Archiv
Das New Yorker Horszowski Trio spielte das Werk eines über 100-jährigen, ein romantisches Geburtstagsgeschenk und eine slawisch-elegische Ballade. - Fotos: Carina Jirsch

FULDA Ein Kammermusik-Abend in Moll

Konzert im Fürstensaal – das New Yorker Horszowski Trio

30.03.22 - Die Fuldaer Konzert-Saison neigt sich dem Ende zu, läuft vorher aber nochmals zu großer Form auf. Das New Yorker Horszowski Trio spielte das Werk eines über 100-jährigen, ein romantisches Geburtstagsgeschenk und eine slawisch-elegische Ballade. Quasi Musik aus der Neuen und aus der Alten Welt, und ja, es war ein Abend in Moll.

New Yorker im Fürstensaal

Der Name des Trios erinnert an den 1993 verstorbenen polnischen Pianisten Mieczysław Horszowski. Den kennt man v.a. als Begleiter des genialen Cellisten Pablo Casals, eine seiner letzten Schülerinnen war Rieko Aizawa. Die Formation mit Jesse Mills (Violine), Ole Akahoshi (Cello) und Rieko Aizawa (Klavier) debütierte 2011 in New York. Mills und Aizawa sind Gründungsmitglieder, Akahoshi stieß erst 2020 dazu. Sehr, sehr schade war, dass nur so wenige Zuhörer in den Fürstensaal gekommen waren, vielleicht lag es an den hohen Corona-Inzidenzen? Angst hätte man allerdings nicht haben müssen, denn Impfnachweis und FFP2-Maske sorgten für die Sicherheit des Publikums.

Das Trio besteht heute aus zwei New Yorkern und einem Berliner, denn Cellist Ole Akahoshi stammt aus Deutschland. Sein Cello-Spiel wird gerühmt für seinen "edgeless tone of buttered-rum quality". Dieses Zitat aus der Los Angeles Times muss ich Ihnen einfach im englischen Original vortragen! Schöner kann man nicht ausdrücken, wie er das Cello singen lässt. Rieko Aizawa beeindruckte mit ihrer expressiven Phrasierung, Jesse Mills spielt einen glasklaren Ton – mir in den langsamen Phrasen manchmal mit etwas zuviel Vibrato, aber da gibt‘s ja unterschiedliche Schulen und Lehrmeinungen. Das Trio gilt als Amerikas beste Kammermusik-Formation, man spürt und hört die durch langes Zusammenspiel gewachsene Vertrautheit.

Dvořák, Dumky-Trio No. 4 in e-moll op. 40

Ukraine, immer wieder Ukraine – auch am heutigen Abend. Denn "dumky” ist die Mehrzahl von "dumka" und bezeichnet auf ukrainisch eine elegische Ballade. Meist waren es Trauergesänge, die Stimmung also getragen, dunkel und in sich gekehrt. Das Dumky-Trio vollendete Dvořák 1891, im selben Jahr wurde es in Prag uraufgeführt und sofort ein durchschlagender Erfolg. Es folgt nicht der gängigen viersätzigen Form, sondern hat sechs Episoden. Die Dumky sind Elemente der slawischen Volkskultur, traurige Balladen mit heiteren Zwischenteilen – sie finden sich in mehreren Werken Dvořáks.

Es ist faszinierend, wie das Elegische urplötzlich umschlägt in heitere, tänzerische Musikteile. So verweilt man nie lange in einer Stimmung. Liegt man falsch, wenn man hier auch daran denkt, dass Dvořák als Musikstudent Abend für Abend in Wirtshäusern aufspielte, um für Essen und Miete zahlen zu können? Er lernte dort sicherlich viele mitreißende Melodien kennen – in vielen seiner späteren Kompositionen lassen sich deren Spuren verfolgen. Wunderbar in diesem Stück, wie sich die drei Instrumente gleichberechtigt abwechseln im Lead, keines ist ‚nur‘ Begleiter, und jedes bringt seine eigene Stimmfarbe optimal zur Geltung.

Carter, Epigramme für Klaviertrio

Klar, dass ein New Yorker Ensemble auch einen New Yorker Komponisten spielt. Die Epigramme sind Carters letztes Werk. Sie müssen wegen ihrer Kürze, genauso wie ihr literarisches Pendant, auf den Punkt getroffen sein. Und mit kurz meine ich kurz, denn jedes

Epigramm dauert kaum eine Minute. Carter schrieb sie 2011 im wahrhaft biblischen Alter von 103 Jahren. Gerade in seinem letzten Lebensjahrzehnt erlebte er eine seiner musikalisch kreativsten Phasen.

Und nein, die Epigramme sind von Abgeklärtheit des Alters oder gar Altersstarrsinn so weit weg wie der Nord- vom Südpol. Es ist ein freies, unbeschwertes und fallweise geradezu wildes Werk, sehr energiegeladen und rasant. Aus den 12 Epigrammen hatte das Horszowski Trio fünf ausgewählt. Jesse Mills hatte dem Publikum zuvor erklärt, dass man die Epigramme sowohl in beliebiger Reihenfolge spielen als auch eine Auswahl daraus treffen könne, all dies sei ganz im Sinne Carters.

Schumann, Trio No. 1 in d-moll op. 63

Mittendrin in der Romantik endet dieses Konzert, und das darf man in diesem Fall gleich doppelt und wörtlich nehmen. 1847 entstand Schumanns erstes Klaviertrio, er überreichte es seiner Frau Clara als Geburtstagsgeschenk. Bis heute zählt dieses Trio zu Schumanns populärsten Werken, vielleicht auch, weil er hier kongenial Beethovens Maxime ‚Vom Dunkeln ins Licht‘ – in diesem Fall von d-moll nach D-Dur – umgesetzt hat. Auch Clara war sofort begeistert und schrieb in ihrem Tagebuch: "Es klingt (…) so jugendfrisch und kräftig, dabei doch in der Ausführung so meisterhaft!"

Schumann hat mit diesem Werk das Genre des Klaviertrios entscheidend mitgeprägt. Es löst sich von der Klassik, zitiert sie hin und wieder, verändert deren Formensprache, ist insgesamt aber wilder und ungestümer. Ein anspruchsvolles Werk, sehr komplex, vor allem im Kopfsatz und im Scherzo. Das macht es nicht ganz leicht, der Musik zu folgen, die bei aller Geschlossenheit sehr unruhig ist.

Eine kammermusikalische Perle als Zugabe

Ohne Zugabe entließ das Publikum das Horszowski Trio natürlich nicht, das sich gern überzeugen ließ und den zweiten Satz aus Mendelssohns Klaviertrio op. 49 in d-moll spielte. Dieses 1840 erstmals aufgeführte Werk ist hinreißend, der zweite Satz ist ein lyrisches Andante zum Dahinschmelzen. Da hätte ich gern noch weiter zugehört! Für mich war die Zugabe der Höhepunkt dieses schönen Konzertabends.

So wie heute der ein oder andere Besucher wohl von Carters Epigrammen überfordert war oder sich nicht so recht darauf einlassen wollte – ich sage nur, WC-Gespräche! – so erging es damals Mendelssohn mit seinem Trio – jedenfalls beim ausländischen Publikum. Sein Verleger Novello war der Ansicht, das Stück sei für das "ignorante Londoner Publikum" zu anspruchsvoll, und auch in Paris war man der Meinung, das Stück sei zu gelehrt. Aber einer der ersten und größten Bewunderer des Klaviertrios war – und so schließt sich der heutige musikalische Kreis – Robert Schumann. (Jutta Hamberger) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön