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Der Beruf des Apothekers hat sich gewandelt. Er ist viel mehr als der "Schubladenzieher" von früher. - Foto: Pixabay

HÜNFELD O|N-Gespräch mit Klaus Ohlendorf

"Schwierige Situation": Wie steht es um die Zukunft der Apotheke vor Ort?

05.05.23 - Eine Hiobsbotschaft hatte Anfang Februar die ABDA (Bundes­vereinigung Deutscher Apotheker­verbände) parat: 2022 musste der größte jährliche Verlust an Apotheken in Deutschland verzeichnet werden – die Anzahl sank auf nur noch 18.068.  Damit beträgt die Apotheken­dichte in der Bundes­republik aktuell 22 pro 100.000 Einwohner und liegt damit weit unter dem europäischen Durch­schnitt (32 pro 100.000 Einwohner). Die logische Konsequenz: Patienten müssen längere Wege bis zur nächsten Apotheke zurücklegen.

OSTHESSEN|NEWS sprach über diese Entwicklung mit Klaus Ohlendorf, der in Hünfeld die Marien-Apotheke führt. Der 66-Jährige, der 1980 seine Approbation erwarb, ist damit in die Fußstapfen seiner Mutter getreten. Die familiäre Tradition setzt Sohn Max fort, der vor einiger Zeit die Apotheke am Hünfelder Niedertor übernommen hatte. 

Klaus Ohlendorf führt die Marien-Apotheke in der Hünfelder Innenstadt. ...Foto: Bertram Lenz

Die aktuelle Situation bewertet Ohlendorf als "sehr schwierig und sehr herausfordernd". Nicht nur der Trend hin zur Online-Apotheke schwebe wie ein Damoklesschwert über den niedergelassenen Apotheken, der "Over the Counter"-Handel sei fast verloren. Dabei geht es um Medikamente, die rezeptfrei gekauft werden können. Das aber sei nur ein Aspekt.

Generell müsse beachtet werden, dass der Apothekerberuf in den vergangenen Jahrzehnten die viel zitierte "Zeitenwende" habe meistern müssen: Den "Schubladenzieher" von einst gebe es schon lange nicht mehr. Mitunter sei man - beispielsweise an Wochenenden - als Ansprechpartner gefordert, wenn Menschen in die Apotheke kämen und um Rat fragten.  Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Ärztliche Bereitschaftsdienst weggefallen sei.  Apotheker seien ein wichtiger Baustein im Gesundheitssystem - mit einem eigenen Selbstverständnis und klar definierten Aufgaben. 

Foto: Facebook

Traurige Realität aber sei, dass alle 27 Stunden in Deutschland eine Apotheke schließen müsse, weshalb auch die Kampagne "Lass' das Licht an, Karl!" gestartet worden sei, die sich an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) richte. Den Slogan findet man unter anderem plakatiert auf öffentlichen Plätzen, aber auch im You Tube-Kanal oder bei Facebook.

In der Hünfelder Marien-Apotheke sind 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Mit dabei sind drei Vollzeitkräfte und vier approbierte Apotheker, darunter Klaus Ohlendorf. "Dass es derzeit um die Apotheken nicht gut bestellt ist, hängt meiner Ansicht nach zunächst einmal mit dem fehlenden Nachwuchs zusammen. 80 Prozent derjenigen, die Pharmazie studieren, sind junge Frauen, die zumeist ein paar Jahre, nachdem sie im Beruf gearbeitet haben, eine Familie gründen und danach in Teilzeit beschäftigt sind". 

Die Politik ist gefordert

Generell sei die Politik gefordert, für ein besseres Vergütungssystem zu sorgen, mit dem die Beschäftigten besser entlohnt werden könnten. Seine Angestellten bekämen zehn Prozent über Tarif, seien in der Woche 55 Stunden täglich ab 8 Uhr in der Apotheke und leisteten 53 Notdienste pro Jahr  - "und das 24/7". Ohlendorf hebt als positives (Gegen)-Beispiel die Schweiz hervor, wo vor einiger Zeit die strikte Trennung von apothekenpflichtigen und verschreibungspflichtigen Medikamenten aufgeweicht worden sei. Ein solcher Schritt scheitere in Deutschland am Widerstand der Ärzteschaft, die fürchte, dass ihre Kompetenzen beschnitten werden könnten. 
    

Der überwiegende Teil der Medikamente wird in Asien produziert. Foto: Pixabay

Ein weiterer Grund sei die hohe wirtschaftliche Unsicherheit, denn zu den "natürlichen Kosten" wie für das Personal, die bestritten werden müssten, komme die Tatsache, dass die Margen enorm sinken. Seien es früher 33 Prozent gewesen, so komme man inzwischen auf unter 23 Prozent. Hinzu komme die "Zwangsabgabe" für Krankenkassen: Habe diese bis vor Kurzem 1,77 Euro betragen, so sei sie nach Intervention von Gesundheitsminister Lauterbach auf zwei Euro erhöht worden, der damit das Kassensystem stabilisieren wolle.

"Seit Jahren sind unsere Einnahmen unverändert,  bei parallel ständig gestiegenen Ausgaben. Das alles knabbert am Betriebsgewinn", urteilt der 66-Jährige. Und trage dazu bei, dass so viele Apotheker aufgäben. Ohlendorf beklagt zudem das Verhältnis zu den Krankenkassen, das eher schlecht sei. Er plädiert für einen fairen Umgang miteinander.    

Und was sonst noch ein Dorn im Auge des Hünfelder Apothekers ist, das sind die bürokratischen Vorgaben, die erfüllt werden müssten: "Das ist teilweise der Wahnsinn!" (Bertram Lenz) +++


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