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Hirtenwort von Bischof Dr. Gerber: Michaelskirche als Ort und Thema
07.03.22 - 1200 Jahre sind ihre Ursprünge alt: Die Michaelskirche in unmittelbarer Nähe des Fuldaer Doms gilt als ältester Nachbau der Grabeskirche in Deutschland. Die Krypta in ihrem Untergeschoss hat alle Zerstörungen der vergangenen zwölf Jahrhunderte überstanden. In Bischof Dr. Michael Gerbers aktuellem Hirtenwort steht sie für Hoffnung und prägende Erfahrungen mit dem Glauben.
Das Hirtenwort 2022 wurde traditionell am ersten Fastensonntag (6. März) in allen Gottesdiensten im Bistum Fulda verlesen. Bischof Gerber selbst hat es dabei direkt über der berühmten Krypta vorgetragen: Während der Vorabendmesse am Samstag in der Michaelskirche in Fulda – und dank einer Online-Übertragung auch live im Internet.
Gebet für Frieden und Freiheit
Die Kirchen sind aktuell aber auch und gerade Orte für das Gebet um Frieden und Freiheit: Der Krieg in der Ukraine, der Überfall Russlands auf sein Nachbarland, markiert eine Zeitenwende und kommt somit auch gleich zu Beginn des Hirtenwortes zur Sprache. "Wir erleben eine existenzielle Bedrohung von Frieden und Freiheit auf unserem Kontinent und darüber hinaus", betont Bischof Gerber. Nun komme es auf die Klugheit der politischen Verantwortungsträger ebenso an wie auf unser aller Bereitschaft, "um der Freiheit und des Friedens willen auch manche Einschränkung in Kauf zu nehmen."
Zustand der Kirche
In seinem Hirtenwort nutzt Bischof Gerber die bewegte Geschichte und die besondere Architektur der Michaelskirche vor allem als Bild für die Situation der Kirche heute. Damit meint er wohl auch die Institution, zuallererst aber die Seelen der Menschen in der Kirche.Wie Umbauten und vor allem Zerstörungen der Vergangenheit das Angesicht der Michaelskirche immer wieder geändert haben, so erschüttert der Zustand der Institution gerade einige Menschen, die viel Zeit und Energie in ihre Kirche investiert haben, berichtet Gerber: "Die Schilderung von sexualisierter Gewalt und der Rolle von Verantwortungsträgern führt viele in eine innere Zerreißprobe."
Staub und Dreck Im Bild des Kirchenbaus ausgedrückt: Wenn einige ihrer Mauern einstürzen, dann legt sich Staub und Dreck über alle anderen Gebäudeteile und dringt auch in die letzten Ritzen ein. Es zerbricht etwas in den Seelen vieler Menschen und einige kehren ihrer Kirche den Rücken.
Was bleibt? Was gibt Hoffnung in diesen Tagen? Anregungen dazu findet Bischof Gerber wiederum in Architektur und Geschichte der kleinen Kirche, die direkt an das Bischofshaus grenzt und von dort durch verschiedene Türen zugänglich ist.
Verbindung zur Michaelskirche
Eine dieser Türen, eine schwere Doppeltür in der dicken Mauer, führt direkt von seinem Büro im ersten Stock des Bischofshauses in den oberen Teil der Michaelskirche. Anschaulich beschreibt Gerber, wie er durch diese verschlossene Tür trotz baulichem Schallschutz an seinem Schreibtisch von Zeit zu Zeit – ganz leise, kaum vernehmbar – Töne aus der Michaelskirche wahrnimmt: Das rhythmische Beten des Rosenkranzes etwa, das Klingeln bei der Wandlung oder den Vers eines Taizé-Liedes.Das entscheidende Bild findet Bischof Gerber aber zwei Stockwerke tiefer – in der Krypta mit der tragenden Säule im Untergeschoss: "Tief steht sie in der Erde", veranschaulicht Gerber. "Sie ist inmitten der Zerstörungen erhalten geblieben über alle zwölf Jahrhunderte hinweg."
Prägende Erfahrungen Tief geerdet wie die Krypta beschreibt Bischof Gerber schließlich eigene Erfahrungen mit dem Glauben, die ihm niemand mehr nehmen kann. "Der eine Geist, der über die Jahrhunderte hinweg die Menschen in der Krypta der Michaelskirche inspiriert und die Krypta meines Herzens geformt hat, dieser Geist wirkt auch heute", lautet sein tröstliches Fazit.
"Seien wir aufmerksam, wo dieser Geist unverhofft wirkt und uns mit der Krypta unseres Herzens in Berührung bringt", so Gerber. "Trauen wir Gottes Geist, der sich seinen Weg bahnt durch Ritzen und verriegelte Türen. Trauen wir ihm als Fundament unserer Hoffnung und als Kraft zum Handeln."
Umfangreiches Angebot zur Vertiefung
Zur Begleitung und Vertiefung des Hirtenwortes bietet das Bistum Fulda auf seiner Homepage über den Original-Text hinaus auch einen emotionalen Video-Film sowie eine von Bischof Gerber eingelesene Audio-Aufnahme und eine digitale Erzählung mit Textauszügen auf großflächigen Fotos. Gelegenheit, sich ausgehend vom Hirtenwort und der Architektur der Michaelskirche mit existentiellen Fragen des persönlichen Glaubens auseinanderzusetzen, bieten zudem drei Abende mit digitalen Fastengesprächen. Alle Angebote und weitere Infos unter: fastenzeit.bistum-fulda.deDie Michaelskirche
Ein geistlicher Ort mit ZukunftIm Januar hat das Bistum Fulda den 1200. Weihetag der Michaelskirche gefeiert. Sie gilt als ältester Nachbau der Grabeskirche im deutschen Sprachraum. "Zu ihrer fast archaisch wirkenden Architektur und der damit verbundenen Formensprache finden ganz unterschiedliche Menschen einen Zugang", weiß Bischof Gerber. "Es ist spürbar, hier ist seit nunmehr 1200 Jahren ein Ort des Gebetes."
Bereits während des ersten Corona-Lockdowns hatte sich über die Streaming-Gottesdienste aus der Michaelskirche eine virtuelle Gottesdienstgemeinde gebildet, zu der Menschen aus dem gesamten deutschen Sprachraum gehören. Im Jubiläumsjahr finden verschiedene Veranstaltungen statt. Motive aus der Michaelskirche spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle, etwa im Hirtenwort von Bischof Gerber und den darauf aufbauenden geistlichen Gesprächen: fastenzeit.bistum-fulda.de (pm) +++