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Toller musikalischer Abend in der Orangerie. Sopranistin Britta Glaser und Dirigent Simon Schindler - Alle Fotos: Martin Engel

FULDA Die 3. Sinfonie von Brahms

Wunderbare musikalische Träume am Sonntagabend in der Orangerie

31.10.22 - Deutschland ist ein Land der Orchester. Nirgends sonst findet man eine solche Fülle an Orchestern und spezialisierten Ensembles. Das liegt in der Kleinstaaterei des 18. und 19. Jahrhundert begründet. Viele Höfe bedeuteten eben auch viele Hofkapellen und -orchester. Und nicht überall spielten Profis, oft waren es Amateure.

Britta Glaser musste mit mehreren Unwägbarkeiten klarkommen: Einem offenbar musikalisch ...

Diese Tradition greift das Fuldaer Symphonische Orchester auf, dessen Beteiligte alle eine besondere Bindung zu Fulda haben. An nur zwei Wochenenden proben sie das jeweilige Konzertrepertoire. Umso bemerkenswerter ist die Leistung des FSO unter Dirigent Simon Schindler einzuschätzen. Der Erlös des mit dem Rotary-Club Fulda-Paulustor veranstalteten Konzertes kommt dem Verein "Wasser für Menschen" zugute und unterstützt das Projekt "Moru Clinic" in Uganda.

Freischütz-Ouvertüre und Wesendonck-Lieder


Weberns "Der Freischütz" gilt neben Wagners "Meistersingern" als deutsche Nationaloper. Ludwig Börne schrieb 1822 über den "Freischütz": "Wer kein Vaterland hat, erfinde sich eins! Die Deutschen haben es versucht auf allerlei Weise, (…) und seit dem Freischützen tun sie es auch mit der Musik." Noch populärer als die Oper ist ihre Ouvertüre, die musikalisch auf die Oper einstimmt und Waldstimmung, Wolfschlucht, die Jagdszenen und die dauernde Bedrohung der Idylle vorwegnimmt. Es ist ein ungeheuer effektvolles Stück und ein geradezu idealer Auftakt für ein Konzert.

Mit Wagner stimme ich fast nie überein, außer bei seiner Einschätzung der Wesendonck-Lieder: "Nie habe ich etwas Besseres als diese Lieder geschrieben, und wenige meiner Werke werden dem Vergleich mit ihnen standhalten." Es ist Wagner ohne Bombast, besonders dann, wenn man sie in der ursprünglichen Instrumentierung hört (Singstimme und Klavier). Es gibt viele weitere Fassungen, zwei sind besonders bekannt: die opulente Orchesterfassung von Felix Mottl, die sich eher am Wagnerschen Opernklang orientiert und die heute erklang, und die wesentlich reduzierter von Hans-Werner Henze, die das Private der Lieder betont.

Die Wesendonck-Lieder sind, wenn Sie so wollen, das Ergebnis von Untreue und Ehebruch. Wagner war mal wieder bankrott, wurde überdies in Sachsen polizeilich gesucht und fand mit seiner ersten Frau Minna Zuflucht beim Kaufmannspaar Wesendonck in Zürich. Otto Wesendonck war Kunstmäzen, seine Frau Mathilde vermutlich eine nicht wirklich glückliche Ehefrau. Das verwundert nicht, begann ihre Ehe doch damit, dass sie den Namen der verstorbenen ersten Ehefrau des Gatten annahm. Ihr muss Wagner wie ein Erlöser vorgekommen sein.

Die Wesendonck-Lieder, zu denen Mathilde die Texte beisteuerte, sind eine Vorstudie zum "Tristan", und wie oft auch in der darstellenden Kunst sind sie spannender als das finale Werk selbst. Die Reihenfolge der Lieder hat Wagner unzählige Male geändert, am gebräuchlichsten ist die heute vom FOS mit der Sopranistin Britta Glaser vorgetragene Reihung: Der Engel, Stehe still, Im Treibhaus, Schmerzen, Träume. Britta Glaser hat einen klaren, strahlenden und ausdrucksstarken Sopran, der den Raum füllt und in der Höhe nie schrill ist. Sie musste allerdings gleich mit mehreren Unwägbarkeiten klarkommen: Einem offenbar musikalisch betörten Schmetterling, der unwiderstehlich von ihr angezogen wurde, einem sie oft überspielenden Orchester und einem penetranten Handyton im Saal. Sie nahm es mit Humor und großer Gelassenheit.

Wagner und Brahms stehen exemplarisch für den Musikstreit im 19. Jahrhundert, der aus heutiger Sicht sehr akademisch anmutet. Den letztlich ging es nur um unterschiedliche ästhetische Auffassungen – sinfonische Dichtung bei Liszt, Musik in der Tradition Beethovens bei Brahms. Ironie der Geschichte: Inzwischen stehen die Streithähne von damals friedlich vereint auf Konzertprogrammen.

Als Brahms seine dritte Sinfonie schrieb, gehörte er bereits zu den ganz Großen im Musikbetrieb. Clara Schumann schwärmte: "Welch ein Werk, welche Poesie, die harmonischste Stimmung durch das Ganze, alle Sätze wie aus einem Gusse, ein Herzschlag, jeder Satz ein Juwel!" Der Kopfsatz ist dramatisch und voller Kontraste. Dann kommt das Andante, das fast schwerelos dahinschwebt. Es entführt in andere Welten und wirkt fast selbstvergessen. Der dritte Satz ist sicher der populärste der Sinfonie. Viele Filme spielen sein Hauptthema an, etwa Premingers "Angel Face" oder Litvaks "Aimez-vous Brahms?" Bekannte Musiker wie Sinatra, Gainsbourg oder Santana verwendeten das Thema in ihren Kompositionen. Der Finalsatz ist wieder hochdramatisch – und klingt doch gänzlich unheroisch aus. Mit dem Vorspiel zu Verdis "Attila" als Zugabe verabschiedete sich das Orchester von seinem begeisterten Publikum in der fast vollbesetzten Orangerie. (Jutta Hamberger)+++


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