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Vermutlich mit diesen Bus sind die Kinder mit den Schwestern verlegt worden... - Archivbild

Björn Bierent von der Projektgruppe Widerstand des St. Antoniusheimes in der "NS-Zeit". - Fotos: Hans-Hubertus Braune

21.07.09 - FULDA

So retteten Schwestern behinderte Kinder - das Antoniusheim in der NS-Zeit

Björn Bierent hat sich mit einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte beschäftigt - den Gräueltaten während des Nazi-Regimes. Verantwortliche des katholischen Sankt Antoniusheimes in Fulda hatten sich gegen die nationalsozialistische Ideologie - in der es keinen Platz für behinderte Menschen gab - gewehrt und ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um die ihnen anvertrauten Menschen im Antoniusheim zu retten. "Widerstand des St. Antoniusheimes in der NS-Zeit", heißt die Dokumentation von Björn Bierent und einer Projektgruppe, die gestern Abend im Antoniusheim unter dem Motto "Spurensuche im Antoniusheim" öffentlich präsentiert wurde.

Der 32-jährige Bierent hatte während seiner Zivildienstzeit im Antoniusheim aus Erzählungen von der "Rettungsaktion Schwarzbach" erfahren. Am 10. August 1941 wurden zwölf Bewohner des Antoniusheimes nach Schwarzbach umgesiedelt. Schwester Hedda fuhr zunächst mit acht Kleinkindern nach Schwarzbach in die Rhön und versteckte die jungen Menschen vor den Kontrolleuren der Nationalsozialisten. Sie begab sich damit in Gefahr. Doch im dortigen Schwesternhaus waren die behinderten Menschen vor der Verfolgung durch die Nazis einigermaßen sicher. Durch verschiedene "Verlegungen" konnte die planmäßige Vernichtung der Bewohner durch das NS-Regime verhindert werden.

Der junge "Zivi" war bewegt von diesen Ereignissen und beschäftigte sich anschließend während seines Studiums mit der Zeitgeschichte - speziell im Antoniusheim - und den Folgen des Nationalsozialismus. Seine Dokumentation, die zusammen mit Steffi Gröger, Christina Maier und Tanja Preis entstand, ist allen Menschen gewidmet, die unter der "NS-Euthanasie" und der Vernichtung angeblich "unwerten Lebens" zu leiden hatten. Gestern Abend stellte Bierent das Ergebnis seiner jahrelangen Beschäftigung auf einer Veranstaltung, die vom Stadtverband der CDU organisiert wurde, vor.

Im Aufenhaltsraum der Wohngemeinschaft "Josef" im Antoniusheim schilderte Björn Bierent vor zahlreichen Zuhörern die Geschehnisse zwischen 1937 bis 1941. Am 13. Juni 1937 erhielt das Antoniusheim die Anordnung des Oberpräsidenten In Kassel, dass alle Bewohner in bezirkseigene Anstalten verlegt werden sollen. Die Schwestern und Verantwortlichen des Antoniusheimes wehrten sich dagegen, trotzdem wurden am 21. und 22. Juli 1937 - also vor genau 72 Jahren - 43 Kinder nach Hephata (Schwalmstadt-Treysa) und 47 Männer und Frauen nach Haina und Merxhausen verlegt.

Schriftliche Schilderungen aus der damaligen Zeit zeigen auf, welch schwierige und seelisch belastenden Situationen die hautnah beteiligten Menschen erleben mussten. Ein weiteres einschneidendes Datum ist der 6. August 1941. Das Antoniusheim schloss einen Vertrag mit der Heeresverwaltung. Das komplette Haus sollte künftig als Lazarett genutzt werden. Der Oberpräsident in Kassel wollte dagegen im Antoniusheim "evakuierte Kinder" unterbringen. Doch die damalige Leitung des Antoniusheimes entschied sich gegen diese Nutzung. Innerhalb einer Woche wurden die 130 Antoniusheimbewohner verlegt. Wenig später wollte der Oberpräsident die Aufenhaltsorte der "verlegten" Bewohner wissen, Der damalige Bischof Dietz untersagte die Auskunft. Durch diesen Einsatz des Antoniusheimes mit seinen verschiedenen Schwesterhäusern, des Vorstandes des Caritasverbandes und des Bischofs konnten die Bewohner des Antoniusheimes vor der geplanten Ermordung gerettet werden.

Mit einem Zitat des Theologen Prof. Dr. Martin Stöhr (Bad Vilbel), dem langjährigen Präsidenten des Internationalen Rates der Christen und Juden und Vorsitzenden der Martin-Niemöller-Stiftung, - erschienen in der Frankfurter Rundschau - schloss Björn Bierent seinen Vortrag gestgern Abend: "...Die Opfer von damals behalten ihre Würde. Wir behalten die unsere aber nur dann, wenn wir uns nicht an der Entwürdigung der Opfer durch Gedankenlosigkeit und Vergesslichkeit beteiligen. Wir haben genau zu fragen, was damals geschah und warum es geschehen konnte. Wer heutzutage und hierzulande sagt: Macht Schluss damit, wer sich zum Rechenschieber und Ausgewogenheitsfunktionär macht, wer sagt, wir sind eine neue Generation, wir haben aus der Geschichte gelernt - der tötet die Toten noch einmal..." (Hans-Hubertus Braune) +++


....stellte die Ergebnisse der Recherchen am Montagabend im Wohnraum der Josef-Gemeinschaft im Antoniusheim vor.

Thomas Bach, Stadtverbandsvorsitzender der CDU in Fulda.


Das Antoniusheim am Stadtrand von Fulda.


Reiner Sippel, Geschäftsführer des Antoniusheimes.

Alja Epp-Naliwaiko, Kreistagsmitglied der Grünen ist Nichte von Schwester Adolfine Fabra.



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