Archiv
Verhandlung am Freitag im Fuldaer Amtsgericht - Alle Fotos: Martin Engel

FULDA Ließ die Polizei ein Beweis-Video löschen?

Nach "Geburtstagsrandale" im Leipziger Hof - Verhandlungen gehen weiter

15.04.22 - Knapp drei Jahre ist es her, dass im Leipziger Hof in Fulda ein 50. Geburtstag in völliger Eskalation endete. Der mittlerweile 53-jährige Angeklagte, der in der Nacht vom 13. auf den 14. April 2019 feierte, stand am vergangenen Freitag vor dem Fuldaer Amtsgericht und Strafrichter Ulrich Jahn. Die Staatsanwaltschaft ist sicher: Der Mann soll Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet haben.

Doch der Reihe nach: Eine Anwohnerin hatte sich in der besagten April-Nacht 2019 zu später Stunde bei der Polizei über Ruhestörung beklagt. Zwei Beamte der Polizeistation Fulda fuhren zu der Party und machten sich ein Bild von der Situation vor Ort. Beim Eintreffen habe die Streife einen deutlich erhöhten Geräuschpegel festgestellt. Der Polizist: "Wir haben bereits auf der Straße sehr laute Musik wahrgenommen und entschieden daher, nach dem Rechten zu sehen. Vor Ort kamen bereits drei Männer auf uns zu, darunter der Gastgeber der Feier. In der Gaststätte hatte sich schnell rumgesprochen, dass die Polizei wegen Ruhestörung angerückt ist." Laut Aussage des Beamten sei der Angeklagte, welcher zu diesem Zeitpunkt deutlich alkoholisiert gewesen sein soll, gegenüber den Polizisten beleidigend geworden und habe eine Polizistin körperlich angegriffen. Er soll diese am Kragen gepackt haben. Der Angeklagte soll Aussagen wie "Das ist lächerlich" oder "Ihr wollt mir doch nicht meinen Geburtstag kaputt machen" gesagt haben. 

Eine Nacht in Polizeigewahrsam, 72 Hämatome und "Todesangst"

Der Angeklagte selbst sagt über die Nacht seines 50. Geburtstages: "Ich bin einfach nur fassungslos, hatte mich lange auf diesen besonderen Tag in meinem Leben gefreut." Als die Beamten den 53-Jährigen, in "strengem Ton" dazu aufforderten, seinen Ausweis vorzuzeigen, verweigerte dieser die Herausgabe und wandte sich mit der Aussage "Das ist mir zu blöd" ab. Er wollte wieder in die Gaststätte gehen, da sollen die Beamten den Angeklagten laut Zeugen-Aussagen am Arm gepackt und in einem Beet vor der Gaststätte zu Boden gedrückt haben. Der Angeklagte schildert: "Die Fesseln waren viel zu eng, ich hatte Todesangst. Auf meine Schreie, man solle mich doch loslassen, wurde nicht eingegangen. Stattdessen schrie man mich an, den Arm hervorzuholen. Das ist jedoch gar nicht möglich gewesen, da ich zu diesem Zeitpunkt vollkommen bewegungsunfähig war, der Polizist auf mir lag."

"Ich hätte meinen Ausweis ja vorgezeigt, wäre man in einem anderen Ton mit mir umgegangen", betont der 53-Jährige, der insgesamt 72 Hämatome davon getragen hat. "Ich habe die Beamten während des gesamten Einsatzes weder beleidigt noch angegriffen". Anschließend wurde der Angeklagte abgeführt, auf die Dienststelle gebracht. Es folgten Blutentnahme, Erkennungsdienst und eine Nacht im Polizeigewahrsam. Der Angeklagte: "Meine Zelle war am nächsten Morgen von den eng sitzenden Handschellen voller Blut." 

Laut Angaben der Beamten soll neben Gastgeber und Gastronom noch eine weitere dritte Person in den Gesprächsakt involviert gewesen sein. Gastronom, Geburtstagskind und Gäste bestreiten das. "Es gab überhaupt keine weitere Person. Ich weiß nicht, wie die Polizei auf diese Behauptung kommt", so der Angeklagte. 

"Habe mich in diesem Moment 'stahl nüchtern' gefühlt"

Auch wenn der Angeklagte bei Eintreffen der Polizei etwa 1,6 Promille Alkohol im Blut hatte, sei er in der Lage gewesen, sich klar und verständlich auszudrücken. Als die Beamten eintrafen, habe sich der Angeklagte jedoch 'stahl nüchtern' gefühlt. "Ich wüsste nicht, inwiefern ich in dieser Situation zu einer Eskalation beigetragen haben soll. Ich habe lediglich den Ausweis verweigert, was jedoch auch auf den scharfen Ton der Beamten zurückzuführen war", so der 53-Jährige. Gastronom und Bedienung hatten laut eigenen Aussagen an diesem Abend keinen Alkohol konsumiert. "Das ist für mich an solch einem Abend selbstverständlich, schließlich tragen wir als Gastronomen eine große Verantwortung." Auch die Bedienungskraft, die an diesem Abend im Dienst war, kann das Verhalten der Beamten nicht nachvollziehen: "Ich habe die Polizei sogar noch darauf hingewiesen, dass der Angeklagte Schmerzen hat und darum gebeten, von ihm abzulassen. Jedoch wurde ich von den Beamten komplett ignoriert".

Die Auseinandersetzung zwischen dem 53-Jährigen und dem Beamten im angrenzenden Beet, soll der Sohn des Angeklagten per Video festgehalten haben. Als die Polizisten dies jedoch bemerkten, forderten sie ihn auf, das Video sofort zu löschen, was dieser auf Anweisung der Beamten ausführte. Zudem wollte der junge Mann seinem Vater, helfen, was jedoch von den Beamten als "versuchte Gefangenenbefreiung" bewertet wurde.

Laut Beamten eine "bedrohliche, absolute Ausnahmesituation"

Die Polizeibeamten schilderten eine "bedrohliche, absolute Ausnahmesituation", sie forderten sogar via Notfallknopf am Funkgerät Verstärkung an. Dass diese Taste gedrückt wird, komme nur in echten Ausnahmesituationen vor: "Ich habe während meiner gesamten Berufslaufbahn noch nie so ein Ausmaß an Aggression gegenüber uns als Polizei erlebt", so ein Beamter. Der Angeklagte sieht das anders, gibt an, sich "wie im falschen Film gefühlt zu haben". Der 53-Jährige und einige geladene Gäste der Geburtstagsfeier können die Reaktion der Beamten ebenfalls nicht nachvollziehen. "Der Gastgeber wurde vom Polizisten körperlich misshandelt, er hat heftig auf den Angeklagten eingeprügelt", so der Gastronom."

Polizei setzte Schlagstock ein

Laut Beamten soll sich der Angeklagte beim Anlegen der Handschellen stark gewehrt und um sich geschlagen haben. Seitens der Polizei kam es außerdem zum Einsatz eines Schlagstocks sowie laut Angaben einiger Zeugen seitens der Polizei zu Äußerungen wie "Mit so einem Pack haben wir es jedes Wochenende zu tun". Diese Aussage konnte von den Beamten, die von einer aggressiven Menschentraube vor der Gaststätte berichteten, jedoch nicht bestätigt werden. Geladene Zeugen der Feier, der Angeklagte, Gastronom sowie Bedienung beurteilten das Verhalten der Beamten als gewaltsam und übertrieben und können nicht nachvollziehen, was die Beamten dazu bewogen habe, weitere Streifen anzufordern. Insgesamt sollen mindestens sieben Polizeiwagen mit über einem Dutzend Polizisten, zwei Diensthunde und eine Rettungswagen-Besatzung im Einsatz gewesen sein.

Eine Aussage der Polizistin zum Geschehen steht noch aus. Am 19. April soll vor dem Amtsgericht weiter verhandelt werden. (Lea Hohmann) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön