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Das jetzt um sich greifende Horten von Jodid-Tabletten ist nicht nur unsinnig, sondern auch unsolidarisch - Foto: Picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

REGION Irrtum mit schlimmen Folgen

Aus Angst vor Atomkrieg: Jod-Tabletten bereits häufig ausverkauft

InfoUm eine Jodblockade zu erwirken (diese würde benötigt, um sich vor radioaktiven Partikeln in der Schilddrüse zu schützen), ist ein Medikament (Lannacher) zugelassen, welches 65 Milligramm Kaliumjodid enthält. Es würde, im Fall der Fälle, kostenlos verteilt werden.

17.03.22 - "Sind Sie schwanger? Haben Sie eine Schilddrüsenunterfunktion? Oder wollen Sie sich mit ein paar Schachteln Jodid im Keller verstecken?" Wer aktuell Jod-Tabletten in der Apotheke aufgrund einer Hypothyreose kaufen möchte, muss sich mitunter unangenehmen Fragen stellen. Der Grund dafür: Immer häufiger sind die wichtigen Medikamente ausverkauft, erste Apotheken rationieren.

Schilddrüsenerkrankte kennen es: Täglich, über Jahre und Jahrzehnte, werden die kleinen Tabletten eingenommen, um die Stoffwechselerkrankung im Griff zu halten. Einfach vorsorglich Jod zu sich zu nehmen, ist allerdings keine gute Idee. Ein Arzt, im besten Fall ein auf das Fachgebiet ausgebildeter Spezialist, bestimmt vorab, ob mit der Schilddrüse alles in Ordnung ist – liegt eine Fehlfunktion vor (es gibt verschiedene), wird medikamentiert.

Jetzt gibt es in vielen Apotheken, ob vor Ort oder im Bestellhandel, keine oder nur noch wenige Schachteln der wichtigen Medikamente gegen eine Schilddrüsenunterfunktion. Der Grund dafür ist allerdings nicht etwa ein Lieferengpass, viele Bürgern bunkern die Tabletten, um im Fall eines "nuklearen Krieges" gerüstet zu sein. "Die Leute spinnen." Eine Angestellte einer Apotheke in Fulda findet klare Worte. "Seit die Menschen gehört haben, dass es Probleme mit dem Kernkraftwerk in Tschernobyl gab, hamstern sie, was sie bekommen können. Dass es in diesem Fall aber überhaupt keinen Sinn macht, sie aber dafür denen, die auf Medikamente angewiesen sind, die Tabletten wegnehmen, interessiert sie wenig."

Schlimme Folgen durch falsche Einnahme

Auch Christian Wetterich von der Rosen-Apotheke in Fulda hat die Nachfrage nach allem Jodhaltigem bereits gespürt. "Das ging genau zu dem Zeitpunkt los, als der Krieg in der Ukraine begann." Kunden würden teilweise bis zu sechs Packungen Jodid kaufen, einer habe erzählt, damit sich und seine Familie schützen zu wollen. "Das ist natürlich Unsinn, man müsste viele Schachteln auf einmal schlucken, um überhaupt eine Wirkung zu erzielen. Allerdings könnte das schlimme Folgen haben."  

Welche, weiß Dr. Nicole Körber-Hafner, Nuklearmedizinerin aus Fulda. "Die Einnahme von derartigen Medikamenten ist natürlich nicht sinnvoll." In ihrer Praxis habe man bereits Patienten gesehen, die sich fälschlicherweise und zu ihrem eigenen gesundheitlichen Nachteil selbst mit Jod medikamentiert hätten. "Sie haben sich zum Teil erhebliche Schäden zugefügt. Meist handelt es sich dabei um eine deutliche Überfunktion der Schilddrüse, deren Symptome erheblich sein und mehrere Monate anhalten können."

Jodblockade kann vor Schilddrüsenkrebs schützen- gegen sonst nichts

Auch in Dr. Körber-Hafners Gemeinschaftspraxis weiß man, woher das stark gestiegene Interesse nach Jod-Medikamenten kommt: "Bei den Reaktorkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima ist radioaktives Jod verteilt worden. Im Fall von Tschernobyl stieg in den Folgejahren lokal in der Ukraine begrenzt das Risiko, einen strahleninduzierten Schilddrüsentumor zu entwickeln." Eine prophylaktische Einnahme von Medikamenten sei allerdings sinnlos. "Für den Fall einer Freisetzung und des Transportes der radioaktiven Partikel nach Deutschland (und nur dann) liegen in Depots spezielle Medikamente für jeden Bürger parat, die eingenommen werden könnten." Medikamente wie Jodid zu horten, die für diese Aufgabe sowieso völlig ungeeignet seien, wäre demnach sinnlos. "Es sind einfach auch die falschen Präparate."

Wichtig zu wissen: Die Einnahme eines solchen Medikaments könnte zwar eine Jodblockade erwirken und damit das Risiko eines Schilddrüsentumors verringern, gegen andere Auswirkungen einer Freisetzung von radioaktiver Strahlung hat sie allerdings keine Wirkung. (mr) +++


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