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Die Zusage, Kampfpanzer vom Typ Leopard an die Ukraine zu liefern, prägt die aktuelle politische und gesellschaftliche Debatte in Deutschland. - Grafik: O|N

REGION Kommentar von Michael Brand (MdB/CDU)

Pro: Warum Leopard-Panzer in die Ukraine? Eine Erklärung und eine Warnung

28.01.23 - Mein Kollege von der SPD, Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deut­schen Bundestag, hat Recht: Im Krieg in der Ukraine, der von Putin mit barbarischer, dabei kalt überlegter Brutalität geführt wird, schützen die Panzer in der Ukraine nicht nur Tausende von Menschenleben, sie bringen auch den Frieden näher. 

So paradox es klingt, so richtig ist es. Denn Putin hat in vielen Kriegen gezeigt, dass er tatsächlich gar kein Problem hat, Hunderttausende umzubringen und zivile und kulturelle Infrastruktur dem Erdboden gleichzumachen, von Wohngebäuden bis Kinderkrankenhäuser. Putin hat das schon in Tschetschenien 1999/2000 und in Syrien gezeigt, seine Paramilitärs begehen aktuell Kriegsverbrechen in afrikanischen Staaten.

Putin respektiert nichts

Putin hat seit langem bewiesen, dass er nichts respektiert - außer klarer Gegenwehr und klarem Ultimatum. Als er 2008 das benachbarte Georgien überfiel, führte ein klares Ultimatum aus Washington, notfalls Georgien beizustehen, zum Rückzug; noch immer allerdings besetzen russische Truppen Teile von Georgien. 

Immer dann, wenn Putin auf die Schwäche der Gegenseite vertraute, weitete er seine Aggression aus. Die Schwäche des Westens, auch Deutschlands, nach dem Überfall auf die Ukraine 2014 (noch danach hat Deutschland, gegen alle Warnungen, mit Russland einen großen Gas-Deal abgeschlos­sen, sich damit noch abhängiger von Russland gemacht) hat Putin dazu verleitet, eine brutale Inva­sion gegen die Ukraine ohne große internationale Konsequenzen für möglich zu halten. Er ging davon aus, dass der Westen keine Kraft mehr hat, im Fall eines Überfalls auf die Ukraine ernst­haft zu reagieren. Hätten wir früh genug an der Seite der Ukraine gestanden, hätte die Abschre­ckung funktioniert und wäre der Krieg zu verhindern gewesen. 

Michael Brand besucht im Juni 2022 die Ukraine. Hier in der zerstörten Stadt Irpin. ...Foto: Privat

In der Ukraine habe ich selbst aus nächster Nähe und direkt die Folgen dieser schlicht barbarischen Haltung gesehen: Raketen in Schulen, Kindergärten, in große Wohngebäude – und das gezielt, nicht versehentlich. Nicht nur die Moral, auch die kalte Vernunft gebietet, diesen Mann möglichst noch in der Ukraine zu stoppen, bevor er ganz Europa in seinen Krieg hineinzieht.Putin sagt es - und er glaubt es auch: Er ist im Krieg mit der NATO und dem Westen, nicht nur der Ukrai­ne. Oder gegen den "Satanismus", wie es die russisch-orthodoxe Kirche, eine seiner stärksten Stüt­zen, formuliert. Dieser Satanismus sind Demokratie, Toleranz, Freiheit und unsere westliche Art zu leben. Weil die Ukraine mit ihrer historisch anderen, älteren und stärker westlichen Prägung (Polen und Litauen haben dieses Territorium lange Zeit beherrscht und Spuren hinterlassen) als das erst 1000 Jahre nach Kiew entstandene Moskau nach westlichem Muster leben wollte, hat Putin diese Ukraine als Gefahr für sein Regime eingestuft und angegriffen. Mit dem Mut und der Entschlossenheit der Ukrainer hat der Herrscher im Kreml nicht gerechnet.

Putin will das alte, imperiale Russland wiederherstellen, zur Not mit Krieg. Er vergleicht sich mit Zar Peter dem Großen, und er will keine Demokratie, sondern eine feudale Diktatur, weit über die Grenzen Russlands hinaus. Sei­ne Propagandisten nennen offen Estland, Lettland, Litauen, Georgien, Moldawien, selbst Polen als mögliche Ziele. Es ist völlig klar, dass in der Ukraine auch die Frage entschieden wird, ob Putin die NATO angreift oder nicht.

Die Ukraine verteidigt auch unseren Frieden

Die Ukraine verteidigt also tatsächlich mit ihrem Kampf ganz direkt auch unseren Frieden, auch un­sere Art zu leben. Da ist es das Mindeste, dass wir sie nicht im Stich lassen. Für diejenigen, die zy­nisch genug sind, die Ukrainer ihrem Schicksal überlassen zu wollen, sei auf die Geschichte verwie­sen: Weder das Einknicken des Westens gegenüber Hitler hat den Zweiten Weltkrieg verhindert noch hat das Einknicken gegenüber Putin den großen Krieg in der Ukraine verhindert. 

Im Gegenteil: Brutale Herrscher verstehen leider nur klare Signale, dass sich Krieg nicht "rechnet". Fehlen diese Signale, wird Krieg wahrscheinlicher. Um es auf den Punkt zu bringen: Wer keinen Krieg auch in Deutschland riskieren will, muss alles tun, damit die Ukraine gewinnt und die russische Ag­gression verliert.
 

Michael Brand (MdB/CDU) ist für eine Kampfpanzer-Lieferung an die Ukraine. ...Archivfoto: O|N/Carina Jirsch

Das zweitgrößte Land Europas mit seinen 40 Millionen Einwohnern hat bewiesen, dass es seine Freiheit und die Demokratie entschlossen verteidigt. Manche bei uns haben teils mehr Angst vor ei­ner sehr unwahrscheinlichen atomaren Eskalation als Angst um unsere Art zu leben. Einige sagen selbst, dass der Krieg - egal wie - nur schnell zu Ende sein sollte, dass man Putin auf gar keinen Fall weiter rei­zen dürfe. Manche befürworten das gar um den Preis,  notfalls die Ukraine zu opfern. Das ist eine sehr gefährliche Haltung. 

Eine ähnliche Stimmung gab es in Europa, vor allem in Deutschland, nach dem Zweiten Weltkrieg schon einmal, auch wenn es damals keinen Krieg, sondern die Drohung mit Krieg aus Moskau gab. Hunderttausende waren auf den Straßen und demonstrierten gegen Mittelstreckenraketen zur Vertei­digung der NATO. Ein populärer SPD-Kanzler, Helmut Schmidt, wurde über diese Frage von seiner eigenen Partei gestürzt. Die SPD warnte vor der atomaren Gefahr, wollte die Stationierung der Ra­keten stoppen. Eine neue Bundesregierung unter Helmut Kohl ließ sich von den Drohungen aus Moskau nicht einschüchtern, die Mittelstreckenraketen zur Verteidigung wurden aufgestellt, und aus den nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geöffneten Archiven wissen wir, dass dies ein wesentlicher Faktor für das Ende der Diktatur in der Sowjetunion wurde. 

Heute ist die Lage anders. Putin hat die europäische Friedensordnung mit seinen Kriegen gegen Ge­orgien 2008 und die Ukraine 2014 und 2022 beendet, den Krieg nach Europa zurückgebracht. 

Wenn wir uns dem nicht entgegen stellen, der Ukraine nicht die Mittel zur Verfügung stellen, um Land und Leute verteidigen zu können, wird sich der Krieg ausbreiten. Schon Hitler hat Polen auch in der Annahme überfallen, dass der Westen zu schwach sei, um sich dem entgegenzustellen. Ent­schlossenheit des Westens hätte diese großen Kriege wohl verhindern können. Abschreckung ist keine Ideologie, sondern erfolgreiche Praxis gegenüber totalitären Herrschern. Mut und Verteidi­gung haben in Europa den Frieden bewahrt, und auch in der Ukraine werden nur Abschreckung und Verteidigung Putin zum Umdenken bringen. 

Angst ist der falscheste Ratgeber

Die meisten internationalen Beobachter sind sich einig: Einen atomaren Krieg wird Putin nicht vom Zaun brechen. Er klebt so sehr am Leben, dass er während der Covid-Pandemie selbst engste Mitar­beiter zu zwei Wochen Quarantäne zwang, bevor sie ihn sehen durften. Die USA haben ihm unmiss­verständlich klar gemacht, dass es um sein ganz persönliches Leben geht, falls er zu Atomwaffen greifen wollte. Deshalb sind er – wie die Generäle, die er für den Einsatz von Atomwaffen braucht - von dieser Eskalation abgeschreckt. Wenn es also um die Verteidigung gegen einen so gefährli­chen Mann wie Putin geht, ist Angst nicht nur der falscheste Ratgeber. Sie kann in den Abgrund führen.

Natürlich ist keine Lage einfach, wenn es um Krieg geht. Aber die Lieferung der Panzer wird, gemeinsam mit anderen Verteidigungssystemen für die Ukraine dazu führen, dass die Kosten des Überfalls für Russland so hoch werden, dass diejenigen in Moskau, die anders als Putin diesen Krieg für eine Katastrophe auch für Russland halten, auf ein Ende des Krieges drängen. 

Die fast ein Jahr andauernde Weigerung, die von der Ukraine gleich zu Beginn erbetenen, in Deutschland und bei unseren Verbündeten verfügbaren Panzer zur Verfügung zu stellen, hat tausen­de Menschen das Leben gekostet. Das ergibt sich aus zahllosen Berichten – und im Übrigen auch aus klarem Menschenverstand: Wer sich gegen die barbarischen russischen Truppen nicht wehren kann, der muss mit dem Schlimmsten rechnen. Und dieses Schlimmste passiert, jeden Tag. Wir kennen die Berichte. Die Blockade der Verbündeten, die Leopard liefern wollten, aber von Scholz gehindert wurden, hat den Krieg unnötig verlängert und den Frieden weiter hinausgescho­ben. 

Nachdem Kanzler Scholz sich dem Druck nahezu aller anderen Partner im Westen beugte und end­lich zustimmte, müssen wir darauf hoffen, dass es nicht zu spät ist. Denn Gnade uns Gott, wenn Russland sich bei der Frühjahrsoffensive und in diesem Krieg durchsetzt. Dann steht Putin an der Grenze von Polen, ein Angriff auf das Baltikum wird nicht ausgeschlossen - und damit ein Krieg von Russland gegen die NATO.

China und Taiwan nicht aus den Augen verlieren

uEin Letztes: Anders als viele hier bei uns sind internationale Experten mit Blick auf Russland und den Westen auch um noch ein ganz anderes Thema ernsthaft besorgt. Es geht um einen Krieg Chi­nas gegen Taiwan, mit einer möglichen atomaren Auseinandersetzung zwischen den USA und Chi­na. Der Zusammenhang mit der Ukraine besteht darin, dass auch das mit Russland verbundene Chi­na Zeichen von Schwäche im Westen als Ermunterung dafür nehmen könnte, Taiwan noch früher zu überfallen als angedroht. 

In den USA wurde jüngst das Jahr 2026 genannt, vielleicht sogar früher. Es geht also bei unserer Haltung zur Ukraine nicht nur um Verteidigung unschuldiger Menschen, die Abwehr eines als Völkermord geltenden brutalen Überfalls von Russland. Es wird inzwischen die Gefahr eines gro­ßen chinesisch-amerikanischen Krieges offen diskutiert. Ein Krieg der chinesischen Führung wird dann für wahrscheinlicher gehalten, wenn China den Westen, für schwach, feige und mutlos hält.

Wir leben in sehr ernsten Zeiten. Dies ist keine Zeit für Abenteuer, und nicht für Angst. Dazu ist diese Zeit viel zu gefährlich. Die Lieferung von Kampfpanzern ist ein Akt von Vernunft, rettet viele Menschenleben, und trägt hoffentlich dazu bei, den Krieg rascher zu beenden. Die Blockade von Scholz hat den Krieg verlängert, das lange Zögern dazu gefährliche Signale nach China und anders­wo geschickt. Wenn wir im Westen nicht bereit sind, mit Ruhe, kluger Analyse und natürlich auch mit Mut die Gefahren zu meistern, kann auch Europa wieder in einen ganz großen Krieg hinein­schlittern. Die Leopard-Panzer sind ein wichtiges Gegenmittel gegen Eskalation in dieser Lage. Deshalb war es so wichtig, dass Deutschland sie endlich, endlich freigegeben hat.

 (Der Autor: Michael Brand (Fulda-MdB) ist Sprecher für Menschenrechte  der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss) +++


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