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Im vergangenen Jahr wurden am Klinikum Fulda acht Nieren erfolgreich verpflanzt.  - Archivfotos: O|N

FULDA Stadtverordnete planen Resolution

Nierentransplantationszentrum am Klinikum Fulda: Zukunft ungewiss

28.03.23 - Das Klinikum in Fulda ist mit seinen 1.007 Betten eines der größten Krankenhäuser in Hessen. Rund um die Uhr wird hier an 365 Tagen im Jahr Medizin auf Spitzenniveau angeboten. Bundesweite Strahlkraft hat das Haus der Maximalversorgung nicht zuletzt aufgrund des Nierentransplantationszentrums.

Dieses Nierentransplantationszentrum steht nun vor seiner Schließung aufgrund von nicht erreichten sogenannten Mindestmengen. Die Krankenkassen in Hessen verweigern die Zustimmung zu einer Weiterführung des Zentrums. 

Als viertes Nierentransplantationszentrum in Hessen startete das Klinikum Fulda als erstes und einziges kommunales Krankenhaus am 1. Januar 2000 seinen Betrieb. Die hohe Versorgungsqualität und die gewissenhafte Vor- und Nachsorge werden in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Prof. Dr. Tilman Kälble (Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie) und Prof. Dr. Marion Haubitz (Direktorin der Medizinischen Klinik III) gewährleistet.

OSTHESSEN|NEWS hat mit Priv.-Doz. Dr. Menzel gesprochen. Menzel ist Vorstand Krankenversorgung des Klinikums Fulda und selbst Arzt.

O|N: Dr. Menzel, was sind sogenannte Mindestmengen für planbare medizinische Eingriffe?

Priv.-Doz. Dr. Menzel

Dr. Menzel: "Hinter der gesetzgeberischen Idee der Mindestmenge steht das Ziel, besonders schwierige Eingriffe aus Gründen der Qualitätssicherung nur von solchen Kliniken durchführen zu lassen, deren Ärztinnen und Ärzte damit ausreichend Erfahrung haben.

Der G-BA benennt planbare stationäre Leistungen, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Durchführungshäufigkeit und der Behandlungsqualität besteht. Für diese Leistungen legt er auf Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse Mindestmengen je Ärztin und Arzt und/oder Standort eines Krankenhauses fest."

O|N: Nun gibt es noch die sogenannte Mindestmengenregelung. Was hat es damit auf sich?

Dr. Menzel: "In den Mindestmengenregelungen des G-BA ist näher definiert, in welchem Fall ein Krankenhaus die Leistungen, zu denen Mindestmengen festgelegt sind, erbringen darf. Das ist dann der Fall, wenn die Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr aufgrund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird. Der Krankenhausträger hat diese Erwartung als Prognose gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen jährlich darzulegen.

Eine ausnahmsweise Leistungserbringung mit entsprechendem Vergütungsanspruch ist beispielsweise nur dann möglich, wenn ein Krankenhaus eine Leistung erstmalig oder erneut erbringen möchte.

Für den Fall, dass für eine Leistung eine Mindestmenge neu festgelegt, erhöht oder ein Arztbezug für die Bemessung eingeführt wird, gilt eine Übergangsfrist von in der Regel zwölf, jedoch maximal 24 Monaten, innerhalb welcher die Mindestmenge nicht in voller Höhe erfüllt werden muss."

O|N: Welchen Vorteil hat eine Nierentransplantation in Fulda?

Ein Organspendeausweis ist wichtig Symbolfoto: O|N

Dr. Menzel: "Für uns als größtes Krankenhaus der Region ist es wichtig, dass wir den Menschen eine wohnortnahe Versorgung anbieten können. Diese umfasst neben der eigentlichen Operation auch die Vor- und Nachsorge nach dem Eingriff. Sollten am Nierentransplantationszentrum Fulda keine Transplantationen mehr durchgeführt werden, müssten Patienten deutlich längere Wege in Kauf nehmen, da die nächsten Zentren ca. 100 km entfernt liegen. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung wäre damit für die Region Ost-/Nordhessen aus unserer Sicht nicht mehr gewährleistet."

O|N: Wie will man sich der Herausforderung stellen, um das Zentrum nicht zu verlieren?

Symbolbild: Pixabay

Dr. Menzel: "Wir als Klinikum haben nach den Coronajahren dem Transplantationszentrum eine positive Prognose für das Jahr 2023 gegeben. Dieser Einschätzung haben die Krankenkassen in Hessen widersprochen und ihre Zustimmung zu einer Weiterführung des Zentrums verweigert. Nachdem die Vergleichsverhandlungen mit den Kassen gescheitert sind, geht das Klinikum nun juristisch gegen den Ablehnungsbescheid vor und hat darüber hinaus eine Ausnahmegenehmigung im Hessischen Sozialministerium beantragt. Das Klinikum führt zur Begründung an, dass die deutlichen Fallzahlrückgänge in den Jahren 2020, 2021 und 2022 auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist und deshalb nicht repräsentativ sind.

Die Zusammenarbeit mit dem Klinikum Kassel, die im Jahr 2016 vereinbart wurde, soll im Jahr 2023 erheblich intensiviert werden. Darauf habe ich mich mit meinem Kassler Vorstandskollegen der Gesundheit NordHessen, Dr. Knapp Ende letztes Jahres verständigt. Damit sind deutlich mehr Patienten aus Nordhessen zu erwarten."

Politiker wollen Resolutionsantrag einbringen

Auch die Stadtverordnetenversammlung will dem Klinikum den Rücken stärken und hat angekündigt, am Montag eine entsprechende Resolution zu verabschieden. O|N ist vor Ort und berichtet später ausführlich.


Zahlen

Das Klinikum Fulda

In Fulda waren die Transplantationszahlen in den vergangenen Jahren rückläufig. Dieser Trend ist dem Rückgang an Spendern und nicht zuletzt der Coronapandemie geschuldet. Während man 2018 noch 26 und 2019 24 Nieren transplantierte, waren es in den Pandemiejahren 20/21 noch 15 Organe. Im vergangenen Jahr wurden acht Nieren erfolgreich verpflanzt. 

Das Klinikum Fulda ist Lehrkrankenhaus der Phillips-Universität Marburg. Außerdem ist es Medizinstudierenden seit 2018 möglich, den klinischen Abschnitt ihres Studiums in Fulda zu absolvieren. Dies macht eine Kooperation zwischen der Universität Marburg, der Hochschule und dem Klinikum möglich. Als Campus Fulda der Uni Marburg hat das osthessische Haus der Maximalversorgung große Ziele. Laut Menzel plane man in Zukunft neben Nieren keine weiteren Organe zu transplantieren. (Adrian Böhm) +++


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