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Deutschland führt derzeit die Battlegroup in Litauen an. Als Kommandeur fungiert Oberstleutnant Daniel Andrä aus Silges. - Fotos: Engler

NÜSTTAL Kommandeur der NATO-Battlegroup in Litauen

Daniel Andrä aus Silges: Als Militärs sind wir auf alles vorbereitet

08.07.22 - Angespannter hätte die Situation angesichts des sich bereits damals dramatisch zuspitzenden Ukrainekrieges nicht sein können, als Anfang Februar Oberstleutnant Daniel Andrä mit der 11. Rotation die Führung der NATO-Battlegroup in Litauen übernommen hat. Der 43-Jährige ist eigentlich Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 411 in Viereck (Landkreis Vorpommern-Greifswald) - und wohnhaft im Nüsttaler Ortsteil Silges (Kreis Fulda). Als Experte ist er oft gefragter Gast in Talkrunden und gab OSTHESSEN NEWS ein exklusives Interview.

O|N: Sie sind Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 411 und haben Anfang Februar als Kommandeur die Führung des multinationalen Gefechtsverbandes der NATO in Litauen übernommen. Wie lange haben Sie diese Funktion inne und was genau ist Ihre Aufgabe?

Andrä: Wir werden planmäßig im August von unseren Nachfolgern abgelöst. Als Kommandeur bin ich für die Führung und Einsatzbereitschaft des Gefechtsverbandes sowie die Erfüllung unserer Aufträge verantwortlich. Unser Auftrag ist zweigeteilt. Wir leisten zum einen robusten Beitrag zu einer glaubwürdigen Abschreckung. Das tun wir vor allem durch eine verstärkte Ausbildungs- und Übungstätigkeit. Damit erhöhen wir permanent unseren Ausbildungsstand und zeigen der Bevölkerung, aber auch Russland, dass wir hier und einsatzbereit sind.
Der zweite Teil unseres Auftrags ist gemeinsam mit unseren Partnern Litauen, das Baltikum oder sonstiges NATO-Territorium zu verteidigen, wenn das notwendig werden sollte. Dazu sind wir tief in litauische Strukturen und die Verteidigungsplanung des Landes integriert. Wir unterstehen dazu der litauischen Iron Wolf Brigade. Zur Erfüllung unseres Auftrags haben wir Fähigkeiten aus dem gesamten Spektrum verfügbar. Von Panzergrenadieren mit Schützenpanzern, Kampfpanzerbesatzungen, über Artilleristen mit Panzerhaubitzen, Aufklärern, Pionieren, Logistikern, Flugabwehr, ABC-Abwehrkräften, Feldjägern und Sanitätern ist alles vor Ort.

O|N: Wie viele Nationen sind in dieser Battlegroup vertreten?

Andrä:  Die Battle Group besteht derzeit aus sechs Nationen. Insgesamt sind wir rund 1.600 Soldatinnen und Soldaten, von denen Deutschland als Führungsnation etwa 1.000 stellt. Dazu kommen Kontingente aus den Niederlanden, Norwegen, Tschechien, Luxemburg und Belgien.

O|N: Wie hat sich die Bundeswehr auf diese Aufgabe vorbereitet?

Andrä:  Wir haben uns sehr intensiv und mehr als ein Jahr auf diesen Auftrag vorbereitet. Zunächst innerhalb meines Bataillons, was einen großen Teil der Kräfte stellt, dann gemeinsam mit unseren Unterstützungskräften aus Deutschland und den Soldatinnen und Soldaten aus den truppenstellenden Ländern. Wir waren auf zahlreichen Übungsplätzen und haben zusätzlich computergestützte Gefechtsstandausbildung betrieben. Wir waren vorab in Litauen zur Erkundung und haben mit einem "Blick ins Gelände" vor allem die Erfahrungen unserer Vorgänger aufgenommen, um uns noch zielgerichteter vorzubereiten. Zum Schluss haben wir gemeinsam die Planung für unsere Rotation erstellt.
Insgesamt kann man sagen, dass wir durch die umfassende Vorbereitung gut für den Auftrag gewappnet waren, was wir auch sein mussten. Als wir Anfang Februar übernommen haben, standen mehr als 100.000 russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Am 24. Februar hat Russland dann die Ukraine angegriffen. Das hat die Zeit, in der wir hier in Verantwortung stehen, auch im Vergleich zu unseren Vorgängerrotationen, in mehrerlei Hinsicht besonders gemacht und uns auch besonders gefordert. 

O|N: Wie genau stellt sich aus Ihrer Sicht die aktuelle Situation so ganz nahe an einem "Pulverfass" dar?

Andrä: Litauen grenzt an Kaliningrad und Belarus. Historisch betrachtet haben die Litauer eine andere Bedrohungswahrnehmung als wir das möglicherweise in Deutschland haben. Man hört von den Litauern und Balten oft, wenn Russland nicht in der Ukraine gestoppt wird, dann sind wir die nächsten. Die derzeitigen Drohgebärden Russlands gegenüber Litauen untermauern diese Sorge.
Auf der anderen Seite sind wir über 450 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Wir beobachten sehr genau, was in Kaliningrad und Belarus passiert. Derzeit kann man sagen, dass es keine Indikatoren für Angriffsplanungen oder gar einen bevorstehenden Angriff durch Russland gibt. Als Militärs sind wir auf alles vorbereitet. Wir haben gute Pläne in unseren Schubladen, um im Fall der Fälle reagieren zu können und ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch erfolgreich bestehen können.

O|N: Experten der NATO sehen die größte Gefahr einer militärischen Eskalation mit Russland an der Nordostflanke des Bündnisses. Teilen Sie diese Einschätzung, und wie bewerten Sie aktuelle Überlegungen, die Truppenpräsenz dort massiv zu erhöhen?

Andrä:    Wie kürzlich auch der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr gesagt hat, gilt die sogenannte Suwalki-Lücke, die Kaliningrad von Belarus trennt, als geographische Schwachstelle. Hier ist ein russischer Angriff zumindest wahrscheinlicher als an anderer Stelle. Da ich diesen Raum gut kenne, kann ich diese Einschätzung bestätigen. Wie gesagt, wir haben gute Pläne. Diese Pläne müssen mit den zur Umsetzung notwendigen Kräften und Fähigkeiten hinterlegt werden. Nach den Beschlüssen des NATO-Gipfels von Madrid werden wir nun die Kräfte an der NATO-Ostflanke weiter erhöhen. Deutschland wird vor allem mehr Verantwortung in Litauen übernehmen und perspektivisch neben dem derzeitigen Gefechtsverband eine Kampftruppenbrigade führen. Erste Erkundungen hierfür haben bereits stattgefunden. 

O|N: Wenn Sie eine Einschätzung wagen sollten: Wie und wann könnte der Ukrainekrieg beendet werden?

Andrä:  Leider habe ich keine Glaskugel und kann die Zukunft nicht vorhersagen. Was ich sagen kann ist, dass die Ukrainer heldenhaft und aufopferungsvoll für die Freiheit ihres Landes und auch für den Rest Europas sowie der freien Welt kämpfen. Ich hoffe auf ein schnelles und vor allem gutes Ende für die Ukraine. (Bertram Lenz) +++


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