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Hand aufs Herz: Der brutale Akt hatte sich lange zuvor durch massive Truppenbewegungen abgezeichnet, wir aber hatten es nicht wahrhaben wollen. - Symbolbild: Pixabay

REGION Kommentar von Bertram Lenz

Das Unvorstellbare ist seit einem Jahr Realität - und niemand weiß, wie es endet

24.02.23 - Es gibt diese Geschehnisse, bei denen man selbst Jahre später noch genau weiß, was man damals gemacht hat, während sich dieses oder jenes ereignete. Die Älteren dürften sich beispielsweise an die Nachricht vom Tod der Lady Di am 31.8.1997 in Paris erinnern oder daran, als am 11.9.2001 ein erstes Flugzeug in das New Yorker World Trade Center gesteuert wurde. Ein ähnlich markantes Datum, das sich mit all seinen noch immer kaum abzuschätzenden Folgen tief in unser Bewusstsein gefressen hat, ist der 24.2.2022 – jener Tag, an dem Russland die Ukraine überfiel.

Hand aufs Herz: Der brutale Akt hatte sich lange zuvor durch massive Truppenbewegungen abgezeichnet, wir aber hatten es nicht wahrhaben wollen. Was auf den ersten Blick durchaus nachvollziehbar, ist, denn wer hatte sich vorstellen mögen, dass 78 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges auf europäischem Boden – und in unserer unmittelbaren Nachbarschaft (!) – wieder Bomben fallen und Panzer rollen würden? Über Nacht sind wir brutal aus unserer Naivität gerissen worden. 

O|N-Redakteur Bertram Lenz kommentiert das eine Jahr Krieg in der Ukraine. ...Archivfoto: O|N

Die verbrecherische Untat Putins hat uns vor Augen geführt, wie fragil und trügerisch die Sicherheit (gewesen) ist, in der wir bis zum 22. Februar vergangenen Jahres gelebt haben. Die Wenigsten von uns haben damit gerechnet, dass es 2022 mitten in Europa dazu kommen könnte, dass Menschen ihre Heimat würden verlassen müssen. Bis heute haben sich viele Tausend in eine ungewisse Zukunft aufgemacht, darauf hoffend, im Westen Europas eine vorübergehende neue Heimat finden zu können.

Zugleich wurde mit dieser Fluchtbewegung der Begriff "Solidarität" neu definiert - auch als eine Geisteshaltung, sich diktatorischen Anwandlungen nicht beugen zu wollen. Denn dieses vergangene Jahr hat nicht nur den Ukrainern sehr viel abverlangt, sondern auch uns Deutschen, die wir mit hoher Inflation und teils ausufernden Energiepreisen zu kämpfen haben. Von den Problemen der Kommunen, Geflüchtete unterzubringen, ganz zu schweigen.  Dass sich auch in unserer Region viele Städte und Gemeinden von der Politik in Berlin im Stich gelassen fühlen - nachvollziehbar. 

Das Jahr des Ukraine-Krieges, diese viel zitierte "Zeitenwende", zwingt uns außerdem täglich dazu, unsere Haltung zu "Krieg und Frieden" und auch zur Bundeswehr neu zu überdenken: Ist eine Aufrüstung legitim, sind Waffenlieferungen moralisch vertretbar, um einen überfallenen Staat zu stärken oder verlängern sie nur den Schrecken eines Krieges? Wäre es nicht allemal besser, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und zu versuchen, eine Lösung zu finden, bei der alle Seiten ihr Gesicht wahren können? Es sind Fragen, die eine Gesellschaft zu spalten drohen - besonders auch dann, wenn die Politik keine zufriedenstellenden Antworten darauf zu geben vermag. 

Fakt ist aber auch, dass wir uns von der Illusion verabschieden müssen, nach einem - wie auch immer gearteten  - Ende des Krieges würde unsere (westeuropäische) Weltordnung so aussehen wie vor dem 24.2.2022. Das Gegenteil ist der Fall, denn Putin erweist sich täglich als unberechenbarer Despot, der den Konflikt über die Ukraine hinaus auszuweiten droht, indem er immer wieder unverhohlen mit Nuklearwaffen droht. 

Stand heute ist es meiner Ansicht nach ein Wagnis, prophezeien zu wollen, wann und wie dieser Krieg endet.  Auch wenn die aktuelle Initiative Chinas, dieses 12-Punkte-Papier, so etwas wie leise Hoffnung zu wecken vermag. (Bertram Lenz) +++


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