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Thomas Herget beim Mittelrheinmarathon Oberwesel-Koblenz - Fotos: Privat

FULDA Eine einzigartige Karriere

Thomas Herget: Fulda-Marathon, fast 80 Ultraläufe und Hirschgeweihe

16.12.22 - Wenn der Name Thomas Herget fällt, fällt auch ein Stück Laufgeschichte. Fuldaer Laufgeschichte. Sein Lebensbogen spannt sich für den heute 55-Jährigen von der Bahn, auf der er sämtliche Mittel- und Langstreckendistanzen lief - hin zum Marathon und zu Ultraläufen. Als 15-Jähriger absolvierte er seinen ersten Marathon, viermal und als erster Deutscher gewann er den Fulda-Marathon, der seinerzeit noch wirklich einer war. Zu seiner Leidenschaft entwickelten sich die Ultraläufe. Fast 80 absolvierte er, in seinem Rekordjahr 2011 alleine 17. OSTHESSEN|NEWS durfte an seiner Geschichte teilhaben. 

Bescheiden kommt er rüber. Dankbar fast. Stolz zeigt er drei Mini-Kameras, die er bei seinen Ultra-Läufen benutzte. "Damit ich schöne Landschaftsaufnahmen machen konnte", sagt er, "das habe ich sehr genossen. Weil ich mir immer Erinnerungen aufheben wollte". War etwas an den Kameras kaputt, störte ihn das keineswegs. "Ich bin Hobby-Elektroniker. Für den Fall, dass etwas kaputt ist." Thomas Herget brachte es wieder auf den Weg. Stets machte er den Weg für sich frei.

Anfänge auf der Bahn 

Sein Lebensbogen, wie er es nennt, begann auf der Bahn. Als Schüler. Herget startete für die LG Fulda. In den 1980er-Jahren widmete er sich den Wettkämpfen auf der Bahn, sie reichten bis in die 90er-Jahre hinein. Fast an jedem Wochenende war er zu dieser Zeit unterwegs. Trainer Werner Schnell hielt die LG-Gruppe damals zusammen. Voller Stolz kramt Herget ein Heft aus dem Jahr 1996 hervor, in dem der damalige Bezirk Leistungen und Klassifizierungen auflistete.

Herget ist auf Platz drei über 800 Meter geführt, er lief auch Hindernisstrecken und die 3x1000-Meter-Staffel. Er lief alle Strecken, "eine Bandbreite, die heute keiner mehr auf- oder vorzuweisen hat." Stolz zeigt er auch einen Zeitungsausschnitt aus dem Jahr zuvor, als er mit dem Lauftreff Fulda am Rennsteiglauf teilnahm. "Unter 6.000 Startern den dritten Platz im Halbmarathon zu belegen, das ist schon 'ne Qualität". Ein Stückchen Freude, als sei es erst gestern gewesen. Gut ein Vierteljahrhundert ist das her.

Er nennt Lauf-Koryphäen seiner Zeit. Hartmut Fennel war vor seiner Zeit, Herget fallen auch die Jiptner-Brüder Frank und Bernd, der heute als Nachfolger von Jürgen Schuck 1. Vorsitzender der LG Fulda ist, Joachim Katzer, Sascha Wingenfeld oder Andreas Schur ein. Bis er auf den Fulda-Marathon zu sprechen kommt. Eine für ihn eigene und spezielle Geschichte. Für ihn war es der Höhepunkt jeden Jahres. 1978 gab es den ersten. Herget lief den Fulda-Marathon erstmals 1982 - als 15-Jähriger. Auch das ist heute nahezu unvorstellbar.

Am Start des Rennsteig-Supermarathons 2004 in Eisenach ...

Ultras werden auch nachts gestartet (hier Thüringen Ultra 2010)

"Fulda hatte schon einen Marathon, als andere Städte noch keinen hatten"

Zehn Jahre später gewann er ihn zum ersten Mal - gegen all die Amerikaner, die den Fulda-Marathon 1993 letztmals ausrichteten - Herget bestritt in diesem Jahr einen Halbmarathon. Für sie war der Fulda-Marathon alljährlich eine Art Höhepunkt. Sie riefen ihn ins Leben, es war für sie eine Art Europameisterschaft, für die auf diesem Kontinent stationierten Regimenter. Wieder begleitet Stolz Hergets Erinnerung: "Wir hatten schon einen Stadtmarathon, als andere Städte noch keinen hatten." Viermal gewann Herget - noch 1994, 1995 und 2000. 

2006 gab es letztmals einen echten Marathon in Fulda. Wehmut macht sich beim Vierfach-Sieger breit über diese Entwicklung. "Ich war enttäuscht, als das eingestellt wurde. Für mich hatte er schon eine gewisse Wertigkeit. Wenn man vor heimischem Publikum mal gewinnen konnte, das war schon herausragend." Im Abschlussjahr konnte Herget nicht teilnehmen, weil er sich den Ultraläufen verschrieben hatte. Celje in Slowenien war der Ort seiner neuen Bestimmung. 

Herget als Dritter bei der Deutschen Meisterschaft Cross beim Thüringen Ultra 2010 ...

Erster Ultralauf: bei "Harzquerung" auf Anhieb Vierter - letzter Ultralauf: 322 Kilometer durch die Schweiz

Sein erster Ultralauf war die Harzquerung. 2004 war das, Herget war 37. Über 51 Kilometer ging es da, der Fuldaer wurde auf Anhieb Vierter, "ohne zu wissen, wo ich stehe". An die 80 sind in all den Jahren zusammen gekommen - nimmt man die Marathons hinzu, käme er leicht in "den 100er-Klub der Marathonläufer". Was ihn an den Ultraläufen so reizt, erklärt er prompt. "Es gibt unwahrscheinlich viele schöne Landschaften. Einen allerschönsten meiner Läufe kann ich spontan gar nicht benennen." Sehr gut im Kopf ist Thomas Herget der Thüringen Ultra über 100 Kilometer, mit Start und Ziel in Fröttstädt im Landkreis Gotha. "Zweimal geht's über den Rennsteig, mit ordentlich Höhenmetern", erklärt er.

Auch am Wasser entlang war er unterwegs: beim Balaton Super Marathon in Ungarn. Vier Tagesetappen müssen die Läufer da hinter sich bringen, insgesamt sind es 195 Kilometer. Dreimal in Folge nahm er daran teil in den Jahren 2011 bis 2013, "mit Hotel-Übernachtung. Da ist ganz Europa vertreten". Der im März ausgetragene Lauf erwies sich als gute Trainingsgrundlage für die Saison. Natürlich gibt es auch bei den Ultra-Läufen verschiedene Distanzen. Den 24-Stunden-Lauf, den über 50 Kilometer bei der Deutschen Meisterschaft oder den Ultra Trail (50 bis 70 Kilometer). 

Bester der deutschen Teilnehmer beim Balaton Supermarathon 2012

Alternativsport beim 48h-Hallenbike in Poppenhausen 2013

Biologisch schlechte Voraussetzungen - Sieg beim Kyffhäuser mit Mini-Training

Heute zieht Thomas Herget ein wirklichkeitsnahes Fazit seiner einzigartigen Karriere. "Ich bin relativ zufrieden mit dem, was ich erreicht habe." Er habe nie zu hohe Ansprüche gehabt, und er schiebt nach: "Von fünf Wettkämpfen hat man einen oder zwei richtig gute. Zwei oder drei sind durchschnittlich." Dass seine Erwartungshaltung nie durch die Decke schoss, hing auch mit Folgendem zusammen. "Ich war immer Trainings-Minimalist. Mit 16 hatte er schon Kniebeschwerden, Plattfüße und X-Beine, "ich hatte biologisch schlechte Voraussetzungen. Ich habe immer nach der Minimax-Methode trainiert". Das hieß aus seiner Sicht: "90 Prozent des Wettkampf-Tempos. Immer volle Pulle." Dieser geringe Trainingsaufwand sorgte durchaus ungläubiges Staunen.

Als Herget einst den Kyffhäuser Berglauf, einen echten Marathon mit mehr als 600 Höhenmetern gewann, erschien 2005 in der Laufzeitschrift "Spiridon" ein Artikel mit der Schlagzeile "Sieg mit Mini-Training". Daraufhin folgte ein Leserbrief mit der Bemerkung, wie man nur solche Lügen abdrucken könne - niemand wollte glauben, dass Herget so wenig trainiert. Der Fuldaer ordnet sich als "regionale Größe" ein, gemäß des Leitsatzes des römischen Feldherrn Cäsar "Lieber der Erste in Gallien als der Zweite in Rom". Herget fügt an: "Wäre ich eine Ebene höher gestartet, hätte ich sicher in dieser Richtung Blut geleckt." Ähnlich wie Julian Flügel aus Hofbieber, der 2016 am Marathon der Olympischen Spiele in Rom teilnahm.

Die Knie sind kaputt heute. Kaputt für Leistungssport. Arthrose lässt grüßen. Einmal in der Woche trainiert er noch. Verpasstem weint Thomas Herget nicht nach. Im Gegenteil. Höchstens mit der Erkenntnis: "Mit den Ultra-Läufen hätte ich früher anfangen sollen. Dann hätte ich auf Nationalmannschafts-Ebene mitlaufen können." Seinen wohl letzten Ultralauf bestritt er im Juli - durch die gesamte Schweiz hindurch. Über sechs Etappen. 322 Kilometer. Gut 5.000 Höhenmeter. Die letzten beiden Teilstücke schaffte er nur mit ausgiebigen Gehpausen.

"Hätte ich in meinem Bett gelegen, wäre ich von den Pokalen erschlagen worden"

Auch so tickt Herget: Hirschgeweihe hängen in seinem Zimmer. Nicht etwa von der Jagd. An ihnen baumeln Medaillen aus einer Karriere. Und an zwei üppig gefüllten Regalen haben sich Pokale angehäuft im Laufe der Jahre - über seinem Bett wohlgemerkt. Auf "110 bis 115" beziffert er die Zahl. "Das Regal über meinem Bett ist einmal runtergekommen. Die Pokale haben die Dübel aus der Wand gerissen. Sogar in der Bettwäsche war ein Loch." Scherz, Leidenschaft, Erinnerung, ein bisschen positives Verrücktsein - alles wohnt und schläft eng beieinander. "Hätte ich damals in meinem Bett gelegen, wäre ich von meinen Pokalen erschlagen worden. Der Traum-Tod für einen Läufer." Die Geweihe hatte er übrigens mal der Zeitschrift runners world geschickt. Und die druckte das Foto ab.

Eines möchte Thomas Herget noch loswerden - als Fuldaer für die Fuldaer. 1995 gab's einen "Turmlauf zu Fulda", und der 55-Jährige stellt sich die Frage: "Warum wird das Event nicht wiederholt?" Eventuell bei der Stadtschlossturm-Sanierung zur Eröffnung der Landesgartenschau im kommenden Jahr. Herget sagt das nicht nur, weil er damals gewann und der schnellste Läufer war. 25-mal, so erinnert er sich, ging's rauf und runter, über 4.175 Stufen. Eine steile Geschichte. Wie seine einzigartige Karriere. (wk) +++

Herget besitzt eine imposante Anzahl an Medaillen

und auch an Pokalen


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