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Nicht nur für uns als Erwachsene, sondern auch für unsere Kinder ist die aktuelle Situation belastend. - Karikatur Thomas Plassmann, Frankfurter Rundschau

REGION O|N hat bei der Expertin nachgefragt

Kindern den Krieg erklären: "Einfache Worte, nicht alle Details und altersgerecht"

09.03.22 - Kinder und Krieg - sorgenfreies Leben trifft auf das wohl sorgenvollste, das man sich nur vorstellen kann. Doch wie erklärt man Kindern, was da alles gerade Grausames in unserer Welt geschieht? Schließlich fällt bereits den meisten Erwachsenen der Blick in die Ukraine schwer. OSTHESSEN|NEWS hat mit Diplom-Sozialpädagogin Kirsten Hückel-Dege von der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Landkreises Fulda genau darüber gesprochen. 

Wie erklärt man Kindern, was Krieg überhaupt ist?

Kurz, mit einfachen Worten, nicht in allen Details und vor allem altersgerecht! Fünfjährige fragen anders als Sechstklässler. Und natürlich gibt es auch individuelle Unterschiede, wie ein Kind seine Umgebung wahrnimmt und darauf reagiert. Das zeigt sich beispielsweise auch darin, dass manche Kinder plötzlich Krieg spielen und sich so mit dem Thema auseinandersetzen. Manche Kinder können auf diese Weise belastende Erlebnisse verarbeiten. Andere Kinder lenken sich eher mit ruhigeren Aktivitäten ab.

Kirsten Hückel-Dege ist Diplom Sozialpädagogin und Systemische Beraterin in der ...Foto: Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, Fulda

Es ist also wichtig, die Informationen dem Alter und dem Wesen des Kindes entsprechend weiterzugeben – und nicht wesentlich ausführlicher zu antworten, als das Kind gefragt hat. Dennoch sollten die Gespräche nicht nur sachlich sein, sondern auch Gefühle einbeziehen. Das ist umso wichtiger, weil Kinder und Eltern emotional sehr eng verbunden sind. Kinder spüren, wenn Mama oder Papa unsicher oder ängstlich sind. Das sollen Eltern auch zugeben und nicht so tun, als ob das Kind sich in seiner Einschätzung irren würde. Auch das wäre für das Kind irritierend.

Kinder bis zum Alter von etwa neun oder zehn Jahren ordnen die Geschehnisse um sich herum eher noch nicht nach den Fakten ein, sondern orientieren sich zumeist daran, wie die Erwachsenen damit umgehen. Für Kinder ist die Angst der Eltern ein Gradmesser für die Gefährdung. Deshalb könnte man ihnen etwa sagen: "Der Krieg macht auch den Erwachsenen Sorgen, vor allem, weil die Menschen dort Schlimmes erleben. Aber Du bist bei uns sicher."

Wenn Eltern von ihren Ängsten Gefühlen jedoch überwältigt werden, sollten sie sich im Freundeskreis austauschen und nicht mit ihren Kindern.

Wie erklärt man ihnen die aktuelle politische Lage in Europa kindgerecht und ohne Angst zu schüren?

Viele sprechen von "Krieg in Europa" – das klingt für Kinder erschreckend. Man kann ihnen aber erklären, dass es zwar ein Land in unserer Nähe ist, in dem Krieg herrscht, aber dass es nicht bedeutet, dass es auch Krieg in Deutschland geben wird. Außerdem könnte man sagen, dass ein großes Land ein kleines Land angegriffen hat und es in Kriegen meist darum geht, größere Macht zu erhalten.

Angesichts der Meldungen über den Krieg ist es auch wichtig, weiter einen strukturierten Alltag mit den gewohnten Abläufen und Ritualen zu leben. Dafür sollen Eltern Vorbild sein. Das gibt Sicherheit und bedeutet auch Ablenkung.

Hilfreich kann es auch sein, helfend tätig zu werden, um damit auch der eigenen Ohnmacht zu begegnen. Man kann gemeinsam Notwendiges für bedürftige Menschen sammeln oder auch Kerzen anzünden und zusammen an die Menschen in Not denken. Das kann auch für Kinder entlastend sein, wenn sie sich aktiv und wirksam erleben. Viele Jugendliche zeigen Mitgefühl und überwinden ihre Hilflosigkeit, indem sie an Demonstrationen teilnehmen oder Anti-Kriegsplakate gestalten.

Was ist wichtig in Bezug auf das mediale Nutzungsverhalten?

Grundsätzlich sollte man Folgendes beachten: Bilder bleiben im Kopf. Daher sollte man sich mit kleinen Kindern nicht die Nachrichtensendungen im Fernsehen anschauen.

Ältere Kinder erhalten vermutlich aus dem Freundeskreis Videos oder Fotos auf ihr Handy, auch in der Schule wird über das Thema Krieg gesprochen. Dabei benötigen sie die Begleitung ihrer Eltern. Das ist ein guter Anknüpfungspunkt, um gemeinsam mit den älteren Kindern und Jugendlichen zu besprechen, wie sie die Informationen am besten dosieren.

Welche Tipps kann man für Gespräche über den Krieg mit Gleichaltrigen geben?

Eltern sollten mit ihren Kindern darüber sprechen, wie sie in Gesprächen über Kriegsgeschehen für sich ein "Stopp" ausdrücken können. Entweder durch das Verlassen der Gesprächsgruppe oder indem sie den Freunden direkt mitteilen, dass sie sich überfordert, hilflos oder traurig fühlen, wenn immer wieder über dieses Thema gesprochen wird. Mit älteren Kindern und Jugendlichen sollte man auch darüber sprechen, welche Informationsquellen vertrauenswürdig sind und sie für "Fake News" sensibilisieren.

Viele Kinder haben auch in Deutschland Freunde mit russischen oder ukrainischen Wurzeln. Es ist wichtig, ihnen erneut bewusst zu machen, dass der Wert einer Freundschaft unabhängig von Herkunft und Kriegsgeschehen ist.

Wo kann man sich informieren?

Als Informationsquellen für Kinder und Jugendliche empfiehlt Kirsten Hückel-Dege folgende Seiten: GeolinoKinderkanal, und für 14- bis 29-Jährige das öffentlich rechtliche Online-Netzwerk Funk.

Eltern können sich bei weiteren Fragen an die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Landkreises Fulda wenden. www.erziehungsberatung-fulda.de (mi) +++


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