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Viele Menschen fühlen sich mit ihren Sorgen alleine gelassen oder sind durch die Pandemie sozial so isoliert, sodass sie sich kaum einem anderen anvertrauen können. - Symbolfoto: Pixabay

REGION Eine Krise nach der anderen?

Diplompsychologe Michael Schurgacz über Bewältigungsstrategien

23.04.22 - Erst Klima, dann Corona, nun der Krieg in der Ukraine. Die Menschen werden seit langer Zeit mit erschütternden Berichten, schockierenden Bildern, existenziellen Sorgen und Zukunftsängsten überladen. Dass das auf Dauer für die menschliche Psyche zu viel ist, ist wenig verwunderlich. Viele Menschen fühlen sich mit ihren Sorgen alleine gelassen oder sind durch die Pandemie sozial so isoliert, sodass sie sich kaum einem anderen anvertrauen können.

Was das alles mit uns macht und wie man sich in derartigen belastenden Situationen dennoch helfen kann, beantwortet Psychologe Michael Schurgacz vom Helios St. Elisabeth-Krankenhaus Bad Kissingen.

Herr Schurgacz, wir erleben seit Jahren eine schwere Krise nach der anderen. Wie kann unsere Psyche das auf Dauer verarbeiten?

Michael Schurgacz Foto: Privat

Schurgacz: Überfordern multiple Krisen über einen längeren Zeitraum unsere psychischen Bewältigungsmöglichkeiten, ist zunächst mit einer Einschränkung des emotionalen Erlebensspektrums zu rechnen. Auf Deutsch: Man stumpft ab. Dies ist evolutionär sinnvoll, da für die Sicherung des eigenen Überlebens in akuten Bedrohungslagen, Gefühle eher hinderlich sind, da sie in dem Fall nur Energie verbrauchen würden. Erst nach einer Stabilisierung treten dann die unterdrückten Emotionen zu Tage und dann ist deren Bewältigung sehr komplex.

Wenn wir tagtäglich mit schrecklichen und sogar existenzbedrohenden Ängsten konfrontiert sind, was können wir tun, damit Angst nicht unseren Alltag dominiert?

Schurgacz: Hier ist aus psychologischer Sicht ratsam, dass wir Menschen unsere Emotionen auch in unseren Bezugspersonen auslösen und diese dadurch "abgemildert" werden können. Der Spruch: "Geteiltes Leid ist halbes Leid" gibt das ganz gut wieder, glaube ich. Aber darf das Gegenüber dadurch keinesfalls überfordert werden, da es dies für alle Beteiligten dann noch schlimmer machen würde. Meine durchaus realen Ängste sollte ich also nicht noch ängstlicheren Menschen oder gar Kindern zumuten.

Was kann man selbst tun, wenn man aufgrund der Tragweite der Krisensituation in einer Form von Angststarre verharrt?

Schurgacz: Akute Angststarre resultiert im Wesentlichen daraus, gegenüber einem mehr oder weniger unlösbaren Problem nicht zu handeln und wie gelähmt zu sein. Hier helfen klare Alltagsstrukturen, wie z. B. Arbeit, Essen zubereiten, Haushalt usw. In der akuten Angststarre, wenn möglich, sollte man die Situation sofort verlassen, z.B. nach draußen gehen und die Umgebung wechseln.

Was machen die Bilder aus der Ukraine mit unserer Psyche?

Schurgacz: Bilder erzeugen Emotionen. Der Versuch, sich etwas davon abzugrenzen, mag kühl wirken, kann aber helfen, sein emotionales Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.

Was würden Sie einem Kind sagen, dass Angst vor dem Krieg oder vor einer anderen Krise hat?

Schurgacz: In jedem Fall zuhören und ernstnehmen. Keinesfalls versuchen zu überzeugen oder einzureden, dass die Ängste "falsch" oder nur eingebildet seien. Dies wäre eine Verletzung der emotionalen Befindlichkeit. So können im schlimmsten Fall Persönlichkeitsstörungen ausgelöst werden.

Was können Leute tun bzw. wohin können sich Menschen wenden, die noch immer mit den Folgen der Corona Pandemie zu kämpfen haben?

Schurgacz: Die Bearbeitung der Folgen der Corona-Epidemie nimmt nach meiner Kenntnis aus dem Kontakt mit niedergelassenen Therapeuten immer mehr Raum in den ambulanten Psychotherapien ein. Die medizinischen Angebote bspw. bei long-covid sind in der Entwicklung und werden evaluiert. (pm) +++


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