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Die Synagoge am Stockhaus bei den Erweiterungsarbeiten 1926/1927 - Foto: Stadtarchiv Fulda

FULDA Das abgefahrenste Bad der Region

Neue Erkenntnisse zu Fuldas Synagoge und Mikwe

03.03.23 - Die jüdische Gemeinde in Fulda war vor der Nazi-Zeit facettenreich, engagiert und wachsend – das wurde nun bei einem spannenden Vortrag des Fuldaer Geschichtsvereins deutlich. Jüngste archäologische Grabungen haben nun neueste Erkenntnisse über das Gemeindeleben zutage gebracht. Voraussichtlich noch in diesem Jahr stehen weitere Grabungen auf dem ehemaligen Synagogen-Areal an.

Ein erster Aha-Moment bei den mehr als 120 Gästen im vollbesetzten Kanzlerpalais: die jüdische Gemeinde, das war noch viel mehr als "nur" die Synagoge in der Straße Am Stockhaus. Das jüdische Leben zog sich durch die gesamte Straße, die früher "Judengasse" beziehungsweise "Judenberg" hieß. Hier existierten Schulen, eine Rabbinerwohnung, Geschäfte, Beträume und eine Wochentagssynagoge. "Dort, wo die Hauptsynagoge stand, war wahrscheinlich schon seit 1000 Jahren eine jüdische Gemeinde", erklärte Referentin Anja Listmann, die städtische Beauftragte für das jüdische Leben. Das Gebäude wurde im 18. Jahrhundert erweitert, im 19. Jahrhundert umgebaut und 1927 erneut erweitert. Elf Jahre später wurde es in der Reichspogromnacht von den Nationalsozialisten niedergebrannt.

"Dabei sind unersetzliche kulturelle und historische Schätze vernichtet worden", machte Listmann deutlich. Thorarollen, die ins 15. Jahrhundert zurückreichten, Silberbecher, Orientteppiche, Bronzelampen, Kanzel und Pulte aus Marmor. "Diese Synagoge muss im Inneren traumhaft ausgesehen haben", sagte die Expertin. Und sie war groß: Mehr als 500 Sitzplätze bot das Gotteshaus für ihre Gemeinde.

Foto Mikwe: Eines der Becken der Fuldaer Mikwe, das heute im "Fenster der Erinnerung" ...Foto: Milena Wingenfeld

Stadt- und Kreisarchäologin Milena Wingenfeld ging anschließend auf die Geschichte des Gebäudes neben der Synagoge ein. Hierbei handelte es sich um das alte Gefängnis der Stadt – daher auch der Name Stockhaus –, das 1845 von der jüdischen Gemeinde gekauft worden war, um dort ein Gemeindehaus einzurichten. Als 1902 schließlich der Neubau Realität wurde, wurde dabei auch eine öffentliche Mikwe eingeplant, ein jüdisches Ritualbad. "Eine Mikwe ist neben einer Synagoge und einem Friedhof ein elementarer Bestandteil einer jüdischen Gemeinde", betonte Listmann. Es habe zwar schon vorher Mikwen in Fulda gegeben, diese seien jedoch oft in Privathäusern und unter hygienisch fragwürdigen Umständen eingebaut worden. Mit der neuen, öffentlichen Mikwe habe die jüdische Gemeinde Fuldas "das abgefahrenste Bad in der Region" erhalten, sagte Listmann.

Diese Mikwe ist ab März 2022 von Archäologen freigelegt worden und im "Fenster der Erinnerung" am Stockhaus zu sehen. "Es sind zwei Tauchbecken für jeweils eine Person, vermutlich getrennt nach Geschlechtern", erklärte Wingenfeld. Im Hof habe es ein Sammelbecken für Regenwasser gegeben, mit dem das Bad gefüllt worden sei, im Haus ein Wasserreservoir sowie einen Heizkessel. "Das war eine richtig moderne Anlage." Die Archäologin hofft in Kürze auf weitere Erkenntnisse zur jüdischen Gemeinde. Denn die Stadt Fulda hat mittlerweile das Synagogenareal gekauft. Nach Auszug des Boxclubs sollen Grabungen durchgeführt werden. "Da könnten wir auf Funde aus dem Mittelalter stoßen", meint Wingenfeld.

Zuvor hatte die Mitgliederversammlung des Geschichtsvereins stattgefunden. Vorsitzender Gerhard Möller berichtete, die Mitgliederzahl sei mit 546 auf einem "stabil hohen Niveau". Vergangenes Jahr hätten mehr als 600 Personen die Veranstaltungen des Geschichtsvereins besucht – und das, obwohl die erste Hälfte des Jahres noch deutlich von der Pandemie gezeichnet gewesen sei. Er dankte allen Referenten und Helfern sowie dem Vorstand, insbesondere Dr. Thomas Heiler und Michaela Ritz von der Geschäftsstelle des Vereins. (pm) +++


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