Archiv
Das Luftgewehr-Bundesligateam des SV Petersberg. Vorn links Anja Heck, in der Mitte ihr Ehemann Albert. - Fotos: privat

FULDA "Mutter der Nation" von Petersbergs Schützen

Anja Heck: Das ist mein Hobby. Das ist mein Leben

19.03.22 - Als aktive Sportschützin nahm sie an Ausscheidungen zur Europameisterschaft teil, an den deutschen Titelkämpfen, war mehrfache Hessenmeisterin, sie trainiert die Petersberger Luftgewehrschützen in der Bundesliga - und sie kümmert sich seit 30 Jahren als Jugendleiterin um den Nachwuchs. Gemeint ist Anja Heck. Wenn man über die 52-Jährige spricht, darf ihre Familie mit Ehemann Albert sowie den Töchtern Jana und Mona nicht außen vor bleiben. Auch Alberts Zwillingsbruder Werner und Anjas Vater Hartmut Hasse, der vor wenigen Tagen 76 wurde, tummeln sich im Petersberger Schützenhaus. Dort hat sich O|N mit ihr unterhalten.

"Ich bin nicht eingerostet. Ich hab' Spaß daran, den Kids etwas beizubringen", betont Anja Heck. Bei all ihren Statements wirkt sie frisch. Positiv. Offensiv. Mit gesundem Selbstverständnis. So, als wolle sie für eine Sache werben. Kurzum: Sie kommt rüber, als habe sie die Arbeit mit Jugendlichen erst gestern begonnen. Die suchen sie, suchen eine Anlaufstelle, jemanden, der ihnen ein Feedback gibt. Und die 52-Jährige nimmt sich Zeit. Reagiert stets positiv und hat für jeden ein gutes Wort übrig. Sie ist ein Glücksfall für den Schützenverein Petersberg. "Ich bin die Mutter der Nation", lacht sie. "Da kommen auch mal private Probleme der Jugendlichen zum Tragen. Schießen macht viel mit dem Kopf. Wenn ich im Kopf nicht frei bin, dann funktioniert das nicht." Schließlich trage jeder einen Wettkampf mit oder gegen sich selbst aus. 

Wohlfühloase Petersberg - die Realität aber sieht anders aus

Die Familie Heck. Anja, Albert sowie die Töchter Jana und Mona (vorn)

Ob Petersbergs Schützen in einer Wohlfühloase leben? "Ja, das ist so", bemerkt sie knapp, "wir können schon stolz auf uns sein. Das läuft. Da bin ich ganz selbstbewusst". Acht Jugendliche tummeln sich an diesem späten Nachmittag an den Schießständen, "eine Super-Beteiligung", findet die Jugendleiterin, "die kommen alle freiwillig". Doch sie weiß: "Die ganze ehrenamtliche Sache hängt in der Luft." Immer weniger Jugendliche kommen zum Sport, kaum noch finden sich Trainer und Betreuer, die Nachwuchsarbeit liegt nicht nur im Schießen im Argen. Es ist einer der wenigen Momente, in denen Anja Heck, die am vergangenen Wochenende zur Bezirksjugendleiterin gewählt wurde, grimmig und besorgt schaut, "es gibt keine Leute mehr, die sich reinknien".

Und sie nennt ein Beispiel. Kürzlich richtete der SV Petersberg das Jahrgangsschießen aus. Nur 16 Jugendliche nahmen teil - obwohl es im Bezirk Fulda 58 Vereine gibt, und jeder Verein so viele Kids schicken durfte, wie er wollte. Enttäuscht sei sie schon gewesen wegen der schwachen Resonanz, bemerkt Anja Heck, und schickte einen Appell hinterher: "Wenn ihr keine Jugendarbeit macht", wandte sie sich an die Vereine, "seid ihr in fünf Jahren gestorben". Doch wer will sich heutzutage noch dafür hergeben in unserer Gesellschaft? Jugendarbeit kostet Geld, Zeit, Nerven und braucht Verantwortung.

Schützenhaus als zweite Heimat - brillante Heck-Schwestern

(v.l.) Jana Heck, Johanna Tripp, Trainerin Anja Heck (liegend) Michael Döllinger, ...

Die 52-Jährige bezeichnet das Schützenhaus als ihre zweite Heimat. "Ich kann von meinem Wohnhaus hierher gucken", sagt sie, "jeden Tag sind wir nicht hier. Aber dreimal in der Woche schon". Denn die Ur-Petersberger Hecks, das ist ein Familienunternehmen. Ihr Mann Albert ist seit fünf Jahren im Vorstand, schoss einst in der ersten Luftgewehr-Mannschaft. Heute schießt das Ehepaar - Albert übt sich noch im Kleinkaliber - in der Vierten. Eine spezielle Rolle nehmen die Heck-Schwestern Jana und Mona ein. Jana (23) studiert Medizin, im Herbst steht ihr Physikum an, momentan befindet sie sich auf einem Erholungs-Trip in Mexiko. Jana (20) fing erst am 1. März bei der Bundeswehr an. Viele sagen, "wenn die Mädels nicht gewesen wären, würden wir jetzt nicht in der Bundesliga schießen". Dorthin stieg der SV Petersberg 2019 auf, nachdem er den Durchmarsch von der drittklassigen Hessenliga bis ins Oberhaus geschafft hatte. Und in dieser bereits beendeten Saison sicherten sich die Luftgewehrschützen des SV erneut den Klassenerhalt. 

Und was wäre das Abenteuer Bundesliga ohne Anja Heck? Wie gelingt es dem eher kleinen Petersberger Schützenverein, das zu stemmen? "Leistungstechnisch sind wir ganz weit vorne", erklärt Anja Heck, "finanziell ist es eine Herausforderung. Doch unser 1. Vorsitzender Frank Urspruch sagte mir, dadurch, dass du so ein Sparbrötchen bist, kriegen wir das ganz gut hin". Die weiten Fahrten bestreiten die SV-Schützen im Gemeinde-Mobil, Anja Heck sucht relativ günstige Hotels für die obligatorischen Übernachtungen aus. Zudem verzichten die Sportler  an Wettkampftagen auf ein eher kostspieliges Frühstück im Hotel. Die 52-Jährige umschreibt ihre Mühen für die Arbeit im Verein so: "Das ist mein Hobby. Das ist mein Leben."

Starker Vorstand - 90 Jahre SV Petersberg steht an

Petersbergs Sportschützen stützen sich auf einen starken Vorstand. Sowohl Frank Urspruch als auch der Sportliche Leiter Michael Döllinger, der für die Zweite schießt und Ersatzmann für die Erste in der Bundesliga ist, leben den Verein. Mit Leib und Seele. In diesem Jahr steht das 90-jährige Vereinsbestehen an. Für den 10. und 11. September plant der Verein eine Art Schützenfest, "corona-abhängig. Wir warten ab, was passiert", erklärt Anja Heck. Zuvor schon findet das Hillenbrandt-Pokalschießen statt, zu Ehren des Anfang der 1990er-Jahre verstorbenen Petersberger Bürgermeisters. Auch der Gemeinde-König soll dann proklamiert werden.

Vor knapp zwei Jahren war Anja Heck an Corona erkrankt. Die Vereinsheime wurden gerade geschlossen zu dieser Zeit. "Das ist überhaupt nicht aufgefallen, dass ich krank war. Das hat gepasst", kommentiert das gute Stück des Schützenvereins trocken und mit Heckschem Humor. "Es gibt nichts Schlimmeres für einen Verein, als wenn du dein Vereinsheim nicht aufmachen darfst." Typisch Heck. Typisch auch, dass sie sich während eines Kreta-Urlaubs eine Videoschalte mit ihrem Verein nicht entgehen ließ. So kennen sie Viele. (wk) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön