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Wilm Hosenfeld, "der einzige Mensch in einer deutschen Uniform"
25.07.22 - Unter dem Titel "Wilm Hosenfeld - Nationalsozialist, Lebensretter, Christenmensch" wurde jetzt die Gesprächsreihe zum "Jüdischen Fulda" fortgesetzt. Seit vielen Jahren veranstalten Ingeborg Kropp-Arend diese Reihe in Zusammenarbeit mit der Stadt Fulda und dem Fuldaer Geschichtsverein. Die Gespräche finden in der ehemaligen Rabbinervilla in Fulda statt und werden live im Netz übertragen.
In diesem Jahr befassten sich die Veranstalter mit dem Themenkomplex Wilm Hosenfeld, jenem Wehrmachtsoffizier, der im Zweiten Weltkrieg in Warschau 60 Menschen vor dem Tod rettete, darunter auch den Pianisten des Polnischen Rundfunks, Wladyslaw Szpilman. Roman Polanski erzählt diese Geschichte in seinem mehrfach Oskar-prämierten Spielfilm "Der Pianist". Für Wladyslaw Szpilman war Hosenfeld der "einzige Mensch in einer deutschen Uniform", dem er im Krieg begegnet sei. So formulierte er es in seiner Autobiografie, die er bereits 1946 niederschrieb und die erst Ende der 1990er Jahre in einer deutschen Fassung veröffentlicht wurde.
Zum Gespräch über Wilm Hosenfeld waren Frau Dr. Jorinde Krejci, die Tochter von Wilm Hosenfeld, und Chanoch Ze‘evi aus Israel, der einen Dokumentarfilm über Wilm Hosenfeld gedreht hat, zu Gast in der Rabbinervilla. Zusammen ging man auf eine sehr spannende historische Spurensuche, wie es Ingeborg Kropp-Arend in ihrer Begrüßung formulierte.
Briefe und Tagebücher
Dr. Jorinde Krejci berichtete aus dem Leben des Vaters, der lange Jahre Schulleiter in Thalau und zunächst vom Nationalsozialismus begeistert war. Doch angesichts des furchtbaren Grauens und den Verbrechen deutscher Truppen und den SS-Verbänden im besetzen Polen entschied er sich, aktiv Widerstand zu leisten und Menschen vor dem Tod zu retten. In seinen Briefen und Tagebüchern, die zum Glück erhalten geblieben sind, schildert Hosenfeld, zuletzt Hauptmann der Wehrmacht, schonungslos die furchtbaren Erlebnisse im Krieg - durchaus mutig. Diese Dokumente sind wertvolle historische Quellen. 1952, vor 70 Jahren, starb Wilm Hosenfeld in einem Kriegsgefangenenlager in Stalingrad, obwohl sich viele, die er im Krieg gerettet hatte, für seine Freilassung eingesetzt hatten - vergeblich!Der israelische Filmemacher Chanoch Ze‘evi begleitete mit seiner Kamera die Auseinandersetzung in Thalau um das öffentliche Erinnern und Gedenken an den ehemaligen Schulleiter. Für den Filmemacher sei die Geschichte um Wilm Hosenfeld ein beeindruckendes Beispiel für die schwierige Auseinandersetzung in Deutschland mit der eigenen Geschichte. Ihm sei wichtig, mit seiner Arbeit an den Holocaust zu erinnern, aber auch stets eine Brücke in die Zukunft zu eröffnen. So war eine zentrale Szene seines Filmes der gemeinsame Besuch von Dr. Jorinde Krejci mit ihren Enkelkindern in Yad Vashem in Israel. Dort wird an Wilm Hosenfeld als ein "Gerechter unter den Völkern" in würdevoller Art erinnert.