, habe das Gutachten ergeben. Dr. Seban plädierte schließlich wegen gefährlicher Körperverletzung auf eine Haftstrafe von vier Jahren.

Verteidiger sieht kein plausibles Motiv: "Ich schlage doch nicht die Hand, die meinen Computer repariert!"

Sehr ausführlich erläuterte Rechtsanwalt Knut Hillebrand seine abweichende Einschätzung des Falles. Er sah keine Tötungsabsicht seines Mandanten und hält ihn außerdem für vermindert schuldfähig. Er beschrieb dessen durch Angst vor Corona verursachte Selbstisolierung, sein Freund sei der einzige Kontakt seines Mandanten gewesen. Die Aussicht, ohne Fernsehen und Internet von der Außenwelt abgeschnitten zu sein, habe ihn in Panik versetzt. "Ich bin am Arsch", hatte der 57-Jährige diese Situation beschrieben. Wie das Opfer und seine Frau bestätigt hätten, sei sein Mandant niemals zuvor aggressiv oder gewalttätig gewesen, er habe auch keinerlei Vorstrafenregister. Die Tat sei ihm "wesensfremd" und völlig atypisch für ihn. Es gebe keinerlei plausibles Motiv dafür, den einzigen Menschen, der ihm immer geholfen habe, töten zu wollen. ("Ich schlage doch nicht die Hand, die meinen Computer repariert!") Der 57-Jährige selbst habe die Polizei gerufen und direkt gestanden, was er getan habe. Eine Erklärung dafür habe er aber selber nicht. Wegen der nicht gut eingestellten Diabetes und dem Medikamentenkonsum sei eine hirnorganische Störung nicht auszuschließen, so der Verteidiger. Er forderte deshalb eine zweijährige Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werde - eine finanzielle Entschädigung des Opfers und eine therapeutische Maßnahme eingeschlossen.
"Was ich getan habe, ist mit Worten nicht wieder gutzumachen. Ich entschuldige mich für alles, was ich gemacht habe", waren das letzte Statement des Angeklagten. Das Urteil soll am Freitag um 11 Uhr erfolgen. (Carla Ihle-Becker) +++


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