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"Auszeit" für Fortschritt genutzt: wortreich-Bulli fährt jetzt mit Holzbefeuerung
01.04.22 - Er ist das Maskottchen und eines der Aushängeschilder des wortreich in Bad Hersfeld: Der alte Bulli aus den frühen 1970er Jahren, mit dem das Team regelmäßig zu Promo-Veranstaltungen und anderen Auswärtseinsätzen im ganzen Land fährt. Dabei verbraucht der schicke Oldtimer jedoch so einiges an Treibstoff und wird dadurch angesichts steigender Spritpreise zunehmend schlechter einsetzbar. Unter anderem aus diesem Grund hat wortreich-Mitarbeiter Stephan Kuno den zweiten Lockdown der Corona-Pandemie von Dezember 2020 bis Juni 2021 genutzt und das historische Gefährt nun geradewegs in die Zukunft befördert: Statt mit Benzin soll der Kleinbus künftig ganz allein durch eine Holzbefeuerung fahren.
Wer zu späterer Stunde im Schilde-Park Bad Hersfeld vorbeischaut, kann ihn derzeit immer mal wieder beobachten: Den rot-weißen wortreich-Bulli, wie er rauchend und knatternd auf der wortreich-eigenen Teststrecke hinter der Wissens- und Erlebniswelt seine kleinen Runden dreht. Nach Monaten des Tüftelns, Bastelns und der stetigen Modifizierungen wird er bereits weitestgehend zuverlässig durch seinen neuen Holzvergaser angetrieben.
Künftig sogar schneller am Ziel dank geschickter Umwandlung
Wie viel Power in der Maschine steckt, verrät bereits das daran angebrachte Schild, welches seine Betrachter:nnen warnt: Vorsicht! Starkstrom. Lebensgefahr! Und Vorsicht ist hier tatsächlich geboten. "Durch den neuen Holzvergaser und einen speziellen Kompensator können wir den Holzdampf in hochenergetischen Treibstoff umwandeln. Dadurch ist es uns gelungen, eine Leistungssteigerung zu erzielen. Das heißt: Der Bulli fährt jetzt sogar schneller als zuvor", erklärt Stephan Kuno zur Funktionsweise des neuen Antriebs.
Doch warum der ganze Aufwand? Die steigenden Benzinpreise allein rechtfertigen diese Arbeit kaum. Vielmehr liegt der Einsatz auch im Selbstverständnis des wortreich mitbegründet. "Das wortreich versteht sich als Ort der technischen Innovation und des nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen", erklärt Geschäftsführer Christian Scholz. "Unserem Tausendsassa Stephan Kuno ist es am Beispiel des Bulli gelungen, nahezu ausschließlich unter Einsatz bereits vorhandener, alter Technik aus dem städtischen und musealen Bestand einen neuen Antrieb für ein Fahrzeug zu bauen. Das ganze Projekt steht somit voll im Zeichen der Wiederverwertung statt Neubeschaffung."
Zukunftsmusik: Holzvergaser künftig für Bad Hersfelder Stadtbusse denkbar?
Zudem könnte der Bulli durch den Holzofen beispielsweise mit Altholz oder gar Holz aus dem Bad Hersfelder Stadtwald – also regional vorhandenen Rohstoffen – angetrieben werden. Scholz, der neben seiner Rolle als Geschäftsführer von Bad Hersfelds Mitmach-Museum auch Betriebsleiter der Stadtbusse Bad Hersfeld ist, sieht darin eine historische Chance für die gesamte Region. "Nach einer erfolgreichen Testphase des Bullis, könnte diese Technologie in fernerer Zukunft sogar im Bad Hersfelder Stadtbus-System eingesetzt werden", erklärt er. Möglicherweise sei im nächsten Schritt dann sogar das autonome Fahren der mit Holzbefeuerung betriebenen Busse möglich. Auch hier seien bereits erste Testläufe mit dem Bulli in Planung.
Einzig in Bezug auf die CO₂-Werte bestehe derzeit noch Verbesserungsbedarf. Dennoch sehen Scholz und Kuno in dem Projekt einen wichtigen Impuls für die Zukunft der Fortbewegung im städtischen Verkehr von Bad Hersfeld. "Auch hier wird sich über kurz oder lang eine möglichst nachhaltige Lösung finden", verspricht Kuno. "Und bis dahin können wir noch einen weiteren Mehrwert anbieten: Als Abfallprodukt ist es durch die spezielle Rauchführung des Holzvergasers möglich, ganz nebenbei noch Fisch oder Fleisch zu räuchern und so an anderer Stelle wieder CO₂ einzusparen." (pm)+++