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25.000 Notrufe in Vogelsberger Leitstelle - darunter ein perfider Missbrauch
11.02.23 - Hier klingelt es am laufenden Band: Bei der Vogelsberger Leitstelle in Lauterbach gehen pro Tag etwa 70 Notrufe ein. Und das rund um die Uhr. Wie die Arbeiten hinter verschlossener Tür genau ablaufen - und was nach Absetzen eines Notrufs passiert, erklärt die Leitstelle im OSTHESSEN|NEWS-Interview zum Europäischen Tag des Notrufs.
Die Arbeit in der Leitstelle des Vogelsbergkreises
Nachts kurz auf Toilette, der Stolperer über die Teppichkante, ein Sturz und vielleicht ein gebrochener Oberschenkelhals. Die Ehefrau ruft die 112 an – und erreicht Einsatzbearbeiter Kevin Tillich in der Zentralen Leitstelle des Vogelsbergkreises. Dieser hört zu, sagt sachlich und pragmatisch, was zu tun ist, beruhigt und dirigiert von seinem Arbeitsplatz aus den Einsatz des Rettungswagens und die Zuweisung ins Krankenhaus.
Tillich hat Erfahrung darin, auch in stressigen und hektischen Einsatzlagen ruhig und professionell zu arbeiten: Schließlich blickt er auf insgesamt 18 Jahre Erfahrung als Zeitsoldat und Rettungsassistent zurück. In der Leitstelle arbeitet Tillich seit 2020, und hat zusätzlich eine Ausbildung zum Einsatzbearbeiter an der Landesfeuerwehrschule in Kassel abgeschlossen.
Sein Arbeitsplatz in der Leitstelle ist bestens vernetzt: Acht Bildschirme geben ihm ein umfassendes Bild zum Einsatzgeschehen. Fahrzeuge mit GPS-Sender, Wachenstandorte, oder Rettungspunkte sind schnell lokalisiert und auf verschiedenen Kanälen kann er Fahrzeugbesatzungen, Einsatzkräfte, Leitstellen anderer Landkreise, die Polizei oder die Krankenhäuser der Region kontaktieren. "Über das IVENA-System kann ich beispielsweise in Echtzeit die Belegung der Krankenhäuser einsehen, und mit der Rückmeldung der Einsatzkräfte zum Beispiel Notfallpatienten schon im passenden Haus anmelden und die Notaufnahme in Kenntnis setzen", erklärt Tillich.
Zwei Missbräuche bei 25.000 Notrufen
Im vergangenen Jahr gingen in der Vogelsberger Leitstelle 25.000 Notrufe ein. Da kann es schon mal passieren, dass ein Anrufer einen Notruf absetzen will, die Leitung allerdings besetzt ist. Doch was dann? "In diesem Falle bekommt man eine Ansage zu hören, dass man dranbleiben soll. Zeichnet sich ab, dass das Notrufaufkommen hoch bleibt, z.B. bei Unwetter-Lagen oder anderen Großschadensereignissen, wird die Leitstelle personell verstärkt und zusätzliche Abfrageplätze in Betrieb genommen", heißt es vonseiten der Leitstelle. In "normalen Zeiten" besetzen 13 Mitarbeiter die Leitstelle - im Einsatz sind immer zwei Personen, rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr.
Dass es nicht alle Anrufer ernst meinen, zeigt die Zahlen aus den vergangenen Jahren - auch wenn die Notrufmissbräuche im Vogelsberg eher selten sind: "In den letzten fünf Jahren hat die Zentrale Leitstelle insgesamt fünf Notrufmissbräuche zur Anzeige gestellt" - zwei davon sind aus dem vergangenen Jahr. "Darunter war ein Fall, bei dem Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei wiederholt zu einem gemeldeten Gebäudebrand mit Menschenleben in Gefahr gerufen wurde - diesen gab es aber nie."
Vieles ist automatisiert
Kommt es aber dann tatsächlich - also in den meisten Fällen - zum Einsatz, werden die örtlichen Einsatzkräfte über Funkmeldeempfänger, die sogenannten Pager, alarmiert. "Hier bekommen sie über die Leitstelle erste Informationen zur gemeldeten Einsatzlage." Zusätzlich werden nach örtlichen Alarmplan gegebenenfalls auch Sirenen zur Alarmierung von Einsatzkräften der Feuerwehr ausgelöst.Hierbei ist vieles mittlerweile automatisiert: "Einsatzort und Einsatzart werden auf den Pagern angezeigt, Ausrücke- und Eintreffmeldungen der Kräfte werden per "Tastendruck" am Funkgerät als Statusmeldung an die Leitstelle übermittelt." Die Bearbeiter in der Leitstelle seien trotzdem für die Einsatzkräfte erreichbar. "Zeigt sich beispielsweise vor Ort eine andere Einsatzlage, die beispielsweise zusätzliche Einsatzkräfte oder –mittel erfordern, nimmt die Leitstelle diese Meldung entgegen und veranlasst die Alarmierung."
Richtiges Verhalten beim Absetzen eines Notrufs
Zum europäischen Tag des Notrufs gibt die Vogelsberger Leitstelle Tipps, für ein "gutes" Absetzen eines Notrufs: "Menschen, die in Notsituationen die 112 kontaktieren, sollten sich auf die professionelle Gesprächsführung der Einsatzsachbearbeiter einlassen. Er fragt die nötigen Informationen ab und gibt Anweisungen zum richtigen Verhalten."Dazu gehören vor allem die sogenannten W-Fragen:
1.) Wo ist etwas geschehen?
2.) Wer ruft an?
3.) Was ist geschehen?
4.) Wie viele Personen sind betroffen?
5.) Welche Art der Erkrankung / Verletzung liegt vor?
6.) Warten auf Rückfragen! (lu) +++