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Diakonie-Geschäftsführer Stefan Burkard stellt Flugblatt-Aussagen richtig
01.05.22 - "Alle Menschen haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Dies ist ein Grundrecht für jeden Menschen. Unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts kann deshalb grundsätzlich jeder Mensch mit Behinderung entsprechend seinen individuellen Bedarfen wohnen und sein Leben gestalten. Das ist das Ziel des Bundesteilhabegesetzes und unser Auftrag. Deshalb ist es auch richtig so, dass sie im Tanner Stadtbild präsent sind, wenn sie es wollen. Außerdem liegen uns keine Kenntnisse vor, dass langjährige Gäste dem Luftkurort Tann den Rücken kehren, weil Menschen mit Beeinträchtigung eine Belästigung darstellen." Mit diesen Worten reagiert Stefan Burkard, Geschäftsführer der Tanner Diakonie, auf ein Flugblatt der Kommunalpolitiker Andrea Willing, Klaus Dänner und Brunhilde Fischer.
Darin heißt es unter anderem, dass sich die Kernstadt Tanns zu einer "Sonderwelt" entwickle, weil die Präsenz des Tanner Diakoniezentrums allgegenwärtig sei. Ferner heißt es in dem Blatt, dass im Marktplatzbereich eine Konzentration von Touristen und Klienten des Diakoniezentrums vorliege und Berührungspunkte unausweichlich seien. Das Verhalten – wie zum Beispiel mangelnde Distanz – wollten viele Touristen "nicht aushalten".
"Ich werde das Niveau des Papiers nicht bewerten", sagt Stefan Burkard, "doch bedarf es in vielen Punkten einer Richtigstellung". Es werde generell politisch angestrebt, dass Menschen mit Beeinträchtigungen ein normales Leben führten. Dazu gehöre auch, dass sie – wie alle anderen Menschen – in kleinen, dezentralen und mitten im Ort eingebundenen Wohnungen lebten. "Diese Entwicklung hat die Tanner Diakonie schon sehr früh gepflegt, deshalb wird es auch nicht zum Bau von Großeinrichtungen durch uns kommen", sagt Burkard. Das würde auch nicht vom Kostenträger, dem Landeswohlfahrtsverband Hessen, toleriert.
"Wir hören von Betroffenen immer wieder, dass diese eine komplette Infrastruktur mit barrierefreiem Wohnraum, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitgestaltung, ärztlicher und therapeutischer Versorgung mit Friseur, Apotheke und ÖPNV als Lebensraum ganz klar vorziehen", berichtet Burkard. Deshalb würden Wohneinheiten in strukturschwachen Orten nicht angenommen.
Generell sei die Aufwertung Tanns mittels des IKEK-Programms von grundlegender Bedeutung. "Es ist aber völlig offen, ob weitere Betreuungsplätze in die Kernstadt verlagert werden sollen. Ich habe einen offenen Dialog durch Bürger- und Anliegerversammlungen angestoßen, damit sich der Sozialraum mit und nicht gegen die Bürgerschaft entwickeln kann."
Burkard weist darauf hin, dass die Tanner Diakonie als gemeinnützig anerkannte Einrichtung von Steuerzahlungen befreit sei. Dennoch leiste die Tanner Diakonie fiskalisch einen Beitrag über Schlüsselzuweisungen, Anteile an der Umsatzsteuer und Anteile an der Einkommenssteuer in Höhe von mehr als 80.000 Euro jährlich.
Zum "Jungsches Anwesen" in der Tanner Marktstraße 12, das sich im Besitz der Tanner Diakonie befindet, sagt Burkard: "Hier muss baulich etwas passieren, da sich eine Sanierung oder Renovierung wohl nicht lohnen wird." Wie viele Eigentümer von Liegenschaften wolle auch die Tanner Diakonie das IKEK-Programm nutzen, um die Finanzierung auf mehrere Füße zu stellen. "In allen Besprechungen habe ich gesagt, dass wir die Liegenschaft nicht entgegen der Interessen der Stadt Tann und der Bürgerschaft entwickeln wollen", sagt Burkard. Das "Jungsche Anwesen" könnte daher auch wohnwirtschaftlichen oder touristischen Interessen zugeführt werden: "Dann verabschiedet sich die Tanner Diakonie von diesem Standort." (pm)+++