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Magnus Lindgren und die hr-Bigband haben dieses Porträt einmal aus dem jazzorchestralen Winkel betrachtet und ihm mit neuen Arrangements satte Farben verliehen. Die akustische Ausstellung gab es am Donnerstag. - Foto: HR/Dirk Ostermeier

FULDA Jeder spielt dieselben Noten

Dhafer Youssef und die hr-Bigband im Schlosstheater

31.03.23 - "Kultur bietet die Chance, voneinander zu lernen", begrüßte Christoph Stibor das Publikum im fast vollbesetzten Schlosstheater. Das sei ganz besonders so, wenn verschiedene Musikstile aufeinanderprallten. Wobei Musikstile eigentlich nie aufeinanderprallen, sondern sich durch die Jahrhunderte immer gegenseitig befruchtet haben.

Wir sind schnell befremdet, wenn Menschen sich anders kleiden, anders reden und essen, anders glauben und in ihrem Leben andere Schwerpunkte setzen als wir. Zu Unverständnis und zum Zusammenprall ist es dann nicht weit. Nicht aber in der Musik. Auf geheimnisvolle Weise scheint der Weg über die Ohren unsere Herzen zu öffnen. Wir sind aufmerksam und neugierig, und lassen uns begeistern. So war es auch an diesem Abend beim Auftritt des aus Tunesien stammenden Künstlers Dhafer Youssef mit der hr-Bigband.

Youssef kommt aus einem kleinen Fischerdorf, und ist doch längst Kosmopolit. Er wurde in der Koranschule seines Großvaters musikalisch ausgebildet und beherrscht deshalb den Gesang im Sufi-Stil. 1989 brach er auf und ging nach Europa, knüpfte dort Kontakte in die Jazz-Szene und tritt seither mit allen Großen auf. Als ich Youssefs Biographie das erste Mal las, musste ich schmunzeln. Dass amerikanische Gospelchöre ein Nährboden für Blues-, Soul-, Jazz- und Popsänger sind, haben wir längst gelernt. Dass die Koranschule ähnlich befruchtend wirken kann, war mir neu.

Die Oud, ein faszinierendes Instrument

Dhafer Youssef Foto: Arno Lam

Youssefs Liebe gilt der Oud, der arabischen Kurzhalslaute. Ihr Klang ist unverkennbar und sonor, mal feierlich, mal wehmütig. Man kann auf der Oud im Gegensatz zu Lauten, Gitarren und Mandolinen Töne spielen, die in westlichen Tonleitern nicht vorkommen. Entsprechend groß ist die Fülle an Skalen, wir hingegen kennen nur Dur und Moll, hin und wieder noch die Kirchentonarten.

Auch die Oud wird gezupft, meist mit der Rischa". Das ist die arabische Variante des Plektrums, das aber nicht zwischen den Fingern gehalten wird, sondern in der Handinnenfläche. Ich bin der Oud verfallen, seit es in meiner CD-Sammlung einiges von Anouar Brahem gibt, der ebenfalls aus Tunesien stammt. Wie Brahem ist auch Youssef ein Virtuose auf diesem Instrument.

Musik, die fließt und sich beständig verändert

Orient meets Okzident, könnte man über Youssefs Musik schreiben. Youssef mischt arabische Musik mit amerikanischem und europäischem Jazz, mit Funk und Elektro-Sound, manchmal wird es auch ordentlich rockig. Mit klarer, warmer Stimme singt er mal im Stil eines Muezzins, mal wie ein verliebter Poet. Was er singt, wirkt nicht wie klassische Texte, eher klingt es wie Lautmalerei, Soundeffekte, Töne, Geräusche – und immer wieder spürt

man, wie Youssef auf die Musiker um ihn herum reagiert. Was wie Kopfstimme klingt, ist laut Selbstaussage gepresste Bruststimme mit einer bestimmten Atemtechnik. Wesentlich besteht das Programm aus Youssefs aktuellem Album "Streets of Minarets", allerdings neu und satter arrangiert von Magnus Lindgren, der die hr-Bigband leitete und es sich nicht nehmen ließ, ein Querflötensolo zu spielen.

Bei diesem Konzert kann man sich ganz auf die Geschichten konzentrieren, die die Musiker ‚malen‘. Die Musik fließt – vom Arabischen ins Europäische und zurück, vom Melancholisch-Nachdenklichen ins Rhythmisch-Wilde, vom Funkigen ins Bluesige und ins Elektrische. Wenn sie weiterfließt, nimmt sie etwas mit und lässt Musikeinsprengsel zurück. So entstehen immer neue musikalische Farbeffekte.

Es ist ein Spezifikum der Jazzmusik, dass alle Musiker gleichberechtigt ihr Instrument nach vorn bringen und dann wieder in der Band aufgehen. Saxophon-Solos, Riffs auf der Gitarre, virtuose Percussion-Einlagen und perlende Läufe am Piano kennt man, in diesem Konzert aber gab es auch Trompeten-, Querflöten- und Posaunen-Solos. Wunderbar, wie Melodie und Beat ‚weitergereicht‘ werden von Instrument zu Instrument. Und sie alle sind solche Könner! Besonders herauszuheben sind Daniel García (Piano) und Ernst Ströer (Percussion). Übrigens: Doch, es gibt Frauen im Jazz, und zwar nicht nur singende, wenn auch deutlich weniger als Männer. Bei der hr-Bigband ist’s aber nach wie vor reine Männersache – was ich schade finde.

Bei jedem klingen die Noten anders

Spätestens, als Youssef nach einer knappen Stunde die Zuschauer fragt, warum sie denn nicht ganz vorn sitzen (auf dem bestuhlten Orchestergraben), er würde auch jeden umarmen, der nach vorn käme, hatte er die Herzen aller erobert. "Wir sind alle einfach nur Musiker, und unser Handwerkszeug ist do-re-mi-fa-sol-la-si-do. Jeder spielt dieselben Noten, aber bei jedem klingen sie anders. Jeder hat eine andere Geschichte zu erzählen", hatte Dhafer Youssef dem Innsbrucker Kulturmagazin ‚Treibhaus‘ gesagt. Stimmt, bei jedem klingen die Noten anders. Bei ihm klingen sie himmlisch. Das Fuldaer Publikum bedankte sich mit lautem Beifall, Standing Ovations und glücklich-fröhlichem Gejohle. (Jutta Hamberger) +++


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