Weltstar Gregory Porter im Schlosstheater: Musik zum Verlieben

14.11.22 - Vorfreude ist eine wunderschöne Freude, aber nach zwei Jahren Warten auf Gregory Porter war es für alle eine Riesensache, ihn mitsamt Band endlich, endlich hören zu können. Es war ein großer Abend des Crooner-Jazz, zu dessen besten Vertretern Porter ganz ohne Zweifel gehört.

Crooning and swooning

Porter steht in der Tradition von Nat King Cole und Stevie Wonder, aber eben auch von Dean Martin und Frank Sinatra. Crooner Jazz ist Mainstream im besten Sinn des Wortes – Musik, die gefallen und populär sein will, dabei aber nicht auf Nachdenklichkeit verzichtet. Zentral ist die warme, volle Stimme des – meist männlichen – Sängers. Der 2m-Mann Porter holt seinen cremigen Bariton aus ungeheuren Tiefen hervor, spielt mit seiner Stimme, intoniert präzise – und verführt von der ersten bis zur letzten Note.

Es ist Musik, die vergessen lässt, dass im Leben nicht immer alles rund läuft. Es ist Musik, die tröstet und klar macht, dass auch das größte Unglück irgendwann wie Wasser unter einer schon abgefackelten Brücke ist – es wird einem wieder besser gehen, auch wenn das dauert. Das Lied "Water under bridges" handelt von einem gebrochenen Herzen – "meine Freundin hatte mich sitzengelassen", erzählt Porter, aber das Lied habe für ihn seine Bedeutung verändert. Heute sei es kein Lied mehr über Herzschmerz, sondern über die Menschen, die ihm geholfen hätten, über seine Verzweiflung hinwegzukommen.

Musik für die Glücklichen – und die Unglücklichen

Bei Porters Musik schließt man am besten die Augen und lässt sich hineinfallen. Jazz verbindet sich mit Soul, Blues und Gospel. Man fühlt sich umarmt, gewärmt und geliebt. Wann hört man Gregory Porters Musik also am besten? Immer dann, wenn man besonders glücklich oder besonders unglücklich ist. Es ist Musik über beginnende, verlorene oder verletzte Liebe. Es geht um Einsamkeit, Traurigkeit und Hoffnung. Von "Painted on Canvas" über "On my way to Harlem” und "Take me to the alley”, "Liquid Spirit” und "Hey, Laura” bis zu "Be Good” und "Don’t be a fool” spannte Porter den musikalischen Bogen. "Hello Mr. Holland” thematisiert den Rassismus und die Angst schwarzer Mütter um ihre Söhne: "Mama used to fear for me / when you walk out in the world, you see / some people will fear your face and name (…)”. Porter sagt über dieses Lied, es ginge um Respekt, "Stevie (Wonder) und Marvin (Gaye) haben uns beigebracht, wie man den Groove in einen Song über gesellschaftliche Probleme hineinbringt, also Danke, Mr. Holland."

So gut wie der Sänger – die Band

Besonders faszinierend am Jazz ist, dass er allen Musikern die Chance gibt, sich zu entfalten. Porter wird von fünf Musikern begleitet – Chip Crawford am Klavier, Jahmal Nichols am Bass, Emanuel Harrold an den Drums, Tivon Pennicott am Saxophon und Ondrej Pivec am Keyboard – und sie alle sind großartig. Es ist einfach wunderbar zu sehen und zu hören, wie diese Künstler sich Raum geben und assoziativ-frei musizieren. Ich wusste oft nicht, wen ich begeisternder finden sollte, Gregory Porter oder seine Musiker. Alle Solos waren phantastisch, eines begeisterte das Fuldaer Publikum ganz besonders: Mitten im Song "Musical Genocide" begann Chip Crawford mit dem "Weihnachtsmann", der in "Für Elise" und "Guten Abend, gute Nacht" überging, es folgten "Freude schöner Götterfunken" und die Paukenschläge der 5. Sinfonie Beethovens. Ganz sicher also eine eigens fürs deutsche Publikum gespielte musikalische Assoziationskette!

Frenetischer Beifall und Standing Ovations erzwangen nach gut anderthalb Stunden Konzert eine Zugabe: "No love dying" war in gewisser Weise die Take Home-Message in einer Welt, deren Sorgen man für die Dauer dieses Konzerts dankbar vergessen konnte. (Jutta Hamberger) +++