04.03.22 - Ausnahmesituation in Deutschlands Kindergärten und das nicht erst seit Corona. Mangelndes Fachpersonal, zu lange Arbeitszeiten und unklare Bestimmungen machen Erzieherinnen und Erziehern das Leben schon seit Jahren schwer. Kamen in 2010 ganze 253 Fachkräfte auf 100 freie Stellen, sind es im Januar 2022 nur noch 79. Hinzu kommen Krankheit, Corona und Schwangerschaften. Grund für zahlreiche Kita-Fachverbänder bundesweit nun auf den Tisch zu hauen und für ihre Forderungen einzustehen.
"Es geht uns darum, gesehen zu werden und die Wertschätzung für unseren Beruf in der Gesellschaft zu fördern. Der Fachkräftemangel und die Arbeitsbedingungen waren schon vor Corona kritisch. Jetzt im Laufe der Pandemie sind unsere Kraftreserven aufgebraucht", so Vera Mengler 1. Vorsitzende des hessischen Verbands. "Immer mehr Fachkräfte verlassen ihren Beruf und orientieren sich neu. Mit der Aktion #kitasamlimit wollen wir, auf die Bedingungen in den Kitas aufmerksam machen und den Kindern wieder eine verlässliche Betreuung und Bildung anbieten", heißt es weiter.
Erziehungsauftrag kann nicht mehr wahrgenommen werden
Der Wert der frühkindlichen Erziehung, Bildung und Betreuung dürfte der Pandemie, den schlechten Rahmenbedingungen und einem realitätsfernen Personalberechnungsschlüssel nicht zum Opfer fallen. Kitas seien keine 'Aufbewahrungsstätte' für Kinder. Die Erzieherinnen unterstützen Kinder in ihrem Handeln und legen den Grundstein für deren weiteren Werdegang. "Wir sind eine Bildungsstätte und das Sprachrohr der Kinder. Wir wollen mit ihnen lachen und Spaß haben, auf ihre Bedürfnisse eingehen und ihre Individualität sehen. Doch es fehlt an Kapazität, es fehlt die Zeit, das Personal und inzwischen die Kraft. Die Leitungen in den Kitas versinken in der Bürokratie und haben kaum noch die Chance, sich um pädagogische Aufgaben zu kümmern. Die gesunden Fachkräfte in den Gruppen fangen die Krankheitswelle auf, arbeiten teilweise alleine mit bis zu 25 Kindern und verletzen damit regelmäßig die Aufsichtspflicht. Unserem Bildungsauftrag und einer bedürfnisorientierten Betreuung können wir immer weniger nachkommen. Von fachgerechter Dokumentation und individueller Förderung ist schon lange keine Rede mehr. Immer mehr Gruppen müssen geschlossen werden, da vermehrt das Personal erkrankt, aufgibt oder Stellen gar nicht erst besetzt sind. So geht es nicht mehr weiter!", so die Erzieherinnen.
"Wir können nicht mehr"
Man wünsche sich fest abgesteckte Rahmenbedingungen und dass die Politik sehe, mit welchen Bedingungen sie die Erzieherinnen konfrontieren. "Es kann nicht sein, dass aufgrund des Fachkräftemangels beispielsweise in Baden-Württemberg die Gruppengrößen auf 28 Kinder erhöht werden und es kann ebenso nicht sein, dass wir bei 50 Prozent Personal und gleichen Öffnungszeiten von 7:00 bis 17:00 Uhr volle Arbeit leisten. Wie sollen wir das denn schaffen? Wir wollen unseren Beruf wieder gerne ausüben und dies auch an den Nachwuchs weitergeben. Mit den aktuellen Aussichten und Bedingungen lockt man keine Schüler in unsere Branche", so Mengler im Gespräch mit
OSTHESSEN|NEWS. "Ganz zu schweigen von der Pandemie, die ihr Übriges tut, indem sie den Krankenstand in die Höhe treibt und die Gesundheit von Kindern, Personal und Familien bedroht."
Unter dem Hashtag #kitasamlimit werden Bilder von Erzieherinnen veröffentlicht, die mit Schildern auf die Missstände aufmerksam machen. "Wir wollen unseren Stimmen laut machen und damit auch Kolleginnen zeigen, dass es in Ordnung ist, wenn es so nicht mehr geht. Manche hindert aber auch die Angst um ihren Job daran, ein Bild zu schießen", berichtet Mengler. Bleibt zu hoffen, dass die Politik den Aufschrei hört und zur Hilfe schreitet. (mi) +++ 
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