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Wieder einmal ein vielfältiger und hoch unterhaltsamer Abend im Fuldaer Schlosstheater. - Alle Fotos: Martin Engel

FULDA Wieder ein neuer Ansatz zu sehen

Barockoper als Puppenspiel – Händels "Alcina" im Schlosstheater

12.03.23 - Die Barockoper ist schon oft neu erfunden worden. Moderne Inszenierungen machten die ‚alte Musik‘ zugänglich, verdeutlichten, dass die alten Geschichten in ihrem Kern sehr modern sind. In Fulda war am Freitagabend wieder ein neuer Ansatz zu sehen, die Hauptrollen in Händels "Alcina" teilten sich Sänger und Puppen.

Erzähler Peter Jecklin

Die Intention des Regisseurs und Puppenbauers Nikolaus Habjan ist es, Händels "Alcina" nahbar zu machen. Sein Zugang ist die Inszenierung als Zauberoper mit Puppen. Das ist nicht ganz neu, man denke nur an das Salzburger Marionettentheater, in dem Mozarts Opern aufgeführt werden. Habjan aber kombiniert Puppen, Sprecher und Sänger auf der Bühne. Sie interagieren – so wird eine gewisse Doppelbödigkeit erreicht.

Für seine Version verkürzt er Händels letzte Oper um fast die Hälfte. Er lässt Figuren und Handlungsstränge weg, natürlich die Ballette, natürlich die Rezitative – obgleich die bei Händel nicht sonderlich lang sind. Er führt einen Erzähler ein, eine Rolle, die Peter Jecklin mit lustvoller Hinterfotzigkeit ausfüllt. Auf einem Overheadprojektor werden die deutschen Texte der Arien an die Wand geworfen, genauso auch manche Anmerkung zum Geschehen. Die Musiker stehen die ganze Zeit auf der Bühne. Komplizierte Technik und aufwendige Bühnenbilder gibt es nicht. Die Herangehensweise zielt bewusst auch auf junge Zuschauer – die in großer Zahl da waren (darunter der halbe Jugendkathedralchor). So sollte es auch sein, und deshalb war dieser Opernabend für alle unter 30 kostenlos.

Love Island

Ja, die Handlung ist kompliziert, andererseits dürfte sie ein Publikum, das verwickelte Netflix-Serien gewohnt ist, nicht wirklich überfordern. A (Morgana) liebt B (Ricciardo/Bradamante), B liebt C (Ruggiero), C liebt D (Alcina), und E (Oronte) liebt A, E versucht, C eifersüchtig zu machen auf B, indem er behauptet, B habe eine Affäre mit D. Alles klar? Im Grunde ist es aber auch ziemlich egal, man kann sich einfach Händels großartiger Musik hingeben.

Dank der Förderung der Jubiläumsstiftung der Sparkasse Fulda war der Eintritt für ...

Die Oper spielt auf einer Insel, die von der mächtigen Zauberin Alcina beherrscht wird. Denken Sie an "Love Island", dann haben Sie eine Vorstellung davon, was hier abgeht. Alcinas Insel ist eine Kampfarena der Geschlechter, es geht um Sex, Sex und noch mehr Sex.

Claudia Capecchi und Christoph Stibor

Denn Alcina ist auf Männerjagd, wer ihr gefällt, den spinnt sie in ihr Liebesnetz ein – und wenn sie ihrer Liebhaber überdrüssig ist, entsorgt sie die Männer und verwandelt sie in Raubtiere, Bäume oder Steine. Äußerst praktisch. Aktuell ist Alcinas Liebhaber Ruggiero, der eigentlich mit Bradamante verlobt ist. Die vermisst ihn, und macht sich auf die Suche nach ihm. Dafür zieht sie Männerkleider an und tritt als ihr Bruder Ricciardo auf. Sie ist entsetzt, als sie ihren Ruggiero mit Alcina sieht, und dass sich Alcinas Schwester Morgana gleich in sie verliebt, macht die Sache auch nicht leichter. Zumal Morgana auch einen Verlobten hat, Oronte.

Wie wahr ist die Liebe eigentlich?

Morgana und Ruggiero

Anna Manske als Bradamante

"Alcina" ist nicht das einzige Stück, in der die Liebe durch Verzauberung ausgelöst wird – wir kennen das aus Wagners "Tristan und Isolde", Shakespeares "Sommernachtstraum", in abgewandelter Form auch aus Kleists "Käthchen von Heilbronn". Es stellt sich also die Frage, wie wahrhaftig diese Liebe eigentlich ist. Ja, sie beginnt durch Zauberei, aber es kommt der Moment, in dem sie echt wird. Als Alcina merkt, dass sie Ruggiero tatsächlich liebt, verliert sie ihre Zauberkräfte und damit ihre Macht – nicht aber ihre Liebe zu ihm. Am Ende gehen Ruggiero / Bradamante sowie Morgana / Oronte als glückliche Paare von der Bühne, müssen allerdings ihre gemeinsame Zukunft nach all den Wirren erst noch definieren. Alcina bleibt als tragische Liebende einsam zurück.

Jugendliche des JugendKathedralChor Fulda

Durch die Puppen ergeben sich neue Spielmöglichkeiten – sie spielen, sprechen und singen miteinander, oder mit den Sängern. Sie vergrößern die Emotionen, konterkarieren sie und ziehen sie oft auch ins Lächerliche. Oft bewegen sich die Puppen wie früher die Darsteller in der Opera seria – mit völlig übersteigerter Mimik und Gestik. Das war zum Kugeln schön! Allerdings störten die Puppen manchmal auch, das wurde besonders deutlich in den wenigen Szenen, in denen die Sänger ohne Puppen einfach miteinander sangen – die Intensität stieg sofort.

Die Musik

Händel hat für "Alcina" verschwenderisch schöne Musik geschrieben. Die Personen sind sehr genau charakterisiert. Die Arien folgen dem Prinzip des Kontrasts – als Zuhörer fällt man von einer Gemütsverfassung in die andere. Keines der beiden Liebespaare – weder das siegreiche (Bradamante / Ruggiero) noch das tragische auf Zeit (Alcina / Ruggiero) singt ein Duett miteinander. Zwar singen alle von der Liebe, aber jeder für sich. Jeder ist in seinem eigenen Liebeswahn gefangen.

Der erste Ruggiero wurde in der Saison 1734/35 vom berühmten Kastraten Carestini gesungen – klar, dass Ruggiero die Hits der Oper hat, die aber auf Stimmakrobatik ganz verzichten: "Mi lusinga il dolce affetto", "Sta nell’ircana" und natürlich die unwiderstehliche Kantilene "Verdi prati". Die wollte Carestini damals nicht singen, er musste von Händel dazu gezwungen werden – es wurde die meistwiederholte Arie der Oper.

Erklärung via Overhead Projektor

Der Countertenor Jan Börner gibt einen großartigen Ruggiero. Julia Kirchner singt Alcina mit leuchtend-expressivem Sopran, es ist ein Genuss, ihr beim Lieben und Leiden zuzuhören: "Ah, mio cor", das tieftraurige "Mi restano le lagrime" und "Non è amor, né gelosia". Michael Feyfar ist ein starker Oronte mit butterweichem Tenor, Vera Hiltbrunner eine überzeugende Morgana, nur Anna Manskes Alt fällt stimmlich als Bradamante ein wenig ab.

Einführung durch die künstlerische Leiterin Katharina Suske

Es ist sicher eine Geschmacksfrage, für mich war das kleine Orchester der Freitagsakademie Bern mit nur 8 Musikern gewöhnungsbedürftig (zwei Violinen, je eine Viola, Violone, Laute, Oboe, Fagott und das Cembalo). Nur im "Sta nell’ircana" wurde es durch zwei Hörner verstärkt. Sie spielten hervorragend, aber mir war der Klang einfach zu schmal, zu kammermusikalisch für eine Barockoper. Das Fuldaer Publikum fühlte sich bestens unterhalten und spendete nicht nur nach jeder Arie, sondern auch zum Abschluss viel Beifall. (Jutta Hamberger)+++

Vera Hiltbrunner als Morgana

Jan Börner als Ruggiero

Anna Manske und Jan Börner

Oronte und Bradamante


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