Archiv
Erinnerungen an einen "streitbaren Journalisten"
12.06.22 - Wenn in Bad Hersfeld etwas los war, dann war meistens auch Bodo Neumann dabei. Als Alleinkämpfer berichtete er in seinem "Extra Blatt" über Stadtpolitik, Kunst und Kultur und nicht zuletzt über Feste und Feiern. Am Freitagabend erreichte die Redaktion von OSTHESSEN|NEWS die Nachricht vom Tode des Bad Hersfelder Journalisten.
"Wir haben einige Projekte zusammen gemacht", erinnert sich Jürgen Herberg von "Fantastic Radio" im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. "Bodo und ich hatten eine Art Agreement, dass wir bei gemeinsamen Sachen neutral berichten", sagt Herberg. Denn Bodo Neumann war dafür bekannt, in seinem kostenlos in der Innenstadt verteilten "Extra Blatt" politisch gerne Stellung zu beziehen. "Wir haben live aus dem Löwenkäfig im Zirkus Krone gearbeitet. Auch ein Interview mit Dieter Wedel auf der Terrasse des Hotel Thermalis, das auf Youtube zu finden ist, gehört zu meinen bleibenden Erinnerungen", so der Radiomacher.
Bodo Neumann stammte aus Lübeck und arbeitete nach seiner journalistischen Ausbildung für namhafte Zeitungen, erinnert sich Herberg. Er lebte seit Jahrzehnten in Bad Hersfeld und behauptete sich mit 471 14-tägig erscheinenden Ausgaben mit seinem "Extra Blatt" gegen andere Printmedien. "Er hat das aus dem Nichts aufgebaut und hatte viele Gegner, die ihm Knüppel zwischen die Beine werfen wollten", so Herberg. "Aber er hat immer seine Meinung vertreten."
Seit Mai im Krankenhaus
"Ich habe ihn schon einige Zeit nicht mehr gesehen. Am 5. Mai wurde Bodo aufgrund eines sehr schlechten Allgemeinzustandes ins Klinikum Bad Hersfeld eingeliefert. Später wurde er verlegt, aber keiner wusste, wohin." Die Nachricht vom Tod Neumanns habe Herberg von Bad Hersfelds Bürgermeister Thomas Fehling erhalten, zu dem Neumann immer eine politische Nähe pflegte. "Die Nachricht von Bodos Tod hat mich ganz schön umgehauen", so Herberg.In den letzten Jahren saß Neumann nach mehreren medizinischen Behandlungen im Rollstuhl. Mit seinem elektrischen Gefährt war er im Stadtbild und bei Presseterminen kaum zu übersehen. "Der Vorteil ist, dass ich jetzt immer einen Sitzplatz habe", soll er laut Herberg selbstironisch geäußert haben. "Er war ein Kämpfer: Er hat sich nicht unterkriegen lassen", sagt Jürgen Herberg über seinen Kollegen. Für das "Extra Blatt" war Neumann Verleger, Chefredakteur, Fotograf, Anzeigenchef und vieles mehr in einer Person. "Er war gut in der Stadt vernetzt", sagt Herberg.
Letztes "Extra Blatt" im April
In Bad Hersfeld wurde durchaus wahrgenommen, dass seit April kein "Extra Blatt" mehr in den kleinen Läden auslag. Die letzte Ausgabe trägt das Datum vom 20. April und die Ausgabennummer 471. Die ehemalige Bad Hersfelder O|N-Redakteurin Stefanie Harth berichtet, dass Neumann Mitte Mai zum letzten Mal bei "WhatsApp" online war. "Da habe ich mir schon Gedanken gemacht", so Harth. Neumann habe auch Kolleginnen und Kollegen auf Ideen zu Geschichten und Artikeln gebracht, die er aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst erledigen konnte."Lieber Bodo, es war mir eine große Ehre, mit Dir in den letzten 15 Jahren so viele gute Gespräche sowohl privat als auch zum Wohle unserer Stadt Bad Hersfeld zu führen. Du bist dabei zu einem guten Freund unserer Familie geworden", schrieb der FDP-Stadtverordnete Bernd Böhle am Freitagabend auf "Facebook". Er nennt Neumann einen "Macher" und "tiefsinnigen Analysten". Böhle erinnert daran, dass Neumann ein "streitbarer Journalist gewesen ist, der die Grenzen des Machbaren ausgetestet hat", manchmal aber auch "weit darüber hinaus gegangen" sei. "Mach's gut, alter Freund. Und schau uns von oben ab und an mal zu. Wir hier in Bad Hersfeld werden Dich stets in guter Erinnerung behalten", schreibt Böhle. (Christopher Göbel) +++