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Großer Vernissage am Freitagabend. - Fotos: Erich Gutberlet

FULDA Sculpturen von Ulrich Barnickel

Vernissage: Was bleibt? – Spurenverwertung Stirb nicht vor Deiner Zeit

05.06.22 - Am Freitag, 3. Juni 2022, um 18 Uhr eröffnete die Galerie&Kabinett eine neue Ausstellung, die einem seit Jahrzehnten in Fulda tätigen Künstler gewidmet ist. Sein wohl bekanntestes Hauptwerk der "Weg der Hoffnung” steht an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, in der Nähe der Gedenkstätte "Point Alpha” bei Geisa in der Rhön und ist ein eigenständiger Versuch der Aufarbeitung der leidvollen deutschen Geschichte in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Doch nicht nur in Fulda und Umgebung, sondern weltweit – an mittlerweile knapp 200 Orten – können im öffentlichen Raum und Museen dem Werk von Ulrich Barnickel betrachtet werden.

Eine Ausstellung stand im Fokus.

Künstler Ulrich Barnickel.

In wenigen Worten und doch sehr überzeugend erfasste die Erfurter Kunsthistorikerin Dr. Ingrid Maut die Grundprinzipien seines Werks: "Künstlerisches Schaffen bedeutet für Ulrich Barnickel vor allem Denken und Arbeiten mit Eisen und Stahl. Wie kaum ein anderer kennt er die Möglichkeiten und Grenzen des Materials als bildnerisches Gestaltungsmittel. Ihn reizt die enorme Stabilität des Materials, die selbst bei relativ kleiner Standfläche vergleichsweise große Spannweiten im Raum aushält. Bearbeitungs- und Arbeitsspuren werden nicht getilgt, sondern entwickeln sich zu einer spezifischen Oberflächenstruktur. Das Fragmentarische wird zum Gestaltungsprinzip.  Kompaktheit und Fragilität bilden die Pole ihrer körperlichen Präsenz und gelten als Metapher des Widerspruchs für menschliche Existenz ... "

Das prozesshafte, ein besonders wichtiger Aspekt der Arbeiten von Ulrich Barnickel, betont in einem Aufsatz Prof. Dr. Karl Schawelka von der Bauhaus Universität Weimar: "Ulrich Barnickel gewinnt dem Prozess …anthropomorphisierende Gestaltungen ab, die aus dem Herstellungsprozess nicht ohne weiteres hervorgehen, sondern in einer gewissen Spannung zu ihm stehen, eine Spannung zwischen ablesbarer, ehrlicher Herstellung, der er die Hauptaussage seiner Werke anvertraut und der dennoch erzielten Zartheit der Empfindung... Mit Eisen muss ein Volumen eher umschreibend geschaffen werden, weshalb das Thema der positiven und negativen Räume, das Barnickel stets am Herzen liegt, hier besonders zum Tragen kommt. In den Vorder- und Rückseiten seiner Werke, die stets zusammen gesehen werden müssen, thematisiert er diese Verhältnisse. … Statt weicher, pulsierender, nachgiebiger Haut, …finden wir bei ihm befleckte, Ulrich Barnickel im Atelier an Feuer gemahnende Schwärze, abgeplatzte Farbreste oder Rost, wenn nicht gar gewaltsame mechanische Einwirkungen. … Es geht Barnickel nicht um Nachahmung, sondern um einfühlbare, vom Körper abgeleitete Metaphorik. …. Die alten Menschheitsfragen: Wer sind wir, woher kommen wir, was heißt es, ein Mensch zu sein, wozu sind wir hier, denen wir eben auch in prähistorischen Sammlungen nachsinnen, beantwortet er auf seine Weise und für unsere Zeit. … "

Auch der Künstler formuliert eigene Gedanken, die den Zugang zu seinem Werk zu erleichtern suchen: "Es geht mir weder, um die Adaption von Formmotiven, die Übersetzung von bestimmten, eventuell bereits existierenden Formen in die eigene Formensprache noch das rein handwerkliche Wiederholen von nach dem Modell gefertigten Formen. Wichtig ist mir die Spontanität im Arbeitsprozess mit ihren zeitimmanenten Strukturen, zeitgleich die Beobachtung sowie Nutzbarmachung der eigenen Arbeitsmethode für den gestalterischen Bereich. Das Sichtbarmachen des Arbeitsprozesses bringt wesentliche Momente zu Tage, die eine neue Art Gestaltung demonstrieren, wenn ganze Prozesse einfließen. Auf dem Gebiet der Metallplastik können Abdrücke, Abrisse bzw. Abscherungen, Verbindungsstellen sowie Brenn- und Schweißnähte z.B. als Spuren und als Sinnbild des Gewesenen verstanden werden. Nicht die Erscheinung eines Objektes an sich ist interessant, sondern die Veränderung, die es während des Arbeitsprozesses erfuhr."

Der Künstler weiter: "Eine Besonderheit liegt in der möglichen Offenheit des Objektes in dem Sinn, dass es keine Trennung zwischen Innen und Außen gibt und der damit verbundenen Zweiansichtigkeit, die sich architektonischen Raumauffassungen annähert, sowie der Möglichkeit des verschiebbaren Gleichgewichtes im Bezug des Bodenpunktes zum Oberteil. Als Blech- bzw. Hohlform ist ein Metallobjekt Ausgangspunkt für die Untersuchung des Masseverhältnisses des Raumes. Das Innen und Außen einer plastischen Arbeit wurde mir bei meiner Arbeit deutlich, da ich ja meist von innen nach außen vorgehe. Metall ist dabei nicht Masse, sondern Struktur - geistiger und physischer Raum in graphischer Struktur- die ein Volumen ersetzt. Dabei besteht die Metallgestaltung nicht nur aus Oberfläche, aus Metallhaut bzw. ist auch nicht monolithischer Klotz, sondern ist bewegungsimmanentes, luftig leichtes Volumen- ähnlich einem zerknautschten Taschentuch aus Papier. Mich interessiert die Spannung zwischen Statik und Dynamik."

Die zwei sehr aktuellen Themen der Ausstellung definiert Barnickel in einer nur ihm eigenen Weise:

"Was bleibt?" Eine Spurenverwertung

"Worin besteht der Sinn des Lebens? Wie kann ein Mensch seinem Leben einen Sinn geben, wenn er aus dessen vollster Blüte herausgerissen wird? Dieser Sinn ist keinesfalls, mit 18 oder 25 Jahren in einem Krieg zu sterben, der von Anbeginn sinnlos erscheint und wohl auch ist. Sun Tzu -der Meister der Sonne- lebte 544–496 v.u.Z. und war chinesischer General, Militärstratege, Schriftsteller und Philosoph. Sun Tzu gilt traditionell als Autor von "The Art of War". Sein Denken dreht sich jedoch mehr um Alternativen zum Kampf wie: "Der klügste Kämpfer ist der, der nicht kämpfen muss." …und: "Ein guter Anführer geht mit gutem Beispiel voran und nicht mit Gewalt." Ich selbst habe vor vielen Gräbern gestanden ob bekannter oder unbekannter Gefallener- ob in Namibia, Frankreich, Polen Russland oder Deutschland. Erich Maria Remarque oder Ernst Jünger beschreiben den Krieg ebenso, wie ihn eine große Zahl an Künstlern (wie Maler und Graphiker, Bildhauer und Schriftsteller) darstellt. Viele haben ihn angelebt und dabei ihr Leben verloren.

Warum lernt die Menschheit nicht aus ihrer Geschichte? Im Gedichtband "The people, yes" schreibt Carl Sandburg 1936: "Stell Dir vor, es kommt Krieg und keiner geht hin." Was ist nur daraus geworden? Wie stellt sich unsere Politik diesem Problem? Haben wir nicht schon genug deutsche Spuren gerade in den letzten 150 Jahren auf der Welt hinterlassen? Das ergibt keinen Sinn- nur Unsinn. Momentan ist G. Orwell nach 1948- 1984 zurück - alles wird ins Gegenteil verkehrt. Leider siegt nie die Vernunft und es werden Dinge verknüpft, die nur bedingt zusammen gehören. Wo geht die Reise hin mit angeschlagenem Gesundheitssystem, desolatem Bildungssystem, ebenso Verkehrswesen, Justiz, Land- und Forstwirtschaft, Automobilindustrie und Energiewirtschaft, generell geschwächter Wirtschaft mit totaler Abhängigkeit von China und dem mangelhaften Sozialwesen? Kein Wunder wenn man als Führungskraft vor allem in der Politik nicht fachspezifisch ausgebildet ist bzw. keine Vorbildung oder einen geeigneten - wenn überhaupt - Studienabschluss hat. Auch hier muss das Leistungsprinzip gelten. Denn: Jeder Handwerker muss sich ständig zertifizieren und weiterbilden.

P-öpfe

Ich habe in den vergangenen Wochen Politikerköpfe gestaltet - als Karikatur: Zyklus "P-öpfe", deren Spuren wir verfolgen wollen. Als "Die Köpfe" oder "Kluge Köpfe" werden stets Führungspersönlichkeiten gesehen und bezeichnet. Die Bezeichnung "Kopf" kommt aus dem Romanischen bzw. Spätlateinischen und bedeutet "Cuppa" – also Becher. Zum Gebrauch sollte dieser aber keinesfalls leer oder gar hohl sein...Sozial, politisch und kulturell ist der Kopf zentrales Merkmal des Menschen. Bei der künstlerischen Darstellung eines Menschen spielte der Kopf stets eine bedeutende Rolle, man findet über realistische Abbildungen jedwede Abstraktionen bis zu Karikaturen. Diese wiederum haben den Sinn, charakteristische Züge einer Person, einer Sache oder eines gesellschaftspolitischen Ereignisses ins Lächerliche zu ziehen - sollen jedoch zum Nachdenken anregen bzw. den "Betroffenen" Anlass geben, in sich zu gehen und eine sachliche oder moralische Veränderung ihrer selbst anzustreben. Ein Novum meiner Arbeiten ist hier der QR code am rückwärtigen Teil der P-öpfe, der die jeweilige Sculptur sprechen lässt."

Die Ausstellung bleibt bis zum 16. Juli 2022 eröffnet: Dienstag bis Freitag 10-12 und 17-18 Uhr, Samstag 10-12 Uhr. 

Biografie

Barnickel wurde in Weimar geboren. Zunächst absolvierte er eine Ausbildung zum Schmied. Barnickels künstlerischer Weg begann an der berühmten Burg Giebichenstein bei Halle, wo er 1978 bis 1984 ein Studium zum Metallbildhauer bei Prof. Irmtraud Ohme absolvierte. 1984 wurde er von den DDR-Behörden ausgebürgert. Ulrich Barnickel gilt als einer der eigenständigsten Metallbildhauer Deutschlands. Kennzeichnend für sein Werk sind große, aus Rohren, Stangen sowie flächigen Elementen durch Schmieden, Schweissen und weiteren Bearbeitungstechniken erstellte Figuren, deren Körper aus einer geknautschten Metallhaut bestehen. Offene Formen faszinieren den Bildhauer. Sie ermöglichen einen Blick in die positive und die negative Form einer Skulptur und brechen die starre monolithische Wirkung dreidimensionaler Bildnisse auf. Häufig sind es mythologische Figuren, die der Künstler in einen allgemeinmenschlichen Zusammenhang stellt. Im öffentlichen Raum erschuf er bisher 167 Arbeiten weltweit. Seine Werke stehen beispielsweise in Paris, New York, Istanbul, Izmir und Havanna. Dabei ist es vornehmlich der Werkstoff Metall, aus dem der Bildhauer seine figurativen Abstraktionen formt. Seit 1989 rege Ausstellungstätigkeit. Sein Giebichensteiner Erbe hat er immer hoch geschätzt und promovierte 2007 mit einer Arbeit über die "Metaller an der Burg – von der angewandten Metallkunst zur Stahlplastik" an der Bauhaus-Universität Weimar zum Dr. phil. Ulrich Barnickel lebt seit 1987 im hessischen Schlitz, im ehemaligen Lochkartenwerk Konrad Zuses und seit 2015 wieder in Weimar. Weitere Infos unter : www.ulrich-barnickel.de (pm) +++


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