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Die Zuhörerinnen und Zuhörer konnten am Dienstagabend beim Minguet Quartett eine wahre musikalische Entdeckungsreise erleben - Fotos: Carina Jirsch

FULDA Musikalische Entdeckungsreise

Minguet Quartett im Fürstensaal: Ein Abend der Klang- und Ausdrucksfreude

26.10.22 - Manchmal ist es ein großes Glück, wenn ein Konzertprogramm verändert wird. Beim Konzert des Minguet Quartett war das so, denn es spielte drei Spätwerke von drei ganz Großen der klassischen Musik. Es war eine musikalische Entdeckungsreise.

Wechsel bei den Violinen

Die Veränderung war nötig geworden, weil die Geigerin Annette Reisinger erkrankt war. Mit Matthias Lingenfelder sprang ein versierter Geiger und Quartettspieler (Auryn Quartett) ein, der mit dem Minguet Quartett bereits musiziert hat. Normalerweise ist es so, dass der Ausfall eines Musikers in einem Quartett einer Katastrophe gleichkommt. Denn ein Quartett ist so intensiv aufeinander eingespielt, dass man nicht so einfach einem Musiker durch einen anderen ersetzen kann. Dass das Ensemble mit Ulrich Isfort (Violine), Aida-Carmen Soanea (Viola) und Matthias Diener (Cello) dieses Konzert so bravourös gestaltete, zeigt die große Musikalität und Qualität aller. Es war ein wunderbarer Konzertabend, vom Fuldaer Publikum mit großem Beifall bedacht.

Klassische Musik begeisterte die zahlreichen Besucher

Strenger Wohlklang

Den Auftakt machte die Cello-Suite No. 5 in g-moll BWV 1011 von Johann Sebastian Bach. Bachs 6 Cello-Suiten dürften zu den meistgespielten Stücken für ein Soloinstrument gehören. Casals sagte einmal über sie: "Sie sind die Quintessenz von Bachs Schaffen, und Bach selbst ist die Quintessenz aller Musik." An den Solisten stellen sie höchste Anforderungen, denen Jens-Peter Maintz jederzeit gerecht wurde. Er spielt ein wunderbares, über 300 Jahre altes Cello von Giovanni Grancino. Der Klang erinnert an dunklen Waldhonig, man kann gar nicht genug davon bekommen.

Die fünfte Suite gilt als die französischste des gesamten Zyklus. Nach der einleitenden französischen Ouvertüre folgen Tänze – Allemande, Courante, Sarabande, Gavotte und Gigue. Die Sarabande, vielleicht einer der schönsten einstimmigen Sätze der Barockzeit, kennt der ein oder andere vielleicht aus Ingmar Bergmans letztem Film "Sarabande". Die Cello-Suite ist ein Werk, das zum Zuhören zwingt, man kann es nicht nebenher hören, sondern nur mit voller Konzentration. Das ist anstrengend und macht gleichzeitig den Kopf frei.

Musik vom Erfinder des Streichquartetts

Haydn hat mit seinen 83 Quartetten wie kein anderer Komponist die Gattung des Streichquartetts geprägt. Sein Streichquartett in F-Dur op. 77 No. 2 ist ein Spätwerk. Beim Zuhören habe ich mich immer wieder gefragt, wie Haydn sich wohl musikalisch entwickelt hätte, wenn er nicht sein Leben lang bei Lobkowitz & Co. angestellt gewesen wäre und Musik hätte schreiben müssen, die den adeligen Herren konvenierte. Hätte es dann mehr Werke von der Kraft dieses Quartetts gegeben? Denn es ist mit keinem seiner anderen Quartette vergleichbar. Die Formensprache ist souverän, dabei aber von unglaublicher

Experimentierlust. In fast keinem Takt hört sich das nach typisch Haydn an, hier ist man nahe dran an Beethoven. Es hat unglaublichen Drive, ist energiegeladen und wild, und es wartet mit einigen Überraschungen auf – etwa, dass das Menuett vor dem langsamen Satz steht. Der letzte Satz ist auch nicht mehr der übliche heiter-fröhliche Ausklang sonstiger Haydn-Quartette, sondern gleicht eher einer wilden Parforce-Jagd.

Dramatik und Klangschönheit

Den Abschluss des Konzerts bildete Schuberts Streichquintett in C-Dur op. 163, D 956. Schubert komponierte es wenige Monate vor seinem Tod. Seine Zeitgenossen überforderte dieses jegliche Form und Konvention sprengende Stück. Es ist ein Werk von großer musikalischer Wucht, hier sind wir nicht mehr in der klassischen Kammermusik, sondern eigentlich in einer ganz eigenen Gattung zwischen Kammermusik und Sinfonie. Joachim Kaiser sagte einmal über dieses Werk, es nähme "einen singulären Platz in Schuberts Schaffen, ja in der Musikliteratur ein (…). Mit Worten kann kein Mensch das tönende Mysterium dieses Werkes völlig enträtseln."

Zwar steht das Werk in C-Dur, eigentlich eine strahlende Tonart, wird aber von Schubert immer wieder nach Moll gebrochen und klanglich verdüstert. Die ungewöhnliche Besetzung mit zwei Celli verstärkt die geheimnisvolle, dunkel-melancholische Klangfülle, der man sich gar nicht entziehen kann. Kein Satz ist so, wie man das ‚klassisch‘ kennt. So sind die beiden Außenteile des Adagios von großer Ruhe und wie ein einziger Seufzer, der Mittelteil dagegen gleicht einem lauten Aufschrei, einem Aufbäumen der Musik. Einige Filme verwenden diesen Satz, z.B. Jarmuschs "Limits of Control". Das wilde Scherzo wartet mit dissonanten Klängen auf und schlägt im Andante-Mittelteil den Bogen zurück zum Adagio. Und das auf den ersten Blick volkstümliche Finale, bei dem man zunächst an einen Ländler denkt, wird sofort gebrochen, der effektvolle Schluss – eigentlich ein offener Schluss – wirkt fast verstörend. (Jutta Hamberger) +++


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