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Der Ukrainer Aschot Aivasian während seiner Yoga-Stunde im Freien. - Fotos: Maria Franco

FULDA Ukrainisches Wiedersehen im "Wohnzimmer"

Namasté: Yoga-Lehrer Aschot Aivasian will seine Glücksquelle teilen

29.07.22 - "Pures Glück" empfindet Aschot Aivasian, geht es um seine beiden Leidenschaften Musik und Yoga. Der Ort ist irrelevant. Sei es in der ukrainischen Stadt Kiew oder in Fulda. Denn der Krieg hat auch seine Welt auf den Kopf gestellt. Gemeinsam mit seiner Familie musste er von jetzt auf gleich fliehen. Über 1.700 Kilometer liegen nun zwischen seinem alten und neuen Leben. Das "Welcome In!"-Wohnzimmer spielt dabei eine entscheidende Rolle, ist eine Art sozialer Rettungsanker – und führt zwei durch das Schicksal zerrüttete Menschen durch Zufall wieder zusammen.

Ein langer Weg liegt hinter dem 67-Jährigen, seiner Frau Jeanna Symonian und Tochter Maria. "Wir sind am 9. März aus Kiew geflohen und waren mit dem Zug unterwegs. Nach einem Aufenthalt in der Marburger Notunterkunft kamen wir am 4. April schließlich nach Fulda." Wenige Tage später bekamen sie ein Angebot, bei einer einheimischen Familie unterzukommen. "Das war zunächst natürlich ein komisches Gefühl, aber uns haben sehr nette Menschen bei sich aufgenommen. Wir sind sehr dankbar", erklärt das Paar. Trotz der sprachlichen Barriere finden sich die Ukrainer im Alltag zurecht, erweitern täglich ihren deutschen Wortschatz. 

"Welcome In" - ein Ort voller Begegnungen

Einfach abschalten vom Alltag in der Natur.

Ein wichtiger Treffpunkt in der Domstadt: der Stadtteiltreff Fulda Innenstadt, auch bekannt als "Welcome In! Wohnzimmer", in der Robert-Kircher-Straße. "Dort haben wir uns gleich wohlgefühlt, konnten Kontakte knüpfen und vor allem unsere Talente einbringen", sagen die beiden. Besonders Aschot kann sich hier entfalten: "Nach drei Monaten konnte ich endlich wieder singen, mit Gitarre und Akkordeon. Ein wirklich befreiendes Gefühl. Es gibt mir Freude und innere Ruhe." Auch der Sport in Form von Yoga sei ein wichtiger Teil von ihm. "Ich möchte meine Liebe und Inspiration an die Menschen weitergeben. Jeden Dienstagabend lade ich alle dazu ein, mit uns in die Fulda Auen zu gehen und mitzumachen. Um 18 Uhr starten wir gemeinsam vom 'Wohnzimmer' in Richtung Park."

Schicksal führt zusammen

Im "Wohnzimmer". V.l.n.r, hintere Reihe: Jochen Kohlert (Leiter des Stadtteiltreffs ...

Das "Wohnzimmer" feierte Ende Mai sein fünfjähriges Bestehen. Ein großes Stadtteilfest mit vielen unterschiedlichen Akteuren. Dass der Yoga-Lehrer genau dort auf eine seiner Kursteilnehmerinnen aus der Heimat trifft, hätte wohl keiner auch nur ansatzweise geahnt. Sofiya Reznichenko traute ebenfalls ihren Augen nicht. Gegenüber O|N erklärt sie: "Ich bin mit meinen drei Kindern am 7. März hierhergekommen. Am 23. Februar war ich noch zuhause im Sportclub und bei Aschot im Kurs. Dann war Krieg und der Kontakt riss ab. Ich war so überrascht, ihn nun hier wiederzusehen. Vielleicht ist es Schicksal." Aschot habe sie daraufhin gleich zur Yoga-Stunde eingeladen. Ein Stück Normalität. "Man spürt einfach diese Energie und Lebenskraft bei ihm - das ist wirklich eine Seltenheit." Auch im Verein hat Sofiya ihren Platz gefunden. Sie ist Anwältin, fühlt sich aber eher zur Künstlerin berufen. Ihre kreative Ader lebt sie hier aus und stellt derzeit ihre Werke im "Wohnzimmer" aus. "Meine Bilder verkörpern einfach einen Teil meiner Seele, meine Gefühle", so die 39-Jährige.

"Neue Herausforderungen gemeinsam meistern"

Jochen Kohlert, Leiter des Stadtteiltreffs Innenstadt, blickt auf die vergangenen Monate zurück: "Der Ukraine-Krieg hat uns vor große Herausforderungen gestellt." Ein neues Netzwerk aus hilfsbereiten Menschen musste in Kürze geknüpft werden. "Die Stadt hat uns da zum Glück sofort Unterstützung zugesichert." Besonderer Dank gelte Elena Martou (28), Studentin aus Griechenland, die seit drei Jahren in Fulda lebt und Interkulturelle Kommunikation an der Hochschule studiert. Mithilfe der zusätzlichen Förderung der Stadt ist Martou zunächst bis Jahresende als Honorarkraft angestellt. "Durch ihren leidenschaftlichen Einsatz und ihre Russischkenntnisse konnten schnell viele Brücken geschlagen werden."

Die Geschichte von Aschot, seiner Familie und Sofiya mache Mut in schwierigen Zeiten. "Der traditionelle Wohnzimmer-Ansatz kommt an dieser Stelle deutlich zum Tragen. Es geht nicht nur darum, den geflüchteten Menschen sprachlich und beratend zur Seite zu stehen. Wir wollen uns kennenlernen und gemeinsam aktiv werden. Unsere Räumlichkeiten sollen als Kulturzentrum und Begegnungsraum genutzt werden." So traurig der Anlass auch sei, die eigene Heimat zu verlassen, "verbindet uns das Ziel, gemeinsam das Leben in unserer Stadt positiv zu gestalten". (Maria Franco) +++


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