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Zwischen Holzwurm und Geheimversteck: Studenten auf "Schatzsuche"
16.02.22 - 300 Möbel warten derzeit auf Schloss Fasanerie auf kundige Begutachtung durch Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Unter Federführung von Professor Dr. Julia Schultz werden Tische, Stühle, Kommoden sowie allerlei Kleinteile beurteilt, gereinigt, katalogisiert und sachgerecht in einem neuen Möbel- und Textildepot eingelagert.
Dass das alles andere als eine langweilige Aufgabe ist, weiß auch Student Nicolas Hannay. Seit einer Woche arbeitet er, gemeinsam mit sechs Kommilitonen, in Hessens schönstem Barockschloss. "Die Stücke weisen zum Teil wunderschöne Details auf, bei anderen führen versteckte Knöpfe zu Geheimfächern. Für keines der Möbel gibt es eine Bedienungsanleitung, man muss deren Besonderheiten und Rätsel selbst entdecken."
Die Möbel, die von den Studenten "unter die Lupe" genommen werden, befinden sich in unterschiedlichsten Zuständen. "An einigen hat der Zahn der Zeit ordentlich genagt", erklärt Museumsdirektor Dr. Markus Miller. Aber nicht nur hier unterscheiden sich die Einrichtungsgegenstände, auch sind sie aus verschiedenen Epochen. So finden sich beispielsweise Stühle aus der Biedermeierzeit-, genauso wie aus dem Empire. Das wohl eindrucksvollste Stück? "Das dürfte eine Kommode aus Sankt Petersburg, Russland sein", gibt Dr. Miller preis. Sie wurde von einem bekannten Möbelbauer, der selbst Schüler von David Roentgen war, 1843 hergestellt. "Das Stück weist einen spannenden Materialmix auf, verarbeitet wurden, neben Holz, auch Leder, Samt und viel Porzellan."
Apropos Russland: Die Möbel, die aktuell beurteilt werden, bergen so manches Geheimnis. Die Studenten fanden, versteckt in einem Schrank, russische Aufzeichnungen aus dem Jahr 1842.
Neben den bereits genannten Aufgaben führen die Studenten auch Kleinstreparaturen aus. "Wenn zum Beispiel etwas nur schnell angeklebt werden muss und die Gefahr besteht, dass es sonst verloren geht, machen wir das", so die Professorin. Die anderen Möbel werden eingelagert und – wenn sie benötigt werden (beispielsweise für eine Sonderausstellung), von der leitenden Restauratorin des Schlosses, Wibke Hartmann, hervorgeholt und "aufgehübscht". Stücke, die Schädlingsbefall aufweisen, kommen umgehend in die Stickstoffkammer des Vonderau Museums.
"Für unsere Lernenden ist diese Arbeit eine hervorragende Gelegenheit, ihr Auge zu schulen", meint Professor Dr. Julia Schultz. Während zwei Jahren Online-Unterricht hätten die Studierenden nur wenige Praxiserfahrungen sammeln können. "Hier gibt es so unheimlich viel zu sehen, das ist einfach toll." Insgesamt zwei Wochen soll der Einsatz dauern, untergebracht sind die Studenten – ganz stilecht – in einem schönen Fachwerkhaus in Schlitz- Üllershausen. (mr) +++