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Im Einsatz war bei der Übung die sogenannte „Power-Load“, die neue Fahrtrage des Rettungsdienstes zur Rettung eines Notfallpatienten mit der Drehleiter vom Dach am Campus. - Fotocredit: RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt / Katrin Schmitt

BAD NEUSTADT A.D. SAALE Notfallversorgung am Limit

Experten diskutierten am Rhön-Klinikum über die Rettung der Notfallmedizin

03.04.23 - Mehr Bagatelleinsätze, weniger Notärzte und Einsatzkräfte im Rettungsdienst sowie fehlende alternative Versorgungsstrukturen: Es herrscht dringender Handlungsbedarf, damit das Rettungssystem nicht kollabiert. Eine kontroverse Auseinandersetzung über die Zukunft der Notfallmedizin beim 16. Notfallmedizinischen Forum am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt.

Über Herausforderungen, Probleme und Lösungen in der Notfallversorgung informierte ...Fotocredit: RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt / Katrin Schmitt

Rund 600 Teilnehmende aus ganz Deutschland, darunter ärztliches und notärztliches Personal, Rettungsdienstmitarbeitende, medizinisches Fachpersonal und Interessierte, informierten sich beim 16. Notfallmedizinischen Forum am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt in Fachvorträgen, einer Praxisdemonstration, Workshops und Fallvorstellungen rund um das Thema Notfallmedizin pur. Im Rahmen der Podiumsdiskussion erfolgte eine Bilanz und Bestandsaufnahme der aktuellen Situation im Rettungsdienst: Neben Herausforderungen und Problemen wurden mögliche Lösungsansätze für eine notwendige, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung im Rettungsdienst diskutiert.

Status Quo – Notfallversorgung am Campus

"Wir werden mit Patienten zugeschüttet", betont Prof. Bernd Griewing, Chief Medical Officer und Generalbevollmächtigter der Rhön-Klinikum AG. Der Campus gewährleistet aktuell eine Versorgung über das Basis-Einzugsgebiet hinaus. Oberstes Ziel dabei: Patienten schnell, zielgerichtet und effektiv zu behandeln – ob notfallmedizinisch, ambulant oder stationär. "Dies funktioniert am Campus durch gebündelte medizinischen Kompetenzen an einer Stelle und eine ausgezeichnete interdisziplinäre Zusammenarbeit: Kurze Wege, kurze Kommunikation, exzellente Behandlungskompetenz durch alle Fachabteilungen und Teamwork kommen den Patienten – auch im Notfall – zugute", sagt Sandra Henek, Geschäftsführende Direktorin am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt. Im Jahr 2022 behandelte der Campus Bad Neustadt rund 27.000 Patienten über die Zentrale Notaufnahme – 41 % davon wurden anschließend stationär versorgt.

Erfolgreiche Notfallversorgung des Patienten am Campus durch: Freiwillige Feuerwehr ...Fotocredit: RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt / Katrin Schmitt

Notfallversorgung am Limit

"Die Notfallversorgung ist zweifellos am Limit. Das erleben alle Aktiven täglich; und das geht zu Lasten des Patienten", sagt Priv. Doz. Dr. med. Michael Dinkel MBA, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt und Landesvorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) Bayern. Neben Uwe Kippnich, Koordinator Sicherheitsforschung beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) und Dr. Georg Kochinki, dem Ärztlichen Leiter (ÄLRD) im Rettungsdienstbereich Schweinfurt, gehört Herr Dr. Dinkel zu den Hauptorganisatoren des Notfallforums. Die Schere zwischen der Nachfrage nach rettungsdienstlichen Leistungen und dem Angebot an Versorgungskapazitäten gehe bedrohlich auseinander. "In den letzten 10 Jahren ist laut des Rettungsdienstberichts Bayern die Anzahl an Einsätzen ohne Notarzt – die sogenannten Bagatelleinsätze – um 30 % gestiegen. Wir erkennen außerdem eine geänderte Anspruchshaltung der Bevölkerung. Oftmals wird der Notarzt gerufen, obwohl es sich nicht um einen medizinischen Notfall handelt", erklärt Dr. Dinkel. Das führe dazu, dass "der echte, zeitkritische Notfallpatient warten muss, weil der Rettungsdienst das ‚Nasenbluten‘ versorgt", sagt Kippnich.

Auch die mangelnde Attraktivität des Notarztdienstes durch fehlende Wertschätzung und heterogene Lohnstrukturen innerhalb Deutschlands sowie unkontrollierte Krankenhausabmeldungen befeuern dieses Problem. "In Bayern sind an manchen Standorten circa 30 % der Notarztschichten nicht besetzt. Ständig sind Krankenhäuser nicht aufnahmefähig, sodass Patienten quer durchs ganze Land gefahren werden müssen", so Intensivmediziner Dr. Dinkel.

Die Notfallversorgung ist am Limit – klare Worte von Hauptorganisator des 16. Notfallmedizinischen ...Fotocredit: RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt / Katrin Schmitt

Den Fragen und Anmerkungen der Teilnehmenden stellten sich bei der Podiumsdiskussion: ...Fotocredit: RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt / Josefine Astl

Stellschrauben für eine verbesserte Situation der Notfallversorgung

An der Podiumsdiskussion setzten sich die Podiumsteilnehmenden mit dem Thema "Notfallversorgung am Limit" auseinander. Seitens der Politik nahm Sabine Dittmar, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit, teil und stellte sich den Fragen der teilnehmenden Experten. Neue Versorgungsstrukturen, ein geändertes Bewusstsein seitens der Bevölkerung und der Leistungsträger sowie die Erweiterung der Rettungskette um Notaufnahme und Intensivstation könnten dieses Problem entzerren. Die Lösungsideen im Detail: Neue Versorgungsstrukturen schaffen: Es benötigt neue Versorgungsstrukturen, z. B. eine sektorenübergreifende Notfallversorgung durch telemedizinische Vernetzung, die Einführung von Gemeindenotfallsanitätern oder den Telenotarzt. "Seit 2005 setzt der Campus Bad Neustadt mit dem BRK Rhön-Grabfeld sehr erfolgreich das sogenannte Stroke-Angel-Projekt um – eine telemedizinische Verbindung zwischen Rettungsdienst und Klinikum", berichtet Prof. Griewing. Ziel ist es, Schlaganfallpatienten zeitgerecht ein- und zuzuweisen. "Das Projekt Telemedizin, ist hier also praktisch schon seit vielen Jahren bewährt", so Prof. Griewing weiter. Kippnich beschreibt, dass mit Hilfe des qualifizierten Notfallsanitäters bei nicht lebensbedrohlichen Einsätzen die Ressourcen im Rettungsdienst entlastet werden könnten. "Der Notfallsanitäter macht vor Ort eine Ersteinschätzung und entscheidet, ob er das Problem z. B. Anlegen eines Blasenkatheters selbst erledigt oder ob es ein Fall für den Rettungsdienst ist."

Einsatz in der Notfallversorgung: Praxisdemonstration einer Drehleiterrettung ...Fotocredit: RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt / Josefine Astl

Praxisdemonstration: Rettung mit der Drehleiter

Wie wichtig das richtige Vorgehen beim Einsatz in der Notfallversorgung ist, wurde am Beispiel eines beeindruckenden Drehleitereinsatzes "Rettung eines Notfallpatienten mit der Drehleiter vom Dach am Campus" gezeigt. Der Einsatz der Feuerwehrdrehleiter ist ein bewährtes Mittel, um Menschen aus schwer zugänglichen Wohnungen oder bei komplexer Versorgung in großen Höhen zu retten. Die Einsatzstrategie und neue Technik wurden im praktischen Zusammenspiel der Feuerwehr und Hilfsorganisationen live dargeboten. Vorgestellt wurde dabei die neue Fahrtrage des Rettungsdienstes, die sogenannte "PowerLoad". Die Praxisdemonstration zeigte erneut die etablierte, hervorragende Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). An der Übungssituation am Campus waren beteiligt: die Freiwillige Feuerwehr Bad Neustadt, der BRK Rettungsdienst, das Technischen Hilfswerk (THW) Mellrichstadt und die Polizei Bad Neustadt. Dies bildet die Basis für eine erfolgreiche Notfallversorgung des Patienten. "Unser Ziel ist es, möglichst vielen Patienten das Überleben zu sichern und durch richtiges, der Einsatzsituation angepasstes und abgestimmtes Vorgehen, keine zusätzlichen Verletzungen herzvorzurufen", so Kippnich, der mit Kreisbrandmeister Christian Stubenrauch (Kreisbrandinspektion Landkreis Rhön-Grabfeld) die Praxisdemonstration organisierte. (pm) +++


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