Mit kreativen Ideen gegen "tote Schaufenster"

09.11.22 - Dem Hünfelder Bürgermeister Benjamin Tschesnok (CDU) ist zuzustimmen, wenn er - wie jetzt im O|N-Gespräch - von einer "tollen Innenstadt" spricht und den engagierten Einzelhandel würdigt. Aber weil ihm gerade in jüngster Vergangenheit klar geworden sein dürfte, dass sich ein Ausruhen auf den Lorbeeren nicht lohnt, werden mit viel Kreativität Rahmenbedingungen geschaffen beziehungsweise ausgebaut, um die Aufenthaltsqualität zu steigern und ein weiteres Abwandern in die Läden des "World Wide Web" zu verhindern.      

Die Gastro-Szene hat es in der Hünfelder Innenstadt nicht leicht, so haben "Stadt-Café" und "Chickeria" seit Längerem ihre Pforten dicht gemacht. Dem Einzelhandel geht es nicht besser: Nach "Hausrat Vogt" vor einigen Monaten, haben nun auch "Schreib und Spiel Herrmann" sowie das Modegeschäft "Lifestyle" angekündigt, bald schließen zu wollen. Alles Traditionsgeschäfte und unter den Namen "Dippe Vogt" und "Toto Herrmann" über Generationen hinweg ein Begriff.   

"Lifestyle" schließt nach 30 Jahren

Petra Richter (links) gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen Beatrix Rehm und Irm Papst ...Foto: privat

Dies gilt auch für das "Lifestyle", dessen Inhaberin Petra Richter auf O|N-Nachfrage unter anderem Folgendes geschrieben hat: "Der Entschluss ist ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen getroffen worden. Nach zwei Bandscheibenvorfällen und weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die sich nach 43 Jahren Stehberuf eingestellt haben. Zudem stand ich nach Ablauf des Mietvertrages zum 31. Dezember 2022 vor der Entscheidung, ob ich den Laden noch weitere fünf Jahre führen kann."

Die gestiegenen Nebenkosten hätten zu keinem Zeitpunkt eine Rolle gespielt, da die Entscheidung wegen der Kündigungsfristen schon fallen musste, bevor sich die Energiekosten so entwickelt hatten. Bezüglich der anderen Nebenkosten sei sie immer auf gutes Entgegenkommen des Vermieters gestoßen. Ihre drei Mitarbeiterinnen hätten alle schon einen neuen Job haben.

Petra Richter: "Mein sehr persönlich geführtes Geschäft bestand überaus erfolgreiche 30 Jahre und hat einen überdurchschnittlichen hohen und sehr, sehr treuen Kundenstamm. Zu vielen meiner Kunden hat sich ein freundschaftliches Verhältnis ergeben. Seitdem ich meine Kunden persönlich durch ein Schreiben informiert habe, kommt es tagtäglich zu rührenden Szenen. Vergossene Tränen, Präsente und emotionale Gespräche zeugen von der sehr hohen Kundenbindung über die letzten 30 Jahre hinweg und machen mich sehr stolz. Ganz viele Stammkunden kommen schon seit der Eröffnung, und mittlerweile sind auch deren Kinder beziehungsweise Enkel zu Stammkunden geworden. Entgegen dem Trend im Einzelhandel hat sich dadurch der Onlinehandel bei mir nicht so stark bemerkbar gemacht."

Qualität und Beratung

Eine Außenstelle des Museum Modern Art wurde im früheren "Hausrat Vogt" eingerichtet. ...Foto: Facebook / Heike Richter

Zur anfangs erwähnten Kreativität zählt auch, neue Wege zu beschreiten. So wurde im früheren "Hausrat Vogt" eine Außenstelle des Museums Modern Art eingerichtet, die der Grundidee des "Pop up-Stores" folgt. Unter anderem kann man Heike Richter und Jürgen Hohmann in deren "offenem Atelier" über die Schulter schauen. Zudem finden dort Malkurse und Workshops statt. Denn, so Tschesnok, "nichts ist für eine Innenstadt schlimmer als ein totes Schaufenster".  (Bertram Lenz) +++