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Die Predigt in der Messfeier vom Samstagmorgen im Hohen Dom zu Fulda von Bischof em. Heinz Josef Algermissen veröffentlichen wir im Wortlaut. - Archivfoto: O|N / Martin Engel

FULDA Messfeier am Samstagmorgen

Walldürnwallfahrt 2022: Predigt von Bischof em. Algermissen

11.06.22 - Die Predigt in der Messfeier vom Samstagmorgen im Hohen Dom zu Fulda von Bischof em. Heinz Josef Algermissen veröffentlichen wir im Wortlaut:

Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer!

Paulus, der von Beruf Zeltmacher war und in Korinth auch beim Zeltmacher Aquila gearbeitet hat (vgl. Apg 18, 2f), vergleicht das Erdenleben mit einem Aufenthalt auf dem Weg und im Zelt (vgl. 2 Kor 5, 1). Wer lebt in Zelten? Beduinen in der Wüste, die heute hier und morgen dort ihre Herden weiden. Soldaten im Feld oder im Manöver. In Zelten lebt, wer nur für kurze Zeit an einem Ort weilt und stets bereit sein muss, aufzubrechen und anderswohin zu ziehen. So ist – nach Paulus – auch unser Leben hier auf der Erde verhältnismäßig kurz, und wir sind unterwegs zu einem fernen und endgültigen Ziel.

Diese Grundbefindlichkeit des menschlichen Lebens stellen Sie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, in den nächsten Tagen auf der Wallfahrt nach Walldürn dar. Sie brechen auf, sind unterwegs, mitunter bis zur Erschöpfung, rasten, um in der Erschöpfung neue Kraft zu finden. Danach brechen Sie wieder auf, beten, singen, schweigen. Und nach vier Tagen solchen Unterwegsseins kommen Sie an am Ziel in Walldürn und feiern dort einen großen Gottesdienst. Dieses Ankommen nach langer Wanderung ist je auch ein Symbol für das Ankommen im himmlischen Jerusalem. "Manchmal steht einer auf und geht, weil irgendwo im Osten eine Kirche steht", sagt der Dichter Rainer Maria Rilke in einem von Russland erzählenden Gedicht seines Stundenbuches. Aufstehen und für eine Zeit lang weggehen aus seinem Alltag hin zu einem heiligen Ort, das ist Wallfahrt. Der zu Fuß Pilgernde erfährt den langen, durch Hitze, Schatten und Regen bergauf und bergab führenden Pilgerweg als Symbol seines Lebens. Ein Element der Mühe ist jeder echten Wallfahrt eigen und wird so zum Gleichnis für die Mühe des Suchens nach dem richtigen Weg, des Fragens nach Sinn, der Suche nach Gott.

Diese mühselig beglückende Erfahrung durfte ich in meiner Zeit als Studentenpfarrer (1974-1980) mit meinen Studentinnen und Studenten über Jahre je Anfang Mai im Rahmen der Internationalen Studentenwallfahrt von Paris nach Chartres teilen — mit 8.000 anderen auf einem Weg von gut 80 Kilometern, gemeinsam beten und singen, miteinander sprechen, des Nachts in offenen Scheunen schlafen, gemeinsam essen und trinken. Und dann am Sonntagabend die Ankunft in der herrlichen gotischen Kathedrale zu Chartres, wo alle erschöpft, aber in Freude zur großen Abschlussmesse zusammenkamen. Da war, bildlich gesprochen, der Himmel offen. So offen, wie ich ihn danach nur noch selten erlebt habe. Beschränkungen des Leibes und der Seele fielen von uns ab, Wunder ereigneten sich. Spätabends, nach der großen Abschlussmesse, versuchten dann noch viele, trotz aller Erschöpfung, den Weg des Labyrinths im Innenraum der Kathedrale zu gehen.

Dieses Labyrinth hat einen Durchmesser von 12,5 bei einer Lauflänge von 305 Metern. Wer sich von außen auf den Weg des Labyrinths begibt, steuert direkt und ungehindert, nur kurz durch einen Schlenker umgeleitet, auf die Mitte zu. Vielleicht wähnt er schon, am Ziel zu sein. Da führt ihn der Weg um die Mitte herum, lässt ihn noch einen Halbkreis lang die Nähe der Mitte erfahren und bringt ihn dann richtig in die Wirrungen des Labyrinths hinein. Schließlich findet er sich ganz an der Peripherie wieder und wird dort endlos entlanggeschickt. Er verliert die Mitte aus den Augen, obwohl er sie doch schon ständig umkreist. Endlich gelangt er dort an, wo er aufgebrochen ist. Aber an diesem Punkt, da er eigentlich keinen Fortschritt zu erkennen vermag, die Mühsal des Weges für vergeblich halten und aufgeben möchte, biegt der Weg auf die Mitte zu und führt ihn jetzt direkt und unmittelbar zum Ziel, in das Zentrum hinein.

Der Weg des Labyrinths steht für alle Wege menschlichen Suchens. Im Kontext der gotischen Kathedrale wird er zum Symbol unserer Lebens- und Berufungsgeschichte, deren Ziel und Mitte Jesus Christus selber ist. Eine solche Erfahrung des Ankommens in der Mitte, nach langem Weg und heftigem Suchen, wünsche ich Ihnen auf diesem vor Ihnen liegenden Wallfahrtsweg nach Walldürn. Und am Ende das Hinfinden zu Jesus Christus, der "Weg, Wahrheit und Leben" (Joh 14, 6) ist. Amen. (pm) +++


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