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Publikum zeigt sich von Frau Luna - Operette am Mittwochabend begeistert. - Fotos: Carina Jirsch

FULDA Vor Gott sind alle Berliner

Frau Luna – Operette im Schlosstheater: Publikum am Mittwochabend begeistert

03.11.22 - Das Leichte hat es in Deutschland noch nie leicht gehabt. Wir tun uns schwer mit dem leichten Metier, und Unterhaltung ist sprachlich immer gefährlich nahe dran an unterirdisch. Das ist mit ein Grund dafür, warum die Operette nur so selten gespielt wird.

Heute stehen nur noch wenige Operetten regelmäßig im Programm. Der Opernkenner und -kritiker Marcel Prawy meinte dazu: "In der sogenannten ‚Provinz’ nimmt die leichte Muse ja eine sehr eigenartige Stellung ein. Sie ist dort das Lieblingskind der Kassa – weil die Vorstellungen täglich ausverkauft sind – und das Stiefkind der Direktoren, die sie als notwendiges Übel betrachten, mit deren Hilfe sie ihre Ausflüge in die Hochkultur finanzieren."

Nein, intellektuell ist die Operette nicht, aber eingängig und fröhlich. Die musikalische Form ist einfach – Solo, Duett, Chor. Die Operette ist voll beschwingter Walzermelodien, Polkas, Marschmusik und Tanz. Fast am wichtigsten aber sind die gesprochenen Passagen, die den Darstellern einiges an Schauspielkunst abverlangen und dafür da sind, das Publikum zum Lachen zu bringen. In der Oper reicht es, an die Rampe zu treten und seine Arie zu schmettern. Das ist der Grund, warum so mancher Opernstar schauspielerisch an der Operette scheitert.

Einfach und doch tiefsinnig


Die Lieder wirken inhaltlich scheinbar banal. Wenn man aber genauer hinhört, erkennt man, dass immer wieder Situationen gespiegelt werden, mit denen wir im Leben konfrontiert sind. Das verbindet die Operette mit dem Schlager, der genau dieselben Qualitäten hat. Und das ist meiner Meinung nach der tiefe Grund dafür, warum das Publikum Operette und Schlager so liebt.

Schade, dass so wenige Opernstars diese Liebe erwidern, oder kennen Sie einen Opernstar unserer Zeit, der leidenschaftlich gern Operette singt? Ich nicht. Jonas Kaufmann macht zwar Ausflüge ins leichte Fach, nur leider strömt die Stimme bei ihm nicht, die Sinnlichkeit und Lockerheit, die die Operette fordert, fehlen bei ihm. Einen gab’s, der konnte es wie kein anderer, Fritz Wunderlich. Der sang das Leichte wie das Schwere, das Lyrische wie das Dramatische unvergleichlich gut – es ist bitter, dass er keinen Nachfolger gefunden hat.

Die Berliner Operette


Die Neuinszenierung von "Frau Luna" des Landestheaters Detmold ist bonbonfarben und fröhlich. Als Paul Lincke das Stück 1899 uraufführte, schuf er damit gleich eine ganze Gattung, die Berliner Operette. Die unterschied sich von der in Paris und Wien ganz erheblich. In Paris standen Götter auf der Operettenbühne (Jaques Offenbach) und es ging meistens frivol zu, in Wien dominierte der Adel (Johann Strauß Sohn) und es war volkstümlich. In Linckes Berliner Operetten aber spielten einfache Leute die Hauptrollen. Entsprechend war der ‚Sound‘ frech und schnodderig, aber auch gefühlsduselig und gespickt mit Wortspielen.

Manchmal wird ja vermutet, das Musical sei der Nachfolger der Operette. Ich meine, nein – dafür sind Storytelling und die musikalische Anlage zu unterschiedlich. Verwandt ist die Operette in meinen Augen mit Fernseh-Soaps. Rote Rosen, GZSZ oder Bollywood – in Soaps wie Operetten sind die Figuren eher klischeehaft angelegt, die Dialoge einfach und die Handlung im Grunde egal, denn es geht nur um das eine – ob da zwei zueinander finden und wie viele Hindernisse sie dabei überwinden müssen.

Der Traum vom Mond


Fritz Steppke ist zwar schwer verliebt in sein Mariechen, aber er hat eben auch diesen großen Traum: er will hinauf zum Mond und dem Mann im Mond ein Immobiliengeschäft vorschlagen. Den ersten Akt beschließt der Gassenhauer "Das ist die Berliner Luft", noch heute der Abschluss jedes Waldbühnenkonzerts der Berliner Philharmoniker.

Unbeschwert von jeder Realität kommen Steppke, seine Freunde Pannecke und Lämmermeyer sowie Frau Pusebach tatsächlich auf dem Mond an – in dieser Inszenierung ein quietschrosa Traum aus Tüll und Glitzer. Nur den Mann im Mond finden sie nicht, stattdessen steht plötzlich Frau Luna vor ihnen. "Die schönsten Männer sind meistens Frauen" lautet die altkluge Sentenz von Lämmermeyer dazu, und Steppke gerät in einen echten Gewissenskonflikt: für welche Frau soll er sich entscheiden, Marie oder Luna? Am Ende aber findet sich alles, wie es soll.

Dem Stück tut es gut, dass modernisiert wurde. Die langen Textpassagen der Operette offenbarten aber auch ihre Tücken: Da nicht alle Schauspieler und Sänger Muttersprachler sind, ging einiges daneben, vom berlinerischen Idiom mal ganz abgesehen. Musikalisch aber war es eine runde Sache, nicht nur bei der "Berliner Luft", sondern auch bei "Schenk mir doch ein kleines bisschen Liebe", "Von Sternen umgeben" und bei "Ist die Welt auch noch so schön".

Schätze das, was Du hast, feiere das Leben und die Liebe, glaube an Deine Träume, mache Dir klar, dass von Sternen umgeben sein ein Gefühlszustand ist – das ist Frau Lunas Resilienz-Anleitung, die auch im Jahr 2022 ihre Berechtigung hat. Das Publikum in Schlosstheater war begeistert und erklatschte sich gleich mehrere Reprisen der "Berliner Luft". (Jutta Hamberger)+++


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