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Nina Hoger und Ilja Richter brachten unterhaltsam 28 Jahre Briefwechsel in einer Stunde auf die Bühne - Fotos: Christopher Göbel

BAD HERSFELD Szenische Lesung mit Hoger und Richter

Briefe vom Äugelchenmachen und von der Liebe

13.08.22 - Es muss wohl Liebe gewesen sein, was den Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe und seine spätere Ehefrau Christiane Vulpus verbunden hat. Das zumindest lassen die Briefe vermuten, welche die beiden sich über Jahrzehnte schrieben. Nina Hoger und Ilja Richter lasen im Rahmenprogramm der Bad Hersfelder Festspiele aus diesen Briefen und hinterließen ein zwiespältiges Bild des großen deutschen Dichters - zumindest in Bezug auf sein zwischenmenschliches Handeln.

Sylvia Hoffmann hat aus der Vielzahl von Briefen - denn Goethe war meist nicht im heimischen Weimar zugegegen - eine Collage zusammengestellt, die das Verhältnis der beiden zueinander charakterisiert. Mit einem bisschen Hintergrundinformation für den historischen Kontext gaben die bekannten Schauspieler Nina Hoger und Ilja Richter einen Einblick die die Gefühlswelt des ungleichen Paares.

Nina Hoger las Christiane Vulpius

Ilja Richter gab Johann Wolfgang von Goethe seine Stimme

Ein bisschen wie Professor Higgins in "Pygmalion" von George Bernard Shaw (oder auch im Musical "My fair Lady") könnte sich Goethe gefühlt haben, als er die 16 Jahre jüngere Tochter aus einer verarmten Weimarer Familie in seinem Haus aufnahm. Mit Musik aus "My fair Lady" begann dann auch die einstündige Lesung. Zwischen den beiden entwickelte sich ein Liebesverhältnis, welches heute als "wilde Ehe" bezeichnet würde. Erst 18 Jahre nach dem Kennenlernen heirate das Paar am 19. Oktober 1806 in aller Stille. Fünf Kinder bekamen Christiane und Johann, von denen allerdings nur der älteste Sohn August überlebte.

Intellektuelle Überlegenheit

Dass Goethe seiner Christiane sowohl intellektuell als auch gesellschaftlich überlegen war, zeigte sich unter anderem daran, dass er wohl oft Probleme beim Entziffern der Handschrift Christianes hatte - was Richter auf humoristische Weise zeigte. Auch ein von ihr verfasstes naives Gedicht, welches sie ihm schickte, ließ Goethe wohl vorsichtshalber unkommentiert. Anhand des Briefwechsels wurde klar, dass Goethe nicht oft im heimischen Weimar weilte. Die Zahl der Kinder lässt vermuten, dass beide sich zumindest auf körperlicher Ebene gut verstanden.

Viel Publikum n der Probenhalle

Christiane verbrachte viele Sommer in Lauchstädt, wo sich die Weimarer Theaterszene versammelte. Das "Äugelchenmachen", die Bezeichnung der beiden für Seitensprünge, lag ihr wohl nicht fern, was den Dichter wohl eifersüchtig machte. Was er bei seinen langen Aufenthalten außerhalb Weimars trieb, wurde allerdings nicht erwähnt. "Weil ich dich ganz entsetzlich liebhabe", rezitierte Richter - und betrachtete dabei ein Erotikmagazin. Mit der Zeit wurden die Briefe profaner - es ging mehr und mehr um Würste, Wein und Weltliches als um die Liebe.

Echte Liebe oder Phrasen?

Mit Humor, sprachlicher Präsenz und kleinen szenischen Einlagen brachte das Schauspieler-Duo dem Publikum in der Probenhalle der Festspiele am Kurpark diese Liebesbeziehung näher. Tragisch war allerdings, dass Goethe zwar mit Liebesformeln am Briefende immer wieder auf seine Gefühle hinwies, diese aber eventuell teilweise nur Phrasen gewesen sein könnten. Richter brachte die leicht überhebliche Art des Dichterfürsten gut zur Geltung, Hoger die Naivität Christianes und deren echte Liebe zu Goethe ebenso.

Langer Applaus für das Künstlerduo

Traurig das Ende: Nach einem Schlaganfall und Nierenversagen starb Christiane unter Qualen. Goethes Trauer machte Richter deutlich, auch wenn historisch belegt ist, dass Johann ihrer Beisetzung auf dem Weimarer Jacobsfriedhof nicht beigewohnt hatte. 16 Jahre älter war Johann, 16 Jahre überlebte er seine Christiane.

Ein anderes Bild des Dichters

Die Lesung warf ein ganz anderes Bild auf Goethe, als es das Musical "Goethe!" am selben Abend in der Stiftsruine tat. Auf der einen Seite der wenig liebenswerte, alternde Dichter, der seine Frau selten sieht und ihr gerne mit leichter Arroganz begegnet - auf der anderen Seite der junge Mann, der an der ersten großen Liebe zu zerbrechen droht und aus Kummer "Die Leiden des jungen Werther" schreibt. Junger Goethe und alter Goethe - die Zuschauer mögen sich ein Bild davon machen, wie sich der große deutsche Dichter im Laufe seines Lebens verändert haben könnte.

Das Publikum in der Probenhalle spendete langen Applaus. "Lebe wohl und liebe mich" ist am heutigen Samstagabend um 20 Uhr noch einmal in der Probenhalle zu sehen. Tickets dafür - mit freier Platzwahl - gibt es noch auf der Festspiel-Website. (Christopher Göbel) +++


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