Viele nutzen es gerne, aber einer missbraucht es

10.12.22 - Hasibe Özaslan ist ein freundlicher Mensch mit Sinn für Ästhetik. In Bad Hersfeld hat die junge Frau, deren familiäre Wurzeln in der Türkei liegen, ein Atelier und ein Geschäft. Und ihr Motto lautet: "Gemeinsam Freude machen". Aus diesem Grund hat sie ein "Freu-dich-Regal" in der Oberen Frauenstraße eingerichtet, in dem Menschen alles, was sie nicht mehr brauchen, was aber noch benutzbar ist, ablegen und sich etwas anderes mitnehmen können. Doch in letzter Zeit findet sie vermehrt etwas in ihrem Regal, was dort nichts zu suchen hat.

"Frau Ö.", unter diesem Namen ist Hasibe Özaslan auch in Bad Hersfeld bekannt. Die Idee zum "Freu-dich-Regal", das sie türkisch "Ikram" nennt, entstand am Girls'- und Boys-Day im Frühjahr. "Zwei Jungs waren bei mir im Atelier", erzählt sie. In einem Hauseingang, an dem kurz zuvor ein Zigarettenautomat abgebaut wurde, klaffte eine Lücke. Passend bauten die Jungs gemeinsam mit einem älteren Herrn ein Regal, das den Platz des Automaten einnehmen sollte.

Nachhaltigkeit: Nichts muss weggeworfen werden

"Ich mache viele Projekte in Bad Hersfeld, mit denen ich Menschen eine Freude machen möchte", erzählt Frau Ö. Die "Hersfelder Steine" gehören unter anderem zu den von ihr angestoßenen Aktionen. Ein weiterer Aspekt, auf den sie setzt, ist Nachhaltigkeit. "Dinge, die jemand nicht mehr benötigt, kann er in das Regal legen. Jemand anderes braucht vielleicht gerade genau das und kann es einfach mitnehmen", so Frau Ö. 

Neben Büchern, die sich zum Tauschen anbieten, findet sich aber auch vieles andere im Freu-dich-Regal. Schuhe, Kleidung, Pflanzen, Weihnachtsdeko, Haushaltsgegenstände - die Liste ließe sich beinahe beliebig erweitern. Manchmal treffen sich Menschen dort und kommen miteinander ins Gespräch. 

Doch eine Person hält sich nicht an die Spielregeln. "In letzter Zeit finde ich fast täglich Flyer oder kopierte Zettel, die jemand im Regal verteilt oder in den Büchern versteckt", erzählt Frau Ö. Islamfeindliche, rassistische, extremistische oder homophobe Botschaften werden auf diesen Zetteln verbreitet. "Dafür ist hier kein Platz", konstatiert Frau Ö. Grundsätzlich ist sie der Meinung, dass jeder seine Ansicht äußern dürfe und sie zensiert den Inhalt des Regals, das sie täglich kontrolliert, nicht. "Ich lasse auch Bibeln oder esoterische Bücher drin."

"Das ist feige und dreist"

Das ist nur eine der ominösen "Botschaften", die Frau Ö. immer wieder in ihrem Tauschregal ...

Die Coronazeit hat laut Frau Ö. dafür gesorgt, dass die Menschen "nach positiven Dingen dürsten". Es sei besser, den Blickwinkel auf Positives zu lenken, anstatt über Negatives nachzudenken. Darum habe sie auch länger überlegt, ob sie die Fundstücke im Regal überhaupt öffentlich machen solle. "Da es jetzt aber vermehrt vorgekommen ist, platzte mir dann doch die Hutschnur." In der Wandelhalle des Kurparks gibt es einen Bücher-Tausch-Schrank. Auch dort finden sich immer wieder ähnliche Zettel.

"Mein Freu-dich-Regal soll alle Leute ansprechen und in den vergangenen neun Monaten hat das auch sehr gut funktioniert", sagt Frau Ö. Und damit das auch so bleibt, hofft sie, dass der Verbreiter oder die Verbreiterin dieser Zettel aufhört. Bis dahin durchforstet sie weiterhin ihr Regal regelmäßig. "Wir möchten, dass unser Freu-Dich-Regal weiterhin das tut, wofür es steht: Menschen erfreuen!" (Christopher Göbel) +++