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Ronja Mahl ist Co-Pilotin in der Internationalen Deutschen Motorrad-Meisterschaft (IDM) - Fotos: Privat

ALSFELD 27-Jährige rast über Europas Rennstrecken

Ronja Mahl: Osthessens schnellste Vollgas-Powerfrau auf drei Rädern

07.03.23 - "Ronja Räubertochter" wird den meisten ein Begriff sein. Im vorliegenden Fall wird es aber eher um eine "Ronja Rennsport-Tochter" gehen: die Alsfelderin Ronja Mahl, 27 Jahre alt, rast als Copilotin in der renommierten Internationalen Deutschen Motorrad-Meisterschaft (IDM) mit ihrem Piloten Max Zimmermann, 30 Jahre alt, über Europas Rennstrecken.

Das jüngste deutsche Team legte eine beeindruckende Premierensaison in der IDM-Sidecar auf den Asphalt: auf Anhieb Platz 4 in der Gesamtwertung, Podiumsplatz 3 am Lausitz- sowie am Hockenheimring. Gleichzeitig waren sie das einzige Team mit einem durchgehend weiblich besetzten Beiwagen. Die Position im Seitenwagen eines Formel-1-Motorrad-Boliden – halsbrecherischer geht es kaum. Ronja bekam die Treibstoff- und Adrenalin-Sehnsucht von ihrem Papa Erwin Mahl in die Wiege gelegt: der ist selbst seit Jahrzehnten Motorrad-Gespann-Pilot und heute als Schrauber in Ronjas Team ein wertvoller Bestandteil des Teamerfolges.

Erwin und Ronja Mahl

Der eingangs verwendete Begriff der "Rennsport-Tochter" ist daher nicht nur ein Wortspiel. Ein Besuch bei Papa Erwin Mahl im Alsfelder Stadtteil Altenburg sagt eigentlich schon alles. Ein schickes Einfamilienhaus im Neubaugebiet, einladend von außen, gemütlich auch innen. Wer vor dem Haus steht, braucht kein Psychologiestudium mehr, um zu wissen, warum Tochter Ronja hier nicht als Handballerin des TV Alsfeld portraitiert wird (das war sie nämlich auch mal), sondern als Treibstoff-Junkie: da steht allen Ernstes eine historische Aral-Tankstellen-Zapfsäulengarnitur im Vorgarten. Damit nicht genug: man betritt das Wohnzimmer und traut seinen Augen erneut nicht. Neben dem Sofa steht ein fast 100 Jahre altes NSU-Motorrad. "Das ist ein Erbstück mit einem hohen ideellen Wert für mich", erklärt Erwin Mahl das ebenso schmucke wie ungewöhnliche Exponat. Manche werden vielleicht sagen: Bekloppt! Man kann aber auch sagen: Großartig, authentisch, einMAHLig… Dass eine Tochter, deren DNA von Kind auf so geprägt wurde, in des Vaters Fußstapfen tritt, verwundert nicht.

Vater Erwin Mahl vor der Tankstelle vor seinem Haus Foto: goa

Bei den Mahls steht eine alte NSU im Wohnzimmer Foto: goa

Wie der Vater, so die Tochter…

Erwin Mahl ist selbst auch heute noch Sidecar-Pilot, allerdings in der Historic-Grand-Prix-Klasse. Über seinen Beiwagen wurde Ronja einige Jahre angefixt. Bei Erwin sind Motorräder nicht nur Hobby, Leidenschaft und Berufung, sondern auch tatsächlich Beruf: seit 2013 betreibt er in Alsfeld die "Motorrad-Oldies", den Handel und die Restauration von Old- und Youngtimern. Damit bringt er beste Referenzen für seinen Job als Schrauber im Rennsport-Team seiner Tochter mit.

Das nackte Chaissis

Ronja stieg aus Erwins Kneeler, Baujahr 1970, in die F1-Klasse um. "Der Unterschied ist absolut krass", versichert sie. Die aktuelle Rennmaschine, eine Adolf RS mit 600-ccm-Yamaha-Motor bringt es auf 130 PS und 215 km/h mit jeder Menge Power und Dynamik. Man fährt ja schließlich in der IDM, der Serie unterhalb der Weltmeisterschaft. Um die Power auf der Rennstrecke auch in den Kurven zu entfalten, braucht es eine quasi hin- und herfliegende Sidecar-, also Beiwagen-Besetzung – der Job ist definitiv körperliche Höchstleistung. OSTHESSEN|NEWS hat mit Ronja Mahl und anschließend mit Papa Erwin gesprochen.

O|N: Wie bist du zum Motorrad-Rennsport gekommen?

Ronja Mahl: Im Alter von 6 Monaten haben meine Eltern mich das erste mal mit auf die Rennstrecke genommen. Seitdem war ich dort nicht mehr wegzudenken und bin quasi dort aufgewachsen und immer bei Papas Rennen dabei.

O|N: Worin liegt der Reiz des Sidecar-Motorrad-Rennsports?

Mahl: Der Reiz liegt im Team selber - da Fahrer und Beifahrer sich wortwörtlich blind vertrauen müssen, sobald sie zusammen auf der Strecke sind. Natürlich liegt der Reiz auch darin, gemeinsam schneller zu werden und gute Platzierungen zu erzielen. Das Gefühl vor einem Start und das damit zusammenhängende Adrenalin ist mit nichts anderem vergleichbar und ist somit ein Gefühl, was ich nicht missen möchte!

O|N: Ist das bei dir noch Amateur- oder schon Profi-Rennsport?

Mahl: Wir fahren die Internationale Deutsche Meisterschaft. Die einzige noch höhere Meisterschaft wäre die Weltmeisterschaft. Das Niveau ist dementsprechend hoch und hat auch über die letzten Jahre nochmals zugenommen - Geld für den Lebensunterhalt kann man allerdings in keiner der Meisterschaften verdienen.

O|N: Dein Freund Markus ist Copilot in einem anderen Rennstall. Wie fühlt sich das an?

Mahl: Wir sind beide Beifahrer, so dass wir nicht miteinander fahren – das dürfte für unsere Beziehung auch besser sein, wir sind damit sehr happy. Wenn ich mit Max mal als Gast in der niedrigeren Trophy-Rennserie gefahren bin, in der Markus startet, hatten Max und ich die schnelleren Zeiten… (lacht)

O|N: Würde dich die Position am Lenker nicht auch reizen?

Mahl: Ich bin hier und da mal ein paar Meter selber gefahren und kann nur sagen, dass ich den größten Respekt vor den Fahrern habe. Was sie dort vorne leisten ist enorm. Ich selber sehe mich allerdings lediglich als Beifahrerin und nicht als Fahrerin.

O|N: Hattest du schon selbst Unfall-Situationen?

Mahl: Ja, ich hatte schon mehrfach Unfälle. Auch diese Seite gehört bei unserem geliebten Sport dazu. Ich bin glücklicherweise immer mit Knochenbrüchen und Prellungen davongekommen.

O|N: Fährt auch mal Angst mit?

Mahl: Angst - nein. Respekt - ja. Ich denke, dass es ganz wichtig ist, den Respekt vor der Geschwindigkeit und dem Fahrzeug nie zu verlieren. Das pusht dich auch vor dem Start nochmal enorm, wenn das Adrenalin einsetzt.

O|N: Beschreib mal den Unterschied zwischen den Classic-GPs wie Schotten und der IDM

Mahl: Die beiden Veranstaltungen bzw. Rennserien sind nicht miteinander vergleichbar. Die Classic-Veranstaltung sind für mich wie "nach-Hause-kommen", da ich dort aufgewachsen bin und schon seit über 10 Jahren mit meinem Papa auf unserem Klassik-Gespann teilnehme. Die IDM hingegen wird mit dem Formel-1-Sidecar bestritten. Es werden viel höhere Geschwindigkeiten erzielt und auch für den Beifahrer ist dies ein ganz anderes Niveau hinsichtlich der Arbeit im Seitenwagen.

O|N: Historic GP Schotten – Wie findest du diese Veranstaltung?

Mahl: Schotten ist unsere Heimstrecke und daher immer eine Reise wert. Die Zuschauer, die Atmosphäre und die Organisation der Veranstaltung sind immer top! Sofern es keine Terminüberschneidungen mit der IDM gibt, sind wir jedes Jahr wieder gerne in Schotten am Start.

O|N: Welche ist deine Lieblings-Rennstrecke und warum?

Mahl: Eine sehr gute Frage - ich fahre mittlerweile viele Strecken sehr gerne. Da wir in ganz Europa unterwegs sind, würden mir spontan wirklich einige Strecken einfallen. International würde ich Phillip Island Circuit in Australien und national den Nürburgring in der Eifel nennen.

O|N: Der Papa als Schrauber im Team – Fluch oder Segen?

Mahl: Definitiv Segen. Der Papa ist ein sehr wichtiger Teil des Teams und unterstützt auf vielen Wegen. Er ist bei jedem Rennen dabei und kennt sich aufgrund seiner Erfahrung technisch sehr gut aus, kann uns aber auch mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es um den Fahrstil bzw. meine Arbeit im Seitenwagen geht, da er selber lange als Beifahrer unterwegs war.

O|N: Wie siehst du Papas Qualitäten als Pilot?

Mahl: Hier trifft tatsächlich der Spruch "je oller je doller" sehr gut zu! Wir sind schon längere Zeit ziemlich flott unterwegs in unserer Klasse, aber trotzdem finden wir nach wie vor hier und da noch ein paar Zehntel. Er ist wirklich ein sehr guter, talentierter und schneller Fahrer. Ich wollte immer mit ihm ein F1 in der IDM fahren - aber der Unterschied zum Klassik-Gespann war ihm damals zu groß. Wie bereits gesagt, handelt es sich hier um zwei komplett unterschiedliche Welten.

O|N: Welche sportlichen Ziele hast du für die kommende Saison? Ist der IDM-Titelgewinn irgendwann realistisch?

Mahl: Die vergangene Saison 2022 war die erste gemeinsame Saison von Max und mir. Dass wir diese auf dem 4. Platz beenden können, hätten wir uns vor der Saison nicht gedacht. Zumal mehrfache Weltmeister und deutsche Meister die Plätze 1 bis 3 belegten. Ziel für dieses Jahr ist es unser Bestes zu geben, hart zu arbeiten und zu schauen, wo die Reise hinführt. Wir haben definitiv die Ambition, den ein oder anderen Podiumsplatz einzufahren.

O|N: Startaufstellung, der Countdown läuft. Das Startsignal kommt. Beschreib mal bitte deine Emotion in diesem Moment.

Mahl: Das Adrenalin vor dem Rennstart ist einzigartig! Es gibt tatsächlich kein vergleichbares Gefühl. Wenn es in die Startaufstellung geht, die Warm-Up-Lap gefahren wurde, gibt es noch einen letzten Händedruck mit dem Fahrer bevor die Ampel angeht - sobald diese erlischt und alle Motoren zeitgleich hochdrehen und auf die erste Kurve zugesteuert wird, fällt jegliche Anspannung und Adrenalin ab und man ist nur noch im Rennmodus und macht seinen Job.

O|N: Wir stellen uns vor, du wärst bereits Mama und deine Kinder wollen auch in den Motorsport. Deine Reaktion?

Mahl: Die Reaktion wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit wie die meiner Eltern: "Man kann seinen Kindern nichts verbieten, was man selber auch macht!" Ich finde Motorsport einen wirklich coolen Sport und die Nachwuchsförderung ist auch hier enorm wichtig. Wenn meine eigenen Kinder Interesse daran hätten, würde ich das natürlich unterstützen - genau wie bei jeder anderen Sportart auch - obwohl Motorsport natürlich extra gerne gesehen werden würde in unserem Haus! (Lacht)

O|N: Wie läuft die Saisonvorbereitung?

Mahl: Die Saisonvorbereitung findet auf mehreren Ebenen statt. Zum einen muss das Sidecar technisch überholt und auf den neuesten Stand gebracht werden. Zum anderen müssen wir uns körperlich auf die Saison vorbereiten - für mich persönlich funktioniert hier CrossFit am besten. Ich trainiere während der Vorbereitung fünf- bis sechsmal pro Woche: Ausdauer, Krafttraining, Griffkraft und Beweglichkeit.

O|N: Du lebst mit deinem Freund in Schlatt, Oberösterreich. Beschreibe doch bitte mal deinen Alsfelder Heimatbezug

Mahl: Natürlich ist es immer wieder schön auf Besuch in die Heimat zu kommen! Wir haben aber mittlerweile ein Haus in Österreich und daher ist auch mein Lebensmittelpunkt nicht mehr in Alsfeld. Wir sind trotzdem regelmäßig vor Ort und natürlich freue ich mich immer besonders auf die Rennen in der Nähe und auf viele bekannte Gesichter.

O|N-Gespräch mit einem stolzen Papa

Erwin Mahl beschreibt, wie sich Ronjas Rennsportaffinität entwickelt hat: "Ronja wurde von uns von Klein auf mit zu den Rennen genommen. Bereits als Kleinkind war sie vernarrt in den Beiwagen des Renngespanns. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis sie selbst mal in einem Rennen mit an Bord sein wollte. Im Herbst 2012 war es soweit, und gleich mein erster Eindruck war: "Die lernt viel schneller als ich selbst damals". Die Rundenzeiten mit ihr im Sidecar waren auf Anhieb 1,5 Sekunden schneller als mit meinem Stamm-Beifahrer. Da war auch für sie klar: Das ist ihr Ding!"

In der Sidecar-Trophy-Serie fuhr sie mit dem belgischen Piloten Christ Baert die ersten Rennserien, bevor sie in die IDM ins Team des Briten Dean Nicholls wechselte. Nach zwei Jahren, in denen es weiter bergauf ging, erfolgte dann 2022 der Wechsel zu Max Zimmermann. Erwin Mahl: "Ein sehr professioneller Fahrer! Ronja ergänzt ihn sehr gut, sie hat seinen harten Fahrstil etwas geschmeidiger gemacht – das Gespann wird permanent schneller. Da kann man als Vater nur stolz, aber auch erwartungsfroh sein!"

Der Vollblut-Motorsport-Freak ist sich sicher: "Max und Ronja haben eine klasse Premierensaison gefahren und man merkt, dass über den starken vierten Platz hinaus auch noch weiteres Potenzial vorhanden ist. Sie sind hungrig, und auch wir vom ganzen Team sind eine eingeschworene Gemeinschaft wie in einer Familie. Für mich keine Frage: da geht noch was!"

Was steht auf dem Wunschzettel?

Die Saison beginnt am 13./14. Mai auf dem Sachsenring und wird bis zu den letzten IDM-Rennen im September auf dem Hockenheimring insgesamt 14 Rennen umfassen. Das letzte Rennen wird im Oktober das Sidecar-Festival in Oschersleben sein – dies findet unabhängig von der IDM statt, zählt aber zu der Meisterschaftswertung dazu. Für Motorsportfans, die nicht an die Strecken pilgern können, werden die Rennen der IDM kostenlos als Direktübertragung im Livestream angeboten.

Bei der Frage, was auf ihrem Wunschzettel steht, sind sich Ronja und Papa Erwin einig: angesichts des enormen Aufwandes, den man in der Leistungsspitze betreiben muss, würde man gerne noch den einen oder anderen Sponsor hinzugewinnen, vor allem aber unfall- und verletzungsfrei durch die Saison kommen und den Erfolg der letzten Saison nochmal steigern.

Und auch beim Schlusswort sprechen sie die gleiche Sprache: "Wir können es kaum erwarten, dass es losgeht. Die Startnummer 33 wird angreifen!"


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