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Adventskonzert am Samstagabend im Dom zu Fulda - Fotos: Moritz Bindewald

FULDA Licht in dunklen Zeiten

"Machet die Tore weit" – Adventskonzert im Hohen Dom zu Fulda

27.11.22 - Für die meisten von uns war es ein hartes Jahr, es war nicht immer einfach, das Schöne nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Vielleicht spüren wir die Botschaft von Weihnachten – das Licht vertreibt die Dunkelheit – deshalb in diesem Jahr stärker als sonst.

Musikalische Entdeckungsreise

Das Adventskonzert im Dom wurde so auch zu einer musikalischen Selbstvergewisserung. Wir dürfen, wir sollen uns freuen, das jedenfalls war die Botschaft von Domchor, JugendKathedralChor, dem Orchester L’arpa festante und den Solisten Veronika Winter und Rebecca Göb (Sopran), Elvira Bill (Alt), Christian Rathgeber (Tenor) und Matthias Vieweg (Bass).

Für alle, die ein Stück in verschiedenen Interpretationen oder von verschiedenen Komponisten gern "vergleichshören", war dieses Konzert ein wahres Fest. Domkapellmeister Huber, immer auch ein musikalischer Forschungsreisender, hatte bekannte und unbekannte Stücke ausgewählt und dirigierte dabei so klug, dass sie fast ineinanderflossen. Das barocke Konzertprogramm war eine Herausforderung für Chor und Solisten, das alle auf höchstem Niveau meisterten – dabei sensibel begleitet von l’arpa festante.

Machet die Tore weit

Andreas Hammerschmidt (1611-1657) wirkte 36 Jahre lang an der Johanniskirche in Zittau. Seine sechsstimmige Motette "Machet die Tore weit" erklang in Fulda erstmals in der erst vor wenigen Jahren entdeckten Urfassung, die doppelt so lang ist wie die bisher bekannte. Sie ist musikalisch farbiger und spielt mit Echowirkungen. Hier kann ein Chor zeigen, was er wirklich drauf hat – kein Wunder, dass die Motette zum Standardrepertoire guter Chöre gehört! Dann erklang das Werk in einer Komposition von Johann Schelle (1648-1701). Schelle gehört zu den direkten Vorgängern Johann Sebastian Bachs als Thomaskantor in Leipzig. Bei ihm geben Posaunen und Pauken ganz wörtlich den Ton an. Und: hier schimmert schon der Pietismus durch, eine ins Innerliche gewandte Frömmigkeit.

Nun kommt der Heiden Heiland

"Nun komm der Heiden Heiland" gilt als allererstes kirchliches Adventslied überhaupt. In der Vertonung von Andreas Hammerschmidt wetteifern die Stimmlagen des Chors miteinander – von hohen zu tiefen Stimmen, mal nur die Frauen-, dann nur die Männerstimmen. Es ist fröhliche Musik, die so recht zum Advent passt. Johann Sebastian Bach (1685-1750) schrieb seine gleichnamige Kantate in seiner Zeit am Weimarer Hof. Man wird den Eindruck nicht los, dass der junge Bach – er war 32, als er das Stück schrieb – lustvoll ausprobierte und mit musikalischen Effekten spielte. Er kombiniert den altkirchlichen Choral mit einer französischen Ouvertüre – am Hof zu Versailles wäre solche Musik beim Eintreten des Königs erklungen. Es folgen die Parts der Solisten, und am Ende steht das jubilierende Amen des Chors – mit 14 Takten wohl einer der kürzesten Schlusschöre überhaupt.

Meine Seele erhebet den Herrn

Das Magnificat ist eine der wenigen Stellen im Neuen Testament, die ganz den Frauen gehört. Maria und ihre Kusine Elisabeth haben Unglaubliches erlebt – die eine die Verkündigung durch den Erzengel Gabriel, die andere eine Schwangerschaft im fortgeschrittenen Alter. Die Frauen vertrauen einander. Maria ist mit gutem Grund stolz auf sich ("von nun an preisen mich selig alle Geschlechter"), denn Gott hat sie auserwählt. Sie besingt Gott und seine Taten. Dietrich Bonhoeffer nannte das Magnificat in einer Predigt von 1933 das "leidenschaftlichste, wildeste (…) und revolutionärste Adventslied, das je gesungen worden ist". Hier spreche nicht "die sanfte, zärtliche, verträumte Maria, (…) sondern die leidenschaftliche, hingerissene, stolze, begeisterte Maria."

Hammerschmidt komponiert sein Magnificat als Konzert in Strophenform für Sopran, Alt und Chor. Bei ihm wirkt das Magnificat mehr wie eine Erzählung als ein Lobgesang. Johannes Kuhnaus (1660-1722) Magnificat ist prachtvoll. Kuhnau, der Nachfolger Schelles als Thomaskantor in Leipzig, gestaltet es als Kantate, Chor und Solisten agieren im Wechselspiel. Ihm geht es v.a. um die Textauslegung, die mal musikalisch dramatisch, mal arios oder lyrisch ist. Man wird den Eindruck nicht los, als ob er Marias revolutionäre Botschaft als Sehnsucht der Menschen seiner Zeit begreift – und bejaht. Händels "Tochter Zion" setzte den strahlenden Schlusspunkt eines rundum gelungenen Konzerts, das mit großem Beifall bedacht wurde. (Jutta Hamberger) +++


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