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Ein fulminantes Passionskonzert im Dom mit der Capella Cathedralis unter Domkapellmeister Franz-Peter Huber - Alle Fotos: Martin Engel

FULDA Passionskonzert Dom

Fugit Mater Dolorosa - Großartiges Passionskonzert der Cappella Cathedralis

27.03.22 - Wohl selten erlebt man ein Konzert, dessen Generalprobe ganze zwei Jahre zurückliegt. Beim Passionskonzert im Hohen Dom zu Fulda am Freitag war es aber genauso. Vor zwei Jahren hatte der erste Corona-Lockdown die Aufführung unmöglich gemacht. Umso größer die Freude jetzt, dass das Konzert endlich stattfinden konnte.

Großartige Ensembles und Solisten

Sopranistin Julia Küßwetter

Huber dirigierte so energetisch und mitreißend wie immer

Bischof Gerber führte einfühlsam in das Passinskonzert ein

Im Fuldaer Kathedralchor singen Mitglieder aller Domchöre mit – eine Auswahl der besten aus allen Chören, verstärkt durch Gastsänger, die projektbezogen hinzugeholt werden. Es ist immer wieder ein musikalisches Fest, einem so gut geschulten und so sauber intonierenden Chor zuzuhören! Begleitet wurden sie vom Münchner Orchester L’Arpa festante. Das Orchester ist eines der traditionsreichsten Ensembles für Alte Musik in Deutschland, spezialisiert auf Musik des 17. und 18. Jahrhunderts. Es spielt auf Originalinstrumenten – je nach den Erfordernissen der Musik in der kleinen Concertino-Besetzung bis hin zum ‚vollen Wichs‘ in ganzer Orchestergröße. Es ist ein wundervoll satter, warmer Klang, den dieses Orchester entfaltet.

Tenor Hans Jörg Mammel

Bassist Sebastian Kitzinger

Genauso vorzüglich waren die Solisten: Julia Küßwetter (Sopran), Jan Jerlitschka (Counter), Hans Jörg Mammel (Tenor) und Sebastian Kitzinger (Bass). Mammel kennt man als Opern- und Oratoriensänger, ich schätze ihn vor allem als großartigen Liedsänger – ganz besonders mag ich seine Schubert-Liedzyklen. Julia Küßwetter war kurzfristig für die erkrankte Franziska Bobe eingesprungen und meisterte ihre anspruchsvollen Partien mit Bravour. Eine Entdeckung war für mich der erst 24-jährige Countertenor Jan Jerlitschka, der eine schöne, hell leuchtende, klare Stimme hat, der es vielleicht nur noch ein wenig an Tragweite fehlt. Setzen Sie ihn auf ihre "unbedingt beobachten"-Liste! Ganz besonders gut gefiel mir auch Sebastian Kitzinger, eigentlich Bariton, der die Bass-Partien mit Kraft und Weichheit sang. Meist war er bislang in Oratorien zu hören, ich würde ihn sehr gern in Mozart-Partien erleben! Am Pult stand Domkapellmeister Franz-Peter Huber und leitete das Konzert so energetisch und mitreißend, wie man es von ihm gewohnt ist.

Musik des 18. für die Traurigkeit des 21. Jahrhunderts

Sehr einfühlsame Einleitungsworte fand Bischof Gerber. Er berichtete von einer Bahnfahrt vor wenigen Tagen, bei der er das Abteil mit einer ukrainischen Mutter samt Kindern geteilt hatte. Mit Google-Translator konnte man sich verständigen, es war eine sehr direkte und tief bewegende Begegnung mit den Wunden dieses Krieges. Der Bischof war spürbar angerührt von dieser Begegnung und spann den Bogen von den liturgischen Passionstexten zum Leid des 21. Jahrhunderts. Er stellte sich und uns die Frage, ob die uns vertraute, unter dem Kreuz ihres sterbenden Sohnes stehende (stabat) schmerzensreiche Mutter nicht jede dieser Mütter sei und durch den Krieg zu einer flüchtenden (fugit) Schmerzensmutter werde. Ein Gedanke, der mich nicht mehr losließ.

Chorsolistin

Countertenor Jan Jerlitschka

Ganz klar, dass in diesen Tagen ein Passionskonzert der Ukraine und ihren Menschen gewidmet war, denen, die dort kämpfen genauso wie jenen, die auf der Flucht sind. Die Musiker signalisierten das durch Schleifen in den Farben der Ukraine.

Lamentationes Jeremiae

Das erste Stück war Francesco Durantes Lectio Terza aus den Klageliedern des Propheten Jeremiah. Der Neapolitaner galt als einer der besten Sakralkomponisten des Barock, ihm werden die berühmtesten Komponisten der Zeit als Schüler zugeschrieben, darunter Giovanni Battista Pergolesi, Giovanni Paisiello, Leonardo Vinci und Niccolò Jomelli. Durante schrieb – im Gegensatz zu den meisten Komponisten seiner Zeit – nicht fürs Theater, sondern widmete sich der religiösen Musik. Die Musik sei für uns heute eine Herausforderung, denn vieles klänge so selbstverständlich, angenehm und schön, "dabei stecke die Dramatik der Musik im kleinsten Detail", heißt es im Programmheft. Damit wir das besser mithören und nachvollziehen können, kommentierte und erläuterte das Programm die einzelnen Passagen (bei allen drei Kompositionen). Was für eine wunderbare Idee!

Solist des Chores

Die Jeremiade, die mit den Worten "Herr, denke daran, was uns geschehen, sieh‘ unsere Schmach!" beginnt, kann man gar nicht anders als auf den Krieg in der Ukraine und das Leid der Menschen dort beziehen. Später heißt es: "Wir wurden Waisen, Kinder ohne Vater, unsere Mütter wurden Witwen, blick her, sieh unsere Schmach!" Es ist eine zutiefst berührende und ergreifende Musik, die einen fast zu Tränen rührt. Für mich der musikalische und emotionale Höhepunkt dieses Konzerts.

Miserere

Vom aus Pistoia stammenden und in Rom wirkenden Barockkomponisten Alessandro Melani erklang danach dessen "Miserere", eine Komposition auf Psalm 51, der mit den Worten beginnt: "Miserere mei, Deus – Gott, sei mir gnädig". Es ist die ergreifende Bitte um Vergebung. Viele Komponisten haben ein Miserere komponiert, am bekanntesten dürfte das von Gregorio Allegri sein. Dass Allegris Werk heute noch bekannt ist, verdanken wir Mozart, der es als 14-Jähriger auf einer seiner Reisen hörte und aus dem Gedächtnis aufschrieb.

Bei Melani singen ein achtstimmiger Doppelchor plus Solisten, alle verwendeten Instrumente sind Klangfarben-Geber und werden "colla parte" eingesetzt, also nach Angaben des Dirigenten.

Stabat Mater

Den Abschluss bildete Emanuele d’Astorgas "Stabat Mater". Die Marienanrufung "Stabat Mater" ist ein weit verbreitetes mittelalterliches Gebet, das mal Papst Innozenz III., mal Johannes Bonaventura zugeschrieben wird. Aus der katholischen Liturgie ist es nicht wegzudenken. Es gibt zahlreiche Komponisten, die es vertont haben, u.a. Scarlatti, Pergolesi, Haydn, Schubert, Rossini, Liszt, Dvořák, Verdi bis hin zu Penderecki und Pärt. Pergolesis Version war übrigens das meist gedruckte Musikstück im 18. Jahrhundert und verzaubert uns bis heute.

Der Sizilianer d’Astorga komponierte weitaus mehr als das "Stabat Mater", ist heute aber eigentlich nur noch für dieses Werk bekannt. Im Gegensatz zu den anderen Komponisten des Abends sah d’Astorga sich nicht als Berufsmusiker, sondern als (adeligen) Dilettanten, der zum eigenen Vergnügen komponierte. Dilettant muss man dabei aber im Goethe’schen Sinne verstehen und darf nicht an die heute geläufige, eher negative Verwendung des Begriffs ‚dilettieren‘ denken. Für Goethe war ein Dilettant ein "Liebhaber der Künste, der nicht allein betrachten und genießen, sondern auch an ihrer Ausübung Teil nehmen will" (so im "Fragment über den Dilettantismus").

Bei einer Aufführung des "Stabat Mater" im Jahr 1834 schrieb kein Geringerer als Franz Grillparzer über den Komponisten: "Seit lange nicht so im Innersten ergriffen gewesen. Was haben für Männer gelebt, wenn ein solcher kaum dem Namen nach mehr bekannt sein kann." Das kann man beim Hören gut nachempfinden, es ist eine innige, sehr berührende Musik, in der die Spiritualität des Textes und die Sinnlichkeit der Musik verschmelzen.

Ein rundum gelungenes Domkonzert

Chor und Orchester musizierten diesmal "von vorn", standen also im Altarraum und davor. Für regelmäßige Besucher der Domkonzerte war sicher interessant zu erhören, wie sich die Akustik dadurch veränderte. Singt der Chor von der hinten aufgebauten Tribüne, rollt die Musik gewissermaßen nach vorn, die Stimmen dabei immer über den Instrumenten. Das gelingt bei der Anordnung vorn nicht ganz so gut, da schluckt das Orchester einiges an Stimme, vor allem die Solisten haben es nicht leicht, durchzudringen.

Nach knapp zwei Stunden verabschiedete das begeisterte Publikum Dirigent, Musiker und Sänger mit viel Beifall – und gewiss voller Vorfreude auf das Pfingstkonzert am 21. Mai. (Jutta Hamberger)+++


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