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CDU-MdB Michael Brand in Irpin - Foto: privat

REGION Über Ukraine, Putin und den Westen

"Dann kommt der Krieg zu Dir!" – O|N-Gespräch mit MdB Michael Brand

24.02.23 - Der Fuldaer Wahlkreisabgeordnete Michael Brand und menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU im Deutschen Bundestag beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Diktaturen wie in Russland oder China, der Entwicklung der Ukraine und hat das Land auch während des Krieges besucht. Gegenüber OSTHESSEN|NEWS hat er auf Fragen zum Jahrestag des Beginns der russischen Aggression gegen die Ukraine geantwortet.

Herr Brand, wie beurteilen Sie die Entwicklung des Krieges in den letzten zwölf Monaten?

Brand ist definitiv für schnelle Panzerlieferungen an die Ukraine Grafilk O|N

Wir alle sind beeindruckt von der Entschlossenheit, der Intelligenz und der Opferbereitschaft der unterlegenen Ukraine, die ein übermächtiges Russland zum Stehen gebracht hat. Das alles wäre so nicht möglich gewesen ohne jahrelange Erfahrung der Ukrainer im Krieg mit Russland, deren Aggression - das darf man nicht vergessen – ja schon 2014 begonnen hat. Die Ukraine hat also nicht von null angefangen.

Die Ukraine kämpft um das Überleben als Land, und die Ukrainer um das Überleben als Volk. Putin hat nach wie vor nichts weniger vor als das Volk der Ukraine auszurotten. Und an seiner Entschlossenheit gibt es keinen Zweifel, wenn man sich die Kriegsführung anschaut, die gezielte Vernichtung von ukrainischen Kultur, aber auch die Folterzentren, die gezielte Deportation von ukrainischen Kindern nach Russland und vieles mehr.

Wie bewerten Sie die Rolle des Westens, und insbesondere von Deutschland?

Zunächst einmal haben zu viele im Westen sehr lange ganz bewusst über die Gefahren von Putins Russland weggeschaut. Nach dem Motto, Hauptsache der Gaspreis ist billig, und unser Kühlschrank ist voll. Zu lange ist die heranrollende Katastrophe und die seit Jahren aggressive und kriegerische Außenpolitik von Putin gesund gebetet worden. Die Zeitenwende ist ja nicht vom Himmel gefallen.

Europa hat einmal mehr denselben Fehler begangen wie bei Hitler und Stalin. Nun zahlen wir dafür einen hohen Preis, die Ukraine allerdings natürlich einen viel schlimmeren.

O|N-Archivbild: Carina Jirsch

Wir haben zwar der Ukraine mit humanitärer Hilfe und militärischen Beistand geholfen, aber bisher noch immer nicht ausreichend. Wenn wir uns weiter vor der Verantwortung drücken, der Ukraine alles zur Verfügung zu stellen, was sie benötigt, um Putin zu stoppen, dann kann Russland diesen Krieg noch gewinnen.

Und nahezu alle ernsthaften Analysten sind sich ebenso einig: Putin wird dann nicht in der Ukraine aufhören, weil er nach eigenem Bekunden keinen Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen die NATO und den Westen führt.

Es gibt da ein Zitat, das Bertolt Brecht zugeschrieben wird, das da lautet: 'Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.' Dieses Zitat hatte sich die deutsche Friedensbewegung in den achtziger Jahren zu eigen gemacht, als es schon einmal darum ging, Russland durch Mittelstreckenraketen vor einem Angriff abzuschrecken. Das Zitat war aber unvollständig, denn es geht weiter, und es lautet dann: 'Dann kommt der Krieg zu Dir.' 

Wenn wir nicht wollen, dass dieser Krieg sich ausweitet auf ganz Europa, dann müssen wir der Ukraine schnell, und eben nicht immer zu langsam, die Möglichkeiten zur Verfügung stellen, die das Land braucht, um Russland zu stoppen. Besser, Russland wird in der Ukraine gestoppt, als dass es einen Krieg mit der NATO gibt.

Was erwarten Sie denn für die kommenden Wochen und Monate?

O|N-Archivbild

Diejenigen, die von den militärischen Auseinandersetzungen deutlich mehr verstehen als ich, sind sich relativ einig: Wenn wir der Ukraine die Ausrüstung zur Verfügung stellen, und zwar nicht zu spät, sondern früh genug, dann wird die russische Mobilisierung von etwa 300.000 weiteren Soldaten nicht dazu führen, dass die Ukraine einfach durch eine gewaltige Übermacht an Menschen besiegt werden kann. 

Die Ukrainer sind mit unserer Unterstützung an entsprechenden militärischen Systemen in der Lage, auch diese gewaltige Übermacht abzuwehren. Zudem gibt es eine breite Mehrheit an Analysten, die davon überzeugt ist, dass die Ukraine die Krim, ihr eigenes, derzeit von Russland widerrechtlich annektiertes Staatsgebiet, wieder zurückgewinnen muss, weil ansonsten Russland immer wieder von der Krim aus Krieg beginnen und die Ukraine wirtschaftlich strangulieren könnte. 

Je schneller wir also der Ukraine die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, desto schneller wird dieser Krieg zu Ende sein. Bleiben wir weiter so zögerlich, wird es ein Krieg über viele Jahre werden können, der nicht nur die Ukraine schwer zerstört, sondern auch die Gefahr birgt, dass Russland seine Kriegsproduktion, notfalls mithilfe von China, dazu nutzt, um über die Ukraine hinaus den Westen anzugreifen.

Glauben Sie, dass ein Frieden mit Putin möglich ist?

Ich zähle zu denjenigen, die nicht mehr glauben, dass Wladimir Putin derjenige sein kann, mit dem Frieden geschlossen wird. Man muss russische Innenpolitik kennen, um zu verstehen, dass der Zar, und der ist Putin innenpolitisch, bei einer militärischen Niederlage seine Autorität und mutmaßlich sein Leben verwirkt. 

Das bedeutet konkret, dass Putin gar nicht anders kann, als den Krieg über viele Jahre und mit allen auch barbarischen Mitteln der konventionellen Kriegsführung - vor einer atomaren Konfrontation schreckt er, trotz aller Propaganda, eindeutig zurück - zu führen und die Entscheidung auf dem Schlachtfeld zu suchen. 

Es kann mit Putin auch deshalb keinen Frieden geben, weil jedes Resultat unterhalb eines territorialen Gewinns für Putin nicht akzeptabel ist und auf der anderen Seite der Kriegsgewinn durch Angriffskrieg für Europa nicht akzeptabel ist, weil das historisch nur zur weiteren Angriffen nach einer kurzen Pause einladen würde. Wir müssen uns auf ganz neue Zeiten einstellen, und zwar mehr als es den allermeisten von uns, inklusive mir, zu Beginn des Krieges deutlich war.

Die international renommierte Schweizer Tageszeitung NZZ hat heute auf der Titelseite die traurige, aber möglicherweise treffende Überschrift gewählt: "Der neue Weltkrieg". 

Gott sei Dank befinden wir uns nicht in einem Weltkrieg nach der Art des Ersten oder des Zweiten Weltkrieges, aber wir befinden uns in einer globalen Schlacht, in der Russland und China mit aller Macht versuchen, die demokratische und freiheitliche Ordnung der letzten 75 Jahre mit kriegerischen, wirtschaftlichen und propagandistischen Mitteln zu beseitigen. Dies ist deren erklärtes Ziel, und wir kämpfen deshalb auch in der Ukraine nicht zuletzt um das Überleben der Freiheit und der Demokratie auch unserer Länder.+++


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