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Der 21-jährige Angeklagte (r) muss sich nach einem Unfall mit tödlichem Ausgang vor Gericht verantworten - Fotos: Nina Bastian

FULDA Tödlicher Unfall am Gallasiniring

Wieso musste die Unschuldige sterben? 21-Jähriger gesteht Flucht vor Polizei

01.02.23 - Das Strafverfahren wegen des Verdachts des Totschlags sorgt für Trubel, denn schon lange war der Gerichtssaal im Landgericht Fulda nicht mehr so gut besucht. Bereits in den ersten Minuten der Verhandlung gesteht der 21-jährige Angeklagte: "Ja, ich bin vor der Polizei geflohen und durch einen Unfall kam jemand zu Tode. Aber ich habe den Tod des Opfers nicht billigend in Kauf genommen. Es war eine Verstrickung unglücklicher Ereignisse."

Der Unfalltag

Am 19. August 2022 hatte sich der 21-Jährige laut eigener Aussage auf den Weg zu seiner Freundin gemacht, um sie an der Arbeit zu besuchen. Am Abend zuvor war es zu einem heftigen Streit gekommen, woraufhin der junge Mann acht, neun Joints rauchte und sechs bis sieben Mal an der Bong zog. "Gegen 4 Uhr versuchte ich mich hinzulegen, um zu schlafen, bis ich um kurz vor 10 am Morgen aufwachte." Erneut drehte er sich einen Joint und stieg anschließend in seinen schwarzen BMW. Dass er seine Fahrerlaubnis, die er erst seit rund zehn Monaten besaß, wenige Tage zuvor aufgrund eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz abgeben musste, hinderte ihn nicht daran, loszufahren. 

Laut dem Angeklagten fuhr er die Petersberger Straße entlang, als er einen Polizeiwagen bemerkte. "Ich hatte Angst, dass sie mich kontrollieren wollen und habe deswegen Gas gegeben." Das konnten die beiden vom Gericht geladenen Polizeibeamten bestätigen: "Meinem Kollegen fiel das Kennzeichen zusammen mit einer fehlenden Fahrerlaubnis auf, sodass wir den Fahrer kontrollieren wollten. Es ging alles so schnell, denn plötzlich gab der BMW-Fahrer Gas", berichtet die Polizeioberkommissarin dem Richter. Beim Abbiegen von der Straße "Am Jagdstein" in den Gallasiniring verlor der Mann in einer Rechtskurve die Kontrolle über sein Fahrzeug und geriet in der Folge auf den Gehweg rechts neben der Fahrbahn (OSTHESSEN|NEWS berichtete). 

Der Unfall geschah am 19. August 2022 in Fulda Archivfoto: O|N/Henrik Schmitt

Den genauen Unfallhergang konnten die Beamten jedoch nicht sehen. Der Angeklagte erklärt: "Ich habe die ältere Dame auf dem Bürgersteig gesehen und versucht, das Auto nach links zu ziehen und zu bremsen. Dann habe ich es nur noch krachen gehört." Während der Verhandlung liefen dem 21-Jährigen immer wieder Tränen über das Gesicht. Kurzzeitig musste die Verhandlung aufgrund von angegebenen Schmerzen in der linken Brust sogar pausiert werden. "Ich kann nicht mehr schlafen, kein Mensch hat so einen bitteren Tod verdient", beteuert er. "Ich wünschte, ich könnte mit der Frau tauschen. Mir tut das von Herzen leid."

71-Jährige verstirbt im Krankenhaus

Laut Anklage wurde die 71-Jährige mit ihrem Rollator auf dem Bürgersteig erfasst. Dabei sei diese zwischen dem BMW und einer Mauer eingeklemmt worden. Der Angeklagte habe dies auch wahrgenommen, gleichwohl versucht, weiterhin zu flüchten. Zu diesem Zweck habe er immer wieder Gas gegeben, um den Pkw wieder auf die Fahrbahn zu bekommen. Hierdurch sei die Geschädigte immer wieder durch das Fahrzeug an die Mauer gedrückt, von dieser weggezogen und erneut eingequetscht worden. Während der Angeklagte dies dementierte, bestätigte eine Augenzeugin am Dienstag vor Gericht: "Die Frau lag in ihrer Blutlache. Ich habe es gesehen." Nach einer Notoperation im Klinikum Fulda wachte die alte Dame nicht wieder aus dem Koma auf. Am 31. August 2022 starb sie an den Folgen ihrer Verletzungen. 

"Ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich drogensüchtig bin"

Von einer leichten Kindheit und Jugend konnte der 21-jährige Fuldaer nicht berichten. Mehrfach wechselte er den Kindergarten, besuchte insgesamt fünf verschiedene Schulen und musste seine Ausbildung zum Maler und Lackierer abbrechen, nachdem er zum dritten Mal durch die Gesellenprüfung gefallen war. Mit Gelegenheitsjobs hielt er sich über Wasser. "Ich hatte einen schlechten Freundeskreis und kam mit 13 Jahren das erste Mal mit Cannabis in Kontakt." Ein paar Jahre später konsumierte er regelmäßig - auch Kokain. "Außerdem bin ich spielsüchtig und hielt mich oft in Spielotheken auf."

"Wie konnten Sie Ihre Drogen- und Spielsucht finanzieren?", fragte der Vorsitzende Richter Josef Richter den jungen Mann. "Ich habe Leute auch abgezogen und konnte mein Diebesgut nutzen. Außerdem habe ich viele Schulden gemacht." Bereits im Jahr 2016 fiel er aufgrund eines Diebstahls polizeilich auf und musste in den Jugendknast. Im Juni 2022 saß er unter dem Einfluss von Cannabis am Steuer und wurde bei einer Kontrolle auf der A8 bei Bad Reichenhall erwischt. Wegen der vorsätzlich unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln aus Österreich wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt.

"Mir ist das peinlich und ich konnte mir nicht eingestehen, dass ich drogensüchtig bin. Aber jetzt möchte ich mein Leben umkrempeln. Ich brauche unbedingt therapeutische Hilfe. Außerdem möchte ich meine Familie wieder stolz machen, in die Fußstapfen meines Vaters treten und seine Firma übernehmen", sagt der 21-Jährige voller Reue.

Die Verhandlung wird am 13. Februar um 9:30 Uhr fortgesetzt. (Nina Bastian) +++


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