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Jonathan Kehl aus Bad Hersfeld hat durch eine Stammzellenspende einem kanadischen Politiker das Leben gerettet. - Foto: Christopher Göbel

BAD HERSFELD Kanadischem Minister das Leben gerettet

Stammzellenspender Jonathan Kehl: "Ich würde es sofort wieder machen"

19.08.22 - Vor vier Jahren ließ sich der Bad Hersfelder Jonathan Kehl, damals noch Schüler an der Modellschule Obersberg (MSO), bei der DKMS registrieren. Bereits im Jahr darauf rettet seine Stammzellenspende dem Kanadier Dominic LeBlanc das Leben. Dass dieser ein Politiker und Minister in der Regierung des kanadischen Premierministers Justin Trudeau ist, erfuhr Jonathan erst später. OSTHESSEN|NEWS traf den jungen Mann in Bad Hersfeld.

"Bei der Infoaktion der DKMS an der MSO haben sich etwa 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler registrieren lassen", erinnert sich Jonathan. Er war einer davon und er wurde in die Spenderdatenbank für Stammzellen aufgenommen. Im Jahr 2019 kam dann die Anfrage der DKMS, ob er Stammzellen spenden würde. Es sei ein passender Empfänger gefunden worden. "Ich habe etwa einen halben Tag darüber nachgedacht. Aber dann wusste ich, dass ich das machen würde", sagt Jonathan.

Eine Blutprobe, die er bei seinem Hausarzt abgegeben hat, wurde an die DKMS geschickt. "Kurz darauf kam die Nachricht, dass es perfekt passen würde." Die Frage in dem Schreiben, ob er für eine Stammzellenspende bereit sei, beantwortete der 22-Jährige mit einem klaren "Ja". "Mir war klar, dass ich das tun sollte und wollte", sagt er. "Ich wusste zu dem Zeitpunkt nur, dass der Empfänger männlich, erwachsen und ein Kanadier war." Mehr Informationen gebe die DKMS vor einer Spende nicht heraus.

Der Tag der Stammzellenspende

Am Tag der Spende fuhr er mit seinem Vater Andreas nach Frankfurt, wo ihm in einem Blutspendezentrum des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Blut abgenommen wurde. "Einige Tage vorher musste ich mir ein paar Spritzen gegben lassen, die die Stammzellenproduktion erhöht haben." Sein Blut wurde mittels einer Maschine in Frankfurt über mehrere Stunden gefiltert, um die Stammzellen zu erhalten. "Soweit ich weiß, musste die Spende dann schnell zum Empfänger gelangen", sagt der Bad Hersfelder. Es habe etwa eineinhalb Tage gedauert, bis die Spende in Kanada ankam.

Inzwischen hat Jonathan ein Lehramtsstudium für die Fächer Biologie und Religion an der Universität Kassel begonnen. Er kommt jetzt ins neunte Semester. Um sich etwas Geld zu verdienen, ist er derzeit als Aushilfslehrer an der Bad Hersfelder Konrad-Duden-Schule beschäftigt. Er wohnt in Bad Hersfeld und würde seine berufliche Zukunft auch gerne in der Festspielstadt sehen. "An der KDS fühle ich mich sehr wohl. Wenn ich die Möglichkeit bekäme, würde ich dort nach dem Studium gerne fest als Lehrer anfangen", so der angehende Pädagoge.

Endlich eine Nachricht des Empfängers

In einigen Ländern ist es untersagt, dass Spender und Empfänger voneinander erfahren. "In Kanada ist das zum Glück nicht so", sagt Jonathan. Er habe sich immer mal wieder Gedanken gemacht, wer der Empfänger sei und ob seine Spende etwas bewirkt habe. Rund zwei Jahre danach erhielt Jonathan die Daten des Mannes, dem er mit seiner Stammzellenspende das Leben gerettet hat. "Ich habe den Namen gegoogelt und war erstaunt, wie viele Ergebnisse mir angezeigt wurden. Ich habe dann versucht, ihn zu kontaktieren. Aber das hat irgendwie nicht funktioniert."

Dominic LeBlanc, Mitglied der kanadischen Regierung, schickte ein Dankschreiben ...

Umso froher war der 22-Jährige, als er ein Dankschreiben von Dominic LeBlanc erhielt - einmal auf Deutsch, einmal auf Englisch. "Die auf Hämatologie spezialisierten Onkologen sagten mir, ohne Stammzellenspende hätte ich praktisch keine Überlebenschance", schrieb LeBlanc, der Minister für Intergouvernementale Angelegenheiten, Infrastruktur und Kommunen im kanadischen Kabinett ist. Der heute 54 Jahre alte Kanadier war an "aggressivem NK-Zell-Lymphom", kurz Leukämie, erkrankt. "Bei ihm wurde bereits mit der Chemotherapie begonnen", sagt Jonathan, der das bereits vor seiner Spende erfuhr. "Ich wurde immer wieder gefragt, ob ich wirklich spenden wolle. Man hat mir aber auch deutlich gemacht, dass der Empfänger sterben werde, wenn ich es nicht tun würde", so Jonathan. Aber seine Entscheidung sei bereits gefallen gewesen.

"Ich habe Ihre Spende 2019 mitten im Wahlkampf einer landesweiten Wahl erhalten - und wurde von meinem Krankenzimmer aus wiedergewählt", schrieb LeBlanc. "Sie haben etwas Großartiges getan, als Sie zugestimmt haben, Ihre Stammzellen zu spenden", so der Politiker. Nach zwei Jahren sei er zu einem Check-Up nach Montreal gefahren, "Und alle Testergebnisse waren ausgesprochen positiv. Durch Ihre Großzügigkeit haben Sie mir im wahrsten Sinne des Wortes ein zweites Leben geschenkt", schrieb LeBlanc. Nachdem der Politiker seine Geschichte öffentlich gemacht hatte, stand Jonathan Kehl eine Weile sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Ein Fernsehteam drehte in seinem Zuhause und deutsche, kanadische und internationale Medien berichteten von seiner guten Tat.

Erstes Treffen per Zoom

Jonathan reagierte auf die Mail aus Kanada und so kam es bald zu einem ersten Treffen. "Wir haben uns per Zoom unterhalten. Ich war in meinem Zimmer, er in seinem Büro", erinnert sich der Bad Hersfelder. Man habe sich auf Englisch verständigt und rund zwei Stunden geredet. "Wir haben über unsere Familien gesprochen, über persönliche Dinge  und Hobbys. Er hat mir ein bisschen von seiner politischen Karriere erzählt. Und er habe immer wieder gefragt, wie er mir das zurückzahlen könne", sagt Jonathan. Das habe er gar nicht gewollt, aber eine Einladung LeBlancs nach Kanada habe er gerne angenommen. 

"Ende September, also in wenigen Wochen, wird es soweit sein. Dann fliege ich mit einem Freund nach Kanada", sagt der 22-Jährige voller Vorfreude. Zunächst hat Dominic LeBlanc ihn in die Hauptstadt Ottawa eingeladen. "Dort möchte er mir ein bisschen was von seinem politischen Leben zeigen." Danach geht es in die Heimatstadt von LeBlanc, die in der Nähe Ottawas liegt, um dessen privates Umfeld kennenzulernen.

Jede und jeder kann sich bei der DKMS registrieren lassen

"Das Gefühl, ein Leben gerettet zu haben, ist unfassbar, nicht zu beschreiben, unrealistisch", sagt Jonathan. Man könne mit so wenig Einsatz so viel erreichen. Er würde jedem dazu raten, sich bei der DKMS registrieren zu lassen. Informationen dazu gibt es auf www.dkms.de. Die Wahrscheinlichkeit, als Spender einen passenden Empfänger zu finden, liegt weltweit bei 1 zu 20.000. "Wenn ich noch einmal als Spender in Betracht käme, würde ich es auf jeden Fall wieder tun", so der Bad Hersfelder. Es könne auch sein, dass er LeBlanc noch einmal Stammzellen spenden müsste. "Ich bin auf jeden Fall sehr, sehr froh, dass ich Dominic retten konnte", sagt Jonathan. (Christopher Göbel) +++


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